32. Kapitel- In dem ein Herz zerbricht und ein anderes taub wird

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„Can't take no more
Can't give affection
Rejection
Imperfection
In my head
Aggrivation
Situation
This creation's too bad"
(„Chaos surrounds you", Brian Tichy)

Meine Augen sind geöffnet, doch alles was ich sehe, ist strahlend helles Weiß.

Entfernt glaube ich Stimmen zu vernehmen, während ich mit der Orientierung kämpfe;
Stehe ich? Sitze ich? Liege ich?
Ich weiß es nicht. Ich bin überall und nirgendwo zugleich.
Weder Zeit, noch Raum existieren für mich. Ein Gefühl von Schwerelosigkeit breitet sich in mir aus, bis ich nicht einmal mehr über eine Seele verfüge, die mich noch im Hier und Jetzt halten kann.

Kurz glaube ich, Annas Gesicht zu sehen; die strahlenden Augen, welche mir lebendig entgegen funkeln, lebendiger als je zuvor. Ihre warmen Hände zu spüren, die sanft meine Wangen entlang streicheln und mir den Trost spenden, nach dem ich mich so sehr gesehnt habe. Leise flüstert sie mit ihrer hauchzarten Stimme einen einzelnen Satz in mein Ohr;

"Dean Winchester, deine Zeit ist noch nicht gekommen."

Ehe mich der Sinn dahinter erreichen kann, verrauchen die Worte und machen Platz für eine lautere, klarere Stimme, getränkt in Sorge:
„Dean, Dean. Sieh weg, du musst wegsehen."

„Cas", murmle ich schwach, ehe mich zwei Hände packen und grob in die Realität zurückziehen.

Strahlendes Blau empfängt mich. Ein vertrautes Gesicht, das, entgegen meiner Erwartung, von kochender Wut dominiert wird. „Cas."
„Verdammt, was hast du dir nur dabei gedacht?", flucht er, ohne auch nur eine Spur von Erleichterung in seinem Ausdruck. „Du darfst nicht in das Licht sehen, hörst du?", rügt er, als wäre ich ein kleines naives Kind, dass seine Hand auf die Herdplatte gelegt hat. Schwach nicke ich, woraufhin er mich loslässt und sich abwendet. Sein Gesicht wird von Trauer überschattet, als er zu Annas Leiche blickt.
Er sagt nichts zu ihrem Tod, keine Worte des Abschieds. Keiner sagt irgendetwas, stattdessen starren wir sie an, jeder vermutlich in der stillen Hoffnung, dass sie doch ihre Augen öffnen wird. Vergeblich.

Erst Balthazar, der inzwischen mühsam auf die Beine gekommen ist, bricht die Stille. „Sie hat es so gewollt." Er wischt sich das Blut weg und es scheint ihm eher lästig, als schmerzhaft.
Castiel schnaubt abfällig, ehe er sich von dem blonden Engel abwendet. „Das bezweifle ich."
„Sie war eine Kriegerin, Castiel. Schon immer. Und an diesem Tag ist sie auf dem Schlachtfeld gestorben." Mein Geliebter ballt seine Hände zu Fäusten, kaum den erneut aufkochenden Ärger zurückhaltend.
„Es sind schon zu viele für mich gestorben. So unzählbar viele. Und jedes Mal bleibe ich zurück, mit der Frage nach dem Warum. Es ist nicht fair, Balthazar." Die letzten Worte spuckt er förmlich gen Boden, was mich schwach zusammenzucken lässt. Er ist so voller Zorn. Eine Seite an ihm, die ich bisher nie erlebt habe. Und ich bin froh darüber, denn sie macht mir Angst. Cas ist jetzt ein Engel und ich weiß nicht, in welchem Ausmaße ihn das verändert hat.

„Du irrst, mein Freund", erwidert Balthazar, auf die klagenden Worte. „All diese Engel sind nicht für dich gestorben. Sie sind in die Schlacht gezogen, um ihren Glauben an Freiheit zu verteidigen, um für eine bessere Zukunft zu kämpfen und unsere Pflicht ist es dafür zu sorgen, dass all dieses Blut nicht umsonst vergossen wurde."
„Nicht umsonst", echot Cas kaum hörbar, mit abfälligem Unterton in der Stimme. „Nicht umsonst."
Der Blonde legt die Hand auf Castiels Schulter, welcher die Geste kommentarlos zulässt. Nicht einmal ein kleines Zucken seiner Mundwinkel. Als wäre seine Mimik in einer Maske der Gleichgültigkeit erstarrt.

„Wir müssen fort von hier", mischt sich Hannah ein. Ihr Auftreten wirkt selbstbewusst, da ihre Wunden allmählich verheilen, aber in ihren Augen erkenne ich noch den Schock, gemischt mit der Trauer über den Verlust.
„Erst nachdem wir Dean zurückgeschickt haben", kontert Cas, meinem Blick ausweichend.
„Jetzt zu Tür 42 zu gehen ist zu riskant", mahnt die Braunhaarige, „jetzt, wo sie wissen, dass Dean hier ist, werden sie dort bestimmt warten."
„Hey, ich habe wohl auch ein Mitspracherecht und ich habe mich entschlossen euch zu helfen, diesen Kampf zu gewinnen", mische ich mich ein, und will gerade fortfahren, als Castiels drohender Blick mich sofort zum Verstummen bringt. Mit kaltem Blick sieht er mich an und lähmt mich, ohne, dass ich es verhindern kann.

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