20. Kapitel- In dem etwas verloren geht und etwas anderes zurückkehrt

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„I've got a tombstone hand and a graveyard mind,
I'm just twenty-two and I don't mind dying
Who do you love?"
(„Who Do you Love?", George Thorogood)

。。。
Castiels POV
。。。

Ich stehe wirklich hier.

Nach all den Schmerzen, all den Qualen finde ich mich an genau diesem Ort wieder. Vor der Tür, die mich vom vierten, vom letzten Tunnel trennt. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe. Ich weiß nur, dass dem so ist. Oder zumindest glaube ich es zu wissen. Auch wenn mein Verstand mit jedem Schritt schwammiger wird, mir immer ein Bisschen mehr durch die Finger rinnt, wie feinster Zuckersand ins bodenlose Nichts rieselt.

Manchmal vergesse ich kurzzeitig, wie ich hier hergekommen bin oder warum ich überhaupt weitergehen sollte. Manchmal scheint alles überhaupt keinen Sinn mehr zu ergeben;
Warum sollte ich mich weiter foltern lassen?
Warum bleibe ich nicht einfach stehen und warte?
Worauf aber warten?
Rettung? Wird hier jemand kommen, um mich zu retten?

Ich weiß auf all diese Fragen keine Antwort und doch gibt es Dinge, die ich nicht vergessen kann. Die Flammen, wie sie an meinem Körper geleckt haben. Die elende Hitze, der beißende Geruch. Die Säure, die mir auch den letzten Hauch an Kraft erbarmungslos aus den Beinen geätzt hat.
Nur der dritte Tunnel, der dritte Tunnel ist in die Vergessensspirale geraten, die sich unbarmherzig immer weiter dreht, mit jedem Atemzug ein Stück mehr von dem raubt, was ich mir aufgebaut habe in den vergangenen Tagen, Wochen, Monaten -ich weiß es nicht mehr-. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich schon hier bin und je angestrengter ich versuche, mich zu erinnern, was ich vor all dem hier getan habe, umso schwieriger wird auch das.

Da ist nur noch ein Wort. Ein einzelnes Wort, das in meinen Gedanken wabert:
„Dean."
Wenn ich nur wüsste, was ich mit diesem Wort verbinden sollte.

Die elenden Kopfschmerzen kommen wieder auf, weshalb ich hastig die Klinke herunterdrücke. Nicht mehr nachdenken, einfach weitermachen. Vielleicht ist das hier auch erst der dritte Tunnel. Vielleicht schon der Vierte. Vielleicht sogar der Fünfte.
Egal. Ich darf nicht innehalten, sonst entgleitet mir auch das letzte bisschen meiner Selbst.

Weiter, immer weiter, bis ich mein Ziel, was auch immer es überhaupt ist, erreicht habe. Oder bis ich innerlich vollständig ausgebrannt bin. Noch kann ich gehen, langsam, eher ein abgehaktes Wanken, als ein normaler Gang. Jeder Schritt ist mit Schmerz verbunden, aber ich komme voran.
Und wenn es auch nur für dieses einzelne Wort in meinem Kopf ist.

Dieser Tunnel ist anders, als die anderen. Vielleicht träume ich aber auch.
Vielleicht liege ich in Wahrheit gerade irgendwo ohnmächtig auf dem Boden.

Nicht denken, sondern wahrnehmen, was mir die Realität, oder die Illusion, zu bieten hat: Licht.
Der Tunnel ist vollständig erleuchtet. Die Tür, das rettende Tor in die Erlösung ungefähr fünfzehn Schrittmaß entfernt. Vielleicht auch nur zehn. Vielleicht zwanzig.
So genau kann ich es nicht einschätzen, aber die Entfernung wirkt überwindbar. Nur, dass sie in mir nicht das erhoffte Gefühl von Kampfgeist aufkommen lässt. Wofür auch kämpfen?
Dean.
Was auch immer dieses Wort bedeuten mag. Es muss als Antwort genügen.

Ich setze einen ersten Schritt, höre dabei nicht mehr, wie die Tür hinter mir zuschlägt. Es ist, als befände ich mich mit Eintreten in diesen Gang in einem anderen Universum. In einem endlosen Vakuum, indem es nur mich und die Luftpartikel gibt.
Die Luft.
Ehe ich über die anstehenden Qualen genauer nachdenken kann, höre ich eine leise Stimme, um mich herum. Zunächst meine ich, dass es meine eigene ist. Erst nach einigen weiteren Schritten wird die Stimme klarer, verständlicher. Es ist nicht meine eigene, aber ich kenne sie. Von irgendwoher kenne ich sie.
„Cas."

Forgotten | MxM | BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt