Wutausbruch

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»Einem Monat? Ich soll einen Monat hier herumhängen, mit denen?!« 

Eben war aufgesprungen und deutete auf die anderen Jugendlichen hinter sich.  

Jeevan wirkte überrascht und Ryuko verängstigt, doch die meisten blitzten sie wütend an. Nur Hunor blieb wie immer völlig ruhig. 

»Bei allen Welten, das kannst du mir nicht antun!« 

Seths Blick verfinsterte sich. Es schien, als tanzten dunkle Feuer darin. Der Anblick erinnerte Eben daran, wessen Bruder sie hier vor sich hatte. 

»Eboniqe Sefu Zaliki Osiris!« 

Ihr voller Name donnerte durch das Gebäude wie ein Erdbeben. Seine Schatten wirbelten um ihn, wie wütende schwarze Löcher. 

»Muss ich dich daran erinnern, mit wem du sprichst?« 

Die Drohung jagte Eben einen Schauer über den Rücken und wie von selbst erhoben sich ihre Schatten, um sie zu schützen. 

Derweil begannen sich in Boden und Decke Risse zu bilden und überall war ein beängstigendes Knacken zu hören. 

Seth, der Gott der Zerstörung, machte seinem Namen alle Ehre. 

Doch sein Wüten flachte langsam ab, als Eben keine Anstalten machte, ihn anzugreifen. 

»Fordere mich nicht heraus und lern endlich, dich zu beherrschen. 

Du wirst tun, was ich dir sage und deinen Mitstreitern gefälligst Respekt entgegenbringen! 

Kein Wunder, dass dein Vater dich aus der Unterwelt verbannt hat!« 

Von einem Moment zum nächsten herrschte atemlose Stille. Eine Sekunde, in der alle geschockt schwiegen und Seth begriff, dass er zu weit gegangen war. 

Eben starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. 

Dreitausend Jahre lang hatte niemand es gewagt, sie auf ihre Verbannung anzusprechen. Hatte niemand es gewagt in ihrer Nähe auch nur den Namen ihres Vaters zu erwähnen.  

Seths Worte bohrten sich in sie wie vergiftete Dolche. Sie rissen etwas in ihr wieder auf, das sie lange verheilt geglaubt hatte, und Schmerz explodierte in ihrem Wesen. Tränen traten aus ihren Augenwinkeln, doch die Schatten ließen sie vergehen, als hätte es sie nie gegeben. Ihre Magie erwachte zischend zum Leben.  

Sie übergab sich der Wut, weil sie so viel leichter zu ertragen war, ließ sich fallen in ihr rasendes Brodeln.  

Ein Sturmwind erhob sich in der Halle und rauschte in ihren Ohren. 

Die Risse erweiterten sich, dann krachte es, als unter Ebens Kraft die Mauern nachgaben. 

Putz und ganze Gesteinsbrocken regneten zur Erde, doch Eben schien es nicht wahrzunehmen. Ihr ganzes Sein war in diesem Augenblick auf eine Sache ausgerichtet: Rache. 

Rache an der Person, die ihr diese unsäglichen Schmerzen bereitet hatte. 

Das rote Glühen, zu dem ihre Augen geworden waren, richteten sich auf ihren Onkel. 

Ihre Schatten verdichteten sich zu riesigen schwarzen Dornen, die auf Seth hernieder stachen, als stürze das Dach der Welt selbst auf ihn ein. 

Seths Finsternis warf sich dazwischen. Staub wirbelte auf, als die beiden Fronten aufeinanderprallten.  

Eben, blind vor Zorn, versuchte ihre Schatten durch seinen Wall zu schlagen, um ihren Gegner zu zerschmettern.  

Er hielt dagegen, doch seine verfestigte Dunkelheit vibrierte unter jedem ihrer Schläge stärker. 

Totengötter sterben nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt