Teil Zwei

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»Bei allen Welten! Wie kannst du nur so egoistisch sein?«, keifte Eos los. Auch der Engel war aufgesprungen und sah nun aus, als wolle er ihr wirklich an die Kehle gehen. 

»Beruhigt euch, Eos, Atriell. Bitte, das ist bloß das übergroße Mundwerk meiner Nichte, seht wohin es sie gebracht hat.« 

Seth war der Einzige, der bei ihren Worten ruhig geblieben war. Etwas, das Eben verwunderte, immerhin ging es um die Seele seiner Frau, Nephtys. Auch wenn Eben stets den Eindruck gehabt hatte, dass er sie mehr als Eigentum ansah. Aber das war nichts, was sie betraf, also war es ihr egal. 

»Ich habe mit dieser Antwort gerechnet.« 

»Hast du das?« 

Eben war nicht im Ansatz so überrascht, wie sie vorgab und wie seine beiden Begleiter tatsächlich zu sein schienen.  

»Hab ich. Wie wäre es hiermit als Bezahlung?« 

Er griff in seine Schatten und beförderte eine etwa handgroße Kugel aus hellem Lehm zum Vorschein. Er legte sie vor Eben auf den Tisch und ein kleines, unbeschriebenes Stück Papier daneben. 

»Ist das …?« 

Eben konnte nicht anders, als auf die beiden unscheinbaren Gegenstände zu starren. Wenn sie das waren, wofür sie sie hielt…

Seth nickte siegesgewiss. 

»Der Rabbi, von dem ich sie habe, schwört bei seinem Leben, dass sie echt sind. Aber das merkst du natürlich selbst.« 

Er hatte recht. Eben konnte die wirbelnden Ströme von Magie spüren, die sich im Inneren des braunen Klumpens und dem winzigen Blatt befanden. Sie waren ohne Zweifel echt. 

»Woher weißt du davon?«, fragte sie kalt, ohne ihren Blick von den Gegenständen lösen zu können. 

Ein milder Ausdruck trat auf sein Gesicht, während sowohl Eos als auch Artiell nur skeptisch zusehen konnten. 

»Ich kenne den Wunsch von jedem Wesen in allen Welten. Auch deinen. Ich weiß genau, was in deinem Schädel vor sich geht, meine liebe Nichte. Also, willst du mir diesen kleinen Gefallen tun und mir zurückbringen, was mein ist?« 

»Einverstanden«, antwortete sie etwas zu schnell. 

Als sie ihm über den Tisch die Hand reichte, hatte sie das Gefühl, ein Geschäft mit einem Wesen zu schließen, vor dem sich der Teufel nachts unter seiner Decke versteckte. 

Aber Seth hatte recht. Das, was ihr die Lehmkugel bringen würde, war ihr einziger Wunsch. Und wenn es ihrem Vater schadete… 

Nachdem der Handel besiegelt war, wollte sie schon nach dem Klumpen greifen, doch Seth ließ beides rasch wieder in seinen Schatten verschwinden, ehe ihre Finger sich darum schließen konnten. 

Sie funkelte ihn böse an, doch er lächelte nur. 

»Du erhältst sie, sobald der Auftrag erledigt ist.« 

»Ich soll dir vertrauen? Dir!?« 

Sie spuckte ihm die Worte geradezu entgegen. Seth zuckte nicht einmal mit der Wimper, ob ihres beißenden Tonfalls, der Eos genug zu empören schien, dass sie beleidigt aufsprang. 

Doch Seth hielt sie mit einer einfachen Handbewegung davon ab, eine Tirade auf Eben loszulassen. 

»Natürlich. Was für einen Grund hätte ich, dich zu betrügen? Wir stehen schließlich auf derselben Seite, oder nicht?« 

»Du bist du. Die Seite hat für dich noch nie eine Rolle gespielt.« 

»Jetzt tust du mir aber Unrecht, Kindchen. Ich bin ein Gott, Götter halten immer ihr Wort.« 

Totengötter sterben nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt