„Weitere..Morde?“, sagte John ungläubig. „Aber-“
„Schsch“, unterbrach ihn Sherlock und presste sich flach an die Wand. John tat es ihm gleich. Neben ihnen war eine Tür, die nur angelehnt war, und dahinter schienen zwei Menschen zu streiten, genauer gesagt zwei Frauen. Die eine schien Alice zu sein.
„Ich verstehe nicht, wie du das machen konntest! Wir sind schließlich eine Familie!“
„Eine Familie, Penelope? DU hast es doch getan! Ich weiß es ganz genau! Ich hab es nämlich gesehen, wie du-“
„Du kannst gar nichts gesehen haben, kleine Schwester. Und gerade du solltest dich da raushalten, wenn es nicht sehr unangenehm für dich werden soll. Du hast keine Ahnung.“
„Wovon hab ich keine Ahnung? Ich hab gesehen, wie du dem Hausmädchen die Medikamente für George abgenommen und gesagt hast, du würdest sie ihm bringen! Und kurz danach war er tot!“
„Wirklich? Und kannst du das auch beweisen?“, sagte die Ältere spöttisch.
„...ich werde Beweise finden, verlass dich drauf, Penelope!“
„Alice, solltest du zur Polizei oder diesem Detektiv rennen und ihnen auch nur andeuten, ich hätte etwas mit dem Mord zu schaffen, wird es dir sehr leid tun! Haben wir uns verstanden?“ Alice schnaubte laut und Sherlock und John hörten, wie sie versuchte, wegzulaufen. „Lass mich los, Penelope!“, ihre Schwester hatte sie offenbar am Arm gepackt. „Halt dich da raus, Alice! Ein letztes Mal!“, zischte sie, bevor sie wütend aus dem Raum rauschte. Die Tür flog auf und John zog Sherlock noch rechtzeitig zur Seite, bevor sie ihm ins Gesicht knallen konnte. Penelope funkelte sie feindselig an. Sie war um die 40, mittelgroß und schlank; im Gegensatz zu Alice waren ihre Haare allerdings dunkelbraun und lockig, und ihre Gesichtszüge ähnelten denen von George. Sie hatte dunkelgrüne Augen, eine lange, spitze Nase und einen schmallippigen Mund; sie trug einen Hosenanzug und feine Damenschuhe.
„Was haben Sie hier verloren? Haben Sie uns etwa belauscht?“, sie stemmte die Hände in die Hüften.
„Nein, haben wir nicht.“, antwortete Sherlock mit samtweicher Stimme. „John und ich mussten gerade etwas klären, nicht wahr, John?“, er sah den Doktor drohend an.
„J..ja. Und damit du es weißt, Sherlock, ich mache da nach wie vor nicht mit!“, er lief an der verdutzten Frau vorbei und kämpfte mit seinem Grinsen. Sherlock schlug seinen Kragen hoch. „Wenn Sie mich entschuldigen würden...“, und folgte John.
Als sie beide um eine Ecke verschwunden und stehen geblieben waren, kicherte John los. „Oh Mann, dieses Gesicht werde ich nicht so schnell vergessen!“ Sherlock grinste ebenfalls amüsiert. Ja, das Gesicht war wirklich zu köstlich.
Dann runzelte er nachdenklich die Stirn und die kleine Falte zwischen den Augenbrauen, die John in Gedanken immer Nachdenkfalte nannte, erschien.
„Das Gespräch zwischen den beiden war höchst aufschlussreich. In dieser Familie stimmt etwas nicht. Wir sollten uns hier noch einmal umsehen.“
Sherlock ging zur Treppe, die in den ersten Stock führte. „Wenn jemand fragt, wir schauen uns für Lestrade um. Es wäre aber besser, wenn uns niemand sehen würde.“ Leise gingen die beiden die breite, mit einem rot – orangenen Teppich ausgelegte Treppe hinauf. Oben verlief der Flur einmal um die Treppe herum. Links und rechts waren Türen, alle im gleichen Abstand, angebracht. Sie schienen aus massivem Holz zu sein und waren alle geschlossen. Der rot – orangene Teppich lag auch auf dem Korridor. Vorsichtigen Fußes schritt Sherlock zur ersten Tür und legte sein Ohr daran, lauschte und drückte dann die Klinke herunter. Die Tür ging auf. John folgte Sherlock in das Zimmer.
Es schien ein Schlafzimmer zu sein, das einer Frau. Es gab einen Schminktisch, ein Himmelbett und auf der Fensterbank vor einem großen Fenster standen viele, gut gepflegte Pflanzen. „John, würden Sie die Tür hinter sich schließen?“ Der Detektiv untersuchte das Fenster, dann blickte er hinaus. „Sehen Sie mal, von hier kann man in den Garten schauen.“ John stellte sich neben Sherlock.
„Was sehen Sie?“, fragte er leise, damit sie niemand hörte.
„Naja...viele Bäume und Rasen...ein paar Blumenbeete...“
„Sonst nichts?“
John zögerte. Aber in dem Garten war nun mal nichts anderes. „Nein, sonst nichts. ...Was sehen Sie?“ Sherlock lächelte kurz.
„Einen Hinweis. Zumindest könnte dort ein Hinweis sein.“
John suchte noch einmal mit den Augen alles ab, dann seufzte er. „Was für ein Hinweis?“
Sherlock streckte den Arm aus. „Dort.“ Er zeigte auf einen Baum, dessen Krone gut bestückt war. Er ragte höher als das Haus.
„Ein Baum.“ , wisperte John. „Und?“
Sherlock stellte sich hinter John und drehte seinen Kopf ein Stück nach rechts. „Sehen Sie es jetzt?“
„...oh! Ein Vogelhäuschen!“ Tief im Geäst verborgen, konnte man wirklich ein altes Vogelhäuschen erkennen. „...aber inwiefern ist das ein Hinweis?“
In diesem Moment wurden sie unterbrochen. Wie eine Walküre stürzte Penelope Norton in das Zimmer. „Was haben sie hier verloren?!“, kreischte sie. „Das ist unerlaubtes Eindringen! Ich werde sie anzeigen!“ Drohend zeigte sie mit dem Finger auf die beiden. „Was schnüffeln sie hier überhaupt herum?“
„Wir haben nicht herumgeschnüffelt, wie Sie es ausdrücken.“
„Achja, und was dann?“
„Das geht Sie überhaupt nichts an, Mrs. Norton.“
„Es geht mich sehr wohl was an, was Sie in meinem Zimmer machen!“
Sherlock drehte sich zu John um. Schnell flüsterte er „Sorry“, so leise, dass nur John es hören konnte; dann beugte er sich herunter und küsste John auf die Lippen. Johns Wangen färbten sich rötlich und er starrte Sherlock ungläubig an. Mrs. Norton blinzelte geschockt. „Das dürfte alle Ihre Fragen beantworten, Mrs. Norton. Ich denke mal, dass Sie das für sich behalten. Auf Wiedersehen.“ Schnell packte er John am Arm und rauschte aus Penelopes Zimmer, die ihnen nur mit offenem Mund hinterherstarrte.
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Sherlock - I have only one friend
FanfictionVor der Tür der 221B Baker Street wurde ein geheimnisvolles Päckchen hinterlassen. Sherlock und John kommen schnell dahinter, dass es um das Erbe des kürzlich verstorbenen Millionärs Norton geht. Bei der gefährlichen Suche nach dem Testament und dem...