seventeen

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Die Edelleth Bar war eine Institution in Greystones, ein Highlight. Der Barkeeper James, ein waschechter Ire, betrieb den Laden seit den 70er Jahren. Ebenso in die Jahre gekommen wie die einst feuerroten Haare von James war also auch die Inneneinrichtung der Bar. Die kleinen Fenster waren aus gelbem Milchglas und ließen nur wenig Tageslicht an die dunklen Tische, von denen der Lack abblätterte und die mit Kunstleder bezogenen Stühle, aus denen an manchen Stellen der Schaumstoff aus den Polstern hervorquoll. Den Geruch von Zigaretten, Gras, Alkohol und auch ein Hauch 'nasser Hund' hatten die Wände in sich aufgenommen wie ein Schwamm das Wasser, sodass man damit unmittelbar umhüllt wurde, wenn man die Bar betrat.

Liam fand es wunderlich, dass die meisten Leute Gerüche nach einer Weile einfach nicht mehr wahrnahmen, sich an sie gewöhnten. Für ihn waren sie eine wichtige Ergänzung, genauso wie seine aufmerksamen Augen, mit denen er oft sein fehlendes Gehör kompensieren musste.

Er blickte auf seine Füße, die Ende November nur in Flip Flops steckten, damit er sich barfuß auf den Boden stellen konnte, um so die Musik durch die Vibrationen des Basses ebenfalls wahrnehmen zu können.

Sein Bruder tippte ihn an und Liam hob den Kopf. Die Frau, die schon öfters bei ihnen zu Hause gewesen war, kam auf die beiden zu, lächelte sie an und winkte. Olivia.

Er fand es gut, dass Matthew sich an eine Frau heranwagte, er konnte nur hoffen, dass es seinem Bruder so besser ging und er endlich abschließen konnte mit ihr.
Cecilia.

Es war schwer zu beschreiben, was für ein Gefühl die Trauer seines Bruders in Liam auslöste, doch es war ein bodenloses Gefühl. Strangulierend, wie ein Strick um den Hals. Liam hatte noch nie einen Menschen weinen hören, er wusste nicht, wie Schluchzen klang, doch es musste schrecklich klingen, bis ins Mark erschütternd, da war er sich sicher.
Er hatte Bilder vor Augen, wie Matthews Körper erzitterte, wie sein Rücken bebte und seine Augen sich rot gefärbt hatten. Er spürte die Vibrationen in seiner Hand, die er sanft auf den Rücken seines Bruders gelegt hatte, selbst heute noch.

Er wollte ihn nicht mehr leiden sehen, es zerriss ihm das Herz so heftig, dass es dem Gefühl von qualvollem Ertrinken glich.

Ertrinken in einem Meer aus Trauer, in einem Meer aus Flyern von Bestattungsinstituten, von feuchten Taschentüchern und zerschmetterten Blumenvasen mit zerrissenen Trauersprüchen.

Doch wie er Matthew kannte, war es nicht unwahrscheinlich, dass er tatsächlich Gefühle für die dunkelhaarige Frau entwickeln würde. Liam musste zwangsläufig sehr auf Mimik und Gestik achten und so bemerkte er genau, wie Matthew sie anlächelte, die Art, auf die seine Augen funkelten und wie er sich immer wieder durch die Haare fuhr.

Er ärgerte sich, dass er nicht so viel von dem Gespräch mitbekam, wie er gerne wissen wollte, denn das Lippenlesen war in einer Gruppe noch viel schwieriger. Er musste immer gucken, wer gerade redete, sich demnach den Hals verrenken, nur um dann festzustellen, dass schon längst jemand anders redete und das war ihm auf Dauer einfach zu anstrengend.

Matthew konnte nicht dauerhaft alles für ihn übersetzen, das verstand Liam auch, es wäre für ihn auf Dauer ebenso anstrengend.

Er stützte seine Ellbogen auf den Tisch und legte sein Kinn in die Hände. Seine Augen glitten durch den Raum und er betrachtete die ganzen Gäste der Bar, die meisten hätten James für sein Gefühl sicher noch aus dem Sandkasten kennen können. Besucher der jüngeren Generation sah man hier eher weniger.

Umso überraschter war er, als ein rothaariger Mann die stickige, mollig warme Bar betrat, ein paar vertrocknete Blätter fegten über die Fliesen, als er die Tür öffnete.

Sofort stand Olivia auf und winkte ihm zu, sagte etwas. Liam tippte Matthew mit zwei Fingern an, die Augenbrauen fragend erhoben.

"Das ist Ian. Er ist ein Arbeitskollege von Olivia und mir", gebärdete Matthew.

Helicopter Heart Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt