Teil Zwei

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Ein dichtes Geflecht von ihnen bedeckte seinen gesamten Körper. Manche lang wie ihr Unterarm und von unzähligen kleineren eingerahmt, andere kurz aber dick, als wäre die Wunde sehr tief gewesen. 

Die Verletzungen, die zu ihnen geführt haben mussten, waren ohne Zweifel schmerzhaft gewesen und für einen Menschen mit Sicherheit tödlich. 

Er blieb unweit von ihr stehen und wagte etwas, das ein Lächeln hätte sein können. Doch seine Mundwinkel waren irgendwann einmal aufgeschnitten worden und so wirkte es, als hätte man ihm den eigentlich freundlichen Ausdruck mit einem Messer in das Gesicht geritzt. 

Eben war unfähig, es zu erwidern, starrte nur auf all die Zeichen von Grausamkeit und fragte sich, wie es zu ihnen gekommen war. 

Er bemerkte ihren Blick, kannte die Reaktion wohl, denn es schien ihm nicht mehr Unbehagen zu bereiten, als die Begegnung als solche. In seinen goldenen Augen schimmerte eine Sanftmut, die genauso geschunden wirkte wie sein Körper. 

»Ich weiß, ich bin kein schöner Anblick. Trotzdem hoffe ich, es macht dir nichts, mit mir zusammenzuarbeiten.« Selbst seine Stimme schien, als trüge sie Narben und Eben hörte deutlich den Ton der erwarteten Ablehnung heraus.  

Sie schüttelte den Kopf und musste schlucken, ehe sie zu sprechen begann. 

»Nein, kein Problem.« 

Dann streckte sie ihm von ihr aus die Hand entgegen.  

»Ich bin Eben, es ist...« 

Sie stockte. Hatte sie sagen wollen, dass sie sich freute, ihn kennenzulernen? 

Was war mit ihrem Vorsatz? 

Doch er schien zu verstehen, was sie nicht aussprach, denn er ergriff ihre Hand. 

Seine war erstaunlich warm und rau. 

»Es freut mich ebenso. Ich bin Jeevan den Bhairava.« Wieder dieses Lächeln. 

Eben war sich unsicher, ob sie ihren Vorsatz ihm gegenüber halten konnte. 

»Ach sieh an, Jeevi hat eine neue Freundin.« 

Der Flügeltyp war mit einem Mal über ihr und Jeevans Ausdruck wurde wieder so unsicher, wie er nur Sekunden vorher gewesen war. Er senkte den Blick zu Boden, fast als hätte man ihn geschlagen. 

Es traf Eben unvorbereitet, wie sehr sie dieser Anblick schmerzte.  

Sie wusste nicht einmal, wieso. Vielleicht, weil er sie in diesem Moment an sie selbst erinnerte, bevor sie gelernt hatte, sich zu wehren.  

Sie spürte, wie der Schmerz in ihrem Inneren zu brennen begann, als entzünde er sich an ihrem aggressiven Wesen. Er glühte durch ihre Adern und ließ ihre Magie erwachen. 

Ihre Schatten traten aus ihrem Körper hervor, als atme sie sie aus. Wie schwarze Speere sausten sie durch die Luft und wickelten sich um Claudell, ehe er überhaupt begriff, was geschah.  

Sie schmetterten ihn zu Boden und Eben hörte deutlich, wie eine seiner Rippen brach. Sie hatte erwartet, dass er schreien oder sich zumindest wehren würde, doch er tat nichts davon. Hob nur den Kopf aus der kleinen Kuhle, die sein Aufprall hinterlassen hatte, und starrte sie durchdringend an. 

»Du willst kämpfen, ja?« 

Das Rot seiner Augen schien vor Freude zu pulsieren. Er wirkte wie ein Wahnsinniger, als er bei der Vorstellung grinste.  

Doch Xerxes ging dazwischen, ehe er sich auch nur befreien konnte.  

»Niemand wird hier kämpfen. Eben, bitte lass ihn los.« 

Totengötter sterben nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt