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36. Kapitel- In dem Befreier zu Verrätern werden

„Non, rien de rien, non, je ne regrette rien
Ni le bien qu'on m'a fait, ni le mal
Tout ça m'est bien égal
Non, rien de rien, non, je ne regrette rien
Car ma vie, car mes joies
Aujourd'hui ça commence avec toi"
(„Non, je ne regrette rien", Édith Piaf)

„Großartig. Also können wir davon ausgehen, dass Isaac drauf und dran ist, uns einzuholen?"

Hannah fährt sich nervös durch die Haare. „Wirklich schön, dass ihr euch Zeit gelassen habt."
„Hey, war das etwa Sarkasmus?" Balthazar gesellt sich in die Runde, die sich um Bobbys kleinen Wohnzimmertisch gebildet hat. „Sie ist wirklich wütend", murmelt er unnötigerweise an mich gewandt.
„Deshalb sollten wir jetzt loslegen", entgegne ich und tausche einen vielsagenden Blick mit Cas.

„Bereit?"
Er nickt, könnte dabei jedoch kaum unsicherer aussehen.
„Okay, Bobby, wie sieht es bei dir aus?"
Der Alte mustert mich mit mürrischem Blick. „Ich hab inzwischen Moos angesetzt. Im Ernst habt ihr beiden im Wunderland mit dem Hutmacher noch eine Teezeremonie abgehalten, oder was?"
Schnell wandern meine Augen zu den Zetteln auf dem Schreibtisch. „Es gab noch etwas Wichtiges zu klären. Apropos Hutmacher, da fällt mir ein: Crowley lässt grüßen."
Ich höre ihn lautstark Luft holen. „Willst du jetzt wirklich von diesem Mistkerl anfangen?"
„Schlechter Zeitpunkt, ich weiß. Aber wenn du nach dieser Aktion aus dem Himmel fliegen solltest, seine Tür steht offen." Ich versuche es wie den schlechten Scherz klingen zu lassen, der es ist.
„Gut, hätten wir das also auch geklärt. Will noch jemand irgendetwas loswerden?" Balthazar klingt inzwischen auch, als wäre er am Rande seiner Geduld.

„Möge Gott mit uns sein", murmelt Cas und blickt jeden in der Runde kurz an.
„Solange du bei uns bist, wird alles gut gehen", erwidert Hannah und ein sanfter Ausdruck schleicht sich auf ihr Gesicht. Cas bemüht sich um ein Lächeln, das ihm im Endeffekt eher schlecht, als recht gelingt.

Er wird doch mit mir gehen, oder?
Noch kann ich mir dessen nicht sicher sein.
Der Kuss hat mir neue Hoffnung gemacht, aber ich weiß zu gut, dass keimende Hoffnung nur der Vorbote, schmerzhafter Enttäuschungen ist.

Bobby begibt sich in Position, vor die Wohnzimmertür und nickt uns allen noch einmal kurz zu. Auf Hannahs Handzeichen hin, zieht Balthazar an einem kleinen Faden des Teppichs und öffnet dadurch die Tür aus dieses Himmels. „Die Seele ist nicht länger an ihren Himmel gebunden", verkündet Cas feierlich und wir blicken dem alten Mann hinterher, der entschlossen nach draußen in den weißen Flur stapft.
„Jetzt sind wir Frischfleisch", merkt Balthazar an und wie auf Kommando sind aus der ferne undeutliche, obgleich laute, Stimmen zu vernehmen.

„Er beeilt sich besser", murmelt Hannah, ehe ich die Schwingen ihrer Flügel schlagen höre.
Schon ist sie verschwunden.
Balthazars Blick wechselt kurz zwischen Cas und mir, ehe er zu lächeln beginnt. „Pass gut auf deinen Schokoladenjungen auf, Cassie." Er wirft mir blitzschnell meine silberne Klinge zu, ehe er sich mit einem vielsagenden Grinsen ebenfalls zu dem besagten Büro von Issac teleportiert.

Nun stehen nur noch Cas und ich hier.
Ein letzter, tiefer Atemzug.

„Dean, es war mir eine Ehre", setzt der Engel an, aber ich bringe ihn mit einer Handbewegung zum Verstummen.
„Hör auf. Keine kitschige Abschlussrede, okay? Denn wir werden Isaac töten. Das weiß ich."
Er erwidert nichts und bevor ich weitere halbherzige Aufmunterungen äußern kann, liegen seine Finger an meiner Stirn.

Alles wird schwarz und ich spüre heftige Ströme. Keine physischen, von Luft oder Wasser.
Ich spüre Ströme von Emotionen: Meine eigenen, die heftig aus mir heraus gleiten, als Reaktion meiner Flugangst, der Versagensangst und der Verlustangst. In leerem Raum schwingen, weite Entfernungen überwinden und immer schwächer werden, bis ich sie nicht länger verfolgen kann. Ein Teil von ihnen trifft auf einen fremden Strom, geht eine Wechselwirkung mit ihm ein. Wie zwei Zahnräder, die sich zusammenfügen.
Castiels Emotionen.