Olivia stockte. Sie wusste, dass es mitten im Einsatz eigentlich verboten war, doch sie griff trotzdem nach ihrem Handy.
Sie rief Aiden an.
Der Anrufbeantworter.Sie schmiss das Handy auf den Tisch. Dann griff sie nach dem Funkgerät.
Sie war sicher zu ängstlich. Zu empfindlich, lag sicher falsch. Doch die Sorge überwältigte ihren logischen Verstand.
"McTaylor für Zentrale an Delta I. Hat der Mann eine Narbe auf der linken Seite seiner Brust?!"
Ihre Stimne schwankte und war plötzlich ungewöhnlich hoch.
"Walker an McTaylor, sieht tatsächlich so aus. Ich habe ihn gerade auf der Trage. Kein Puls tastbar. Warum ist das wichtig?"
Der neue Pilot Ian klang sehr gehetzt, doch gleichzeitig war eine erschreckender Anflug von Gleichgültigkeit in seiner Stimme zu hören.Mit einem Scheppern fiel Olivia das Funkgerät aus der Hand. Es landete direkt vor ihren Füßen, obwohl sie wusste, dass sie sich auf den Einsatz konzentrieren musste.
Ihr Kollege Matthew stand in der Tür, die Augen wie immer von dunklen Augenringen umrandet.
"Olivia? Was ist los?!"
Er hob schnell das Funkgerät auf und sprach etwas hinein. Sie konnte ihn nicht hören. Er sah sie nochmal fragend an. Plötzlich fing sie an, etwas zu flüstern und Matthew musste sich wahnsinnig anstrengen, um es zu verstehen.
"Das ist mein Bruder."
Dann griff sie nach ihrem Mantel und schon war sie durch die Tür verschwunden. Sie war dabei gegen das kleine, dekorative Pendel auf ihrem Schreibtisch gekommen. Es raste unaufhaltsam hin und her.
***
Als Ian mit dem Mann in den Armen von Finn aus dem Wasser gezogen worden war, schnappte er nach Luft. Wasser lief aus seinem Helm und die Kleidung klebte an seinem Körper. Ihm brannten die Augen und er hatte einen salzigen Geschmack auf der Zunge. Ian überprüfte nochmal die Sicherungen, nachdem er den Schwarzhaarigen auf der Trage festgeschnallt hatte.
Der Wind peitschte inzwischen auf das Wasser und die Strömung war stärker geworden. Finn zog die beiden hoch. Der zweite Hubschrauber kam.
Der Mann auf der Trage hatte blaue Lippen, seine Haut war blass und kühl, es sah aus, als sei jegliches Leben aus seinem Körper gewichen. Er hatte eine längere Narbe auf der linken Seite der Brust. Groß gebaut war er auch, kräftige Schultern, muskulöse Arme, ein Schwimmerkörper eben. Ian tastete den Puls.
Und der Tod des Mannes bewegte ihn erschreckend wenig, jedoch hatte er in seinem Leben schon Schlimmeres gesehen, als die blasse Leiche eines zu selbstsicherer Schwimmers.
Olivia McTaylor funkte ihn plötzlich an, ihre Stimme klang beinahe panisch und bevor Ian sich versah, redete er plötzlich mit Matthew O'Connor, einem ganz anderen Disponenten. Er konnte jedoch nicht nachfragen, was in der Leitstelle passiert war, er musste sich auf den Mann konzentrieren.
Ian griff zu seinem Funkgerät und wollte gerade einen Funkspruch an Matthew absenden. Jedoch überlegte er es sich nochmal anders und prüfte vorsichtshalber ein zweites mal nach, obwohl es ihm eigentlich klar war:
Der Mann war tot.
Dennoch legte er erneut seine Hand an den Hals des Mannes.
Wartete.
Nichts.
Doch da spürte er es.
Das Herz des Schwimmers schlug.
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Helicopter Heart
RomanceIan ertrinkt. In einem Meer aus Wut und Trauer, aus zerrissenen Beleidskarten und Hundefutter in Dosen, in den sanften Berührungen des ehemaligen Militärarztes Dr. Marcus Young und in den Augen von Liam, dem gehörlosen jungen Mann, der ihn so an sei...