Der Brief

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  • Gewidmet Alice Norton (auch wenn sie nicht existiert, um sie zu würdigen)
                                    

Sherlock lächelte glücklich vor sich hin, ohne wirklich zu wissen, warum. In Gedanken war er bereits bei heute Abend. John und er würden gemeinsam zu Angelo gehen, lecker essen und sich schön unterhalten. Das mochte ganz banal und langweilig klingen, aber Sherlock freute sich richtig darauf. Er überlegte, ob er sein violettes Hemd anziehen sollte, weil er wusste, dass John es mochte. Plötzlich wurde er von einem Klingeln aus seinen Gedanken gerissen. Aus Reflex wollte er schon John rufen, dass er runtergehen soll, aber er ging diesmal selbst an die Tür. 

„Ja?“, fragte er leicht genervt. Vor der Tür stand niemand. 'Nicht schon wieder', schoss es Sherlock durch den Kopf. 'Hatten wir das nicht bereits vor ein paar Tagen?'
Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Er wandte den Kopf und sah einen weißen Briefumschlag, der am Türklopfer befestigt war und im Wind flatterte. Er machte ihn ab, schloss die Tür und setzte sich oben in seinen Sessel. Der Briefumschlag war nur mit „an Sherlock Holmes“ beschriftet; die Handschrift ließ auf eine Frau schließen. Irgendwo hatte Sherlock diese Schrift schon einmal gesehen. Mit seinem messingfarbenen Brieföffner schlitzte er die Oberseite auf. Innen war lediglich ein eng beschriebenes Blatt Papier mit derselben Handschrift, jedoch war sie dieses Mal hastiger und schlampiger. Mit gerunzelter Stirn und einer düsteren Vorahnung begann er zu lesen.

Lieber Mr. Holmes,

ich möchte Ihnen danken. Ohne Sie wären diese schrecklichen Morde niemals aufgedeckt worden. Sie sind ein wahrer Meisterdetektiv und ihr Freund ein wunderbarer Mensch, der mich sehr getröstet hat. Es tut mir Leid, dass meine Schwester ihn hintergangen hat. Sie sollten sich glücklich schätzen, so einen Mann an Ihrer Seite zu haben. Ich sitze gerade in unserem Garten in der Nähe des Zauns, an einen Baumstamm gelehnt. Nicht weit von mir entfernt ist ein Loch im Zaun, und ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie es dorthin gekommen ist. Bestimmt könnten Sie es mir sagen.

An dieser Stelle musste Sherlock schmunzeln.

Aber darum geht es mir nicht. Im Haus streiten sich mittlerweile meine verbliebenen Geschwister und Angestellte. Die meisten haben gekündigt. Im Testament stand, dass ich das Meiste erben sollte. Meine Geschwister sind sehr wütend auf mich. Mir gehört das Anwesen, der Großteil der Möbel und 1.000.000 £. 
Aber eigentlich möchte ich das alles nicht. Deshalb vererbe ich Ihnen einen Anteil des Geldes als Dank, den Rest spende ich. Sie sind ein kluger Mann. Sie wissen, worauf das hinausläuft; Sie können mich nicht mehr aufhalten. Wenn Sie diese Zeilen lesen, bin ich bereits mit meinen Eltern vereint. Leben Sie wohl.

Alice Norton

Sherlock starrte den letzten Abschnitt mit einem leeren Blick an. Er wusste, es war bereits zu spät – Alice war eine intelligente Frau. Sie hatte sich diesen Schritt gut überlegt und riskierte es nicht, dass jemand sie aufhielt. Der Detektiv schluckte schwer. 

„Sherlock, ist alles in Ordnung?“, auf einmal stand John in der Tür und sah ihn mit einem besorgten Blick an. Wortlos hielt der Angesprochene ihm den Brief hin.

Als John las, veränderte sich sein Gesichtsausdruck schlagartig.
„Sherlock, wir müssen Sie aufhalten!“, er stürmte zum Schrank, wühlte ihre Mäntel heraus und wollte seinen gerade hastig anziehen, als der Detektiv aufstand und ihn festhielt.
„John.“
„Wir haben jetzt keine Zeit für so etwas! Wir müssen -“
Der Arzt blickte in Sherlocks klare Augen und verstummte. In seinen Augen sah er, dass es keinen Sinn mehr hatte. Das Alice bereits dort war, wo ihr keiner hin folgen konnte. Dass es zu spät war.

Sherlock - I have only one friendWo Geschichten leben. Entdecke jetzt