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Im nächsten Moment standest du im Türrahmen und schautest mich unsicher an. Diese Unsicherheit in deinen Augen beruhigte mich irgendwie. Auf mich wirkte es, als wäre die andere Seite an dir gar nicht mehr so präsent. Als hättest du sie ganz weit in deinem Unterbewusstsein vergraben und würdest sie auch so schnell nicht wieder hervorholen. Für einen kurzen Moment dachte ich wirklich du hättest dich wiedergefunden. Dein altes Ich. Das Ich, das ich so mochte. Mit dem ich die Nächte durchgeschrieben habe. Aber das war natürlich nicht der Fall.
Du lächeltest verschüchtert und ich bot dir an die Pizza, die gerade im Ofen war mit mir zu essen.   Danach saßen wir dort, auf dem blauen Sofa, guckten einen Disneyfilm, der noch im DVD-Player war und teilten uns die leicht verbrannte Pizza, die unter der schlechten Ventilation des Ofens gelitten hatte. Wenn ich mich so daran zurück erinnere muss ich ungewollt lächeln. Wäre das alles nicht passiert, nach dem du mich bewusstlos geschlagen, entführt und an ein Bett gefesselt hattest, dann würde ich vielleicht sogar sagen, dass es ein schöner Tag war. Ich weiß noch wie es langsam dunkel draußen wurde und du dich bei mir angelehnt hattest. Wir hatten schon den dritten oder vierten Film durch geguckt und gerade endete auch die letzte DVD, die du noch in deinem Bücherschrank gefunden hattest. Wir hatten nicht wirklich geredet. Uns einfach nur angeschwiegen und das Geschehen des Films halbherzig verfolgt. Ich hing meinen Gedanken hinterher und was in deinem Kopf vorging möchte ich mir im Nachhinein glaube ich gar nicht ausmalen. Sicher wieder irgendwelche kranken Tagträumerein, die das alles hatten entstehen lassen. 

Die letzte Minute des Filmes flimmerte über den Bildschirm und beide lösten sich langsam aus ihrer bequemen Position, in der die sie letzten Stunden gelegen hatten. Die Braunhaarige hob ihren Kopf langsam von Mikes Schulter und streckte ihre Beine durch, die sie während der Filme angewinkelt hatte auf dem Sofa liegen lassen. Der Schwarzhaarige streckte seine Arme in die Höhe und massierte sich seine linke Schulter, die bereits etwas taub geworden war. 

Stille.

Mike wusste nicht so ganz was er jetzt tun sollte und Rosie hoffte inständig, dass dieser seine Meinung mittlerweile geändert hatte. 

Kurz räusperte sich der Größere und stand auf. Dann strich er sich etwas angespannt seine Hose glatt und fing an zu reden: »Ich..äh.. geh dann jetzt.«

Die immer noch Sitzende schaute ihn entgeistert an. War das gerade wirklich sein Ernst? Er wollte immer noch gehen? Hatte er denn nicht gespürt, was da gerade zwischen ihnen gewesen war?

Langsam wandelte sich ihre sich anbahnende Enttäuschung in aufbrausende Wut um, und ihre Gesichtszüge verhärteten sich. Sie war sauer auf sich selbst, dass sie so nett zu ihm gewesen war, obwohl sie hätte wissen müssen, dass er es nicht wertschätzen würde und sie war sauer auf ihn, dass er nach allem was sie für ihn getan hatte immer noch gehen wollte. Sie dachte gar nicht daran ihn jetzt einfach so gehen zu lassen. 

Mike stand währenddessen immer noch vor ihr und wartete ihre Reaktion ab. Er sah wie ihre Augen zuerst leicht glasig wurden und ihre Wangen, die er immer so süß gefunden hatte, einen rötlichen Ton annahmen. Dann zogen sich langsam ihre Augenbrauen zusammen und sie biss sich leicht auf die Unterlippe.

Er sah wie sich ihre Unterlippe leicht zitternd öffnete und dann wieder schloss. Sie würde ihm gerne so viele Beleidigungen entgegenwerfen. Einfach alles, das sich in den letzten Monaten in ihrem Inneren angestaut hatte. Jedes Mal, wenn er ihr einfach nicht zurückgeschrieben hatte oder sie ignoriert hatte. Jeden Versuch der Annäherung, den er abgeblockt hatte. Das kam jetzt alles wieder hoch und anstatt es wieder runterzuschlucken, so wie sie es immer tat, wenn diese ganze Wut über ihn in ihr hochkam, ließ sie es einfach zu. Dieses eine Mal würde sie sich nicht beherrschen. Er würde ja sehen was er davon hat. 

Doch der Junge, der vor ihr stand und sie ansah, in der Hoffnung ihre Gedanken entziffern zu können, hatte ja nicht die geringste Ahnung. Nachdem er ein paar Sekunden absoluter Stille hatte verstreichen lassen, in der sie nur mit glasigen Augen auf den Boden gestarrt hatte, entschied er sich dazu es zu wagen und machen einen Schritt auf sie zu - naja wohl eher an ihr vorbei, denn er wollte ja zur Tür. Sie regte sich gar nicht und langsam machte das Mike wirklich Angst. Er war schon an der Tür zum Flur angekommen, da hörte er plötzlich wie sich das Mädchen hinter ihm bewegte. Aber er wollte sich nicht umdrehen, um zu gucken was sie tat. Er wollte einfach aus dieser Wohnung spazieren und das alles vergessen. Naja, wollte er es wirklich vergessen? Irgendwie hatten sie ja schon eine schöne Zeit gemeinsam gehabt? Ach, was redete er da eigentlich. Sie hatte ihn entführt. Das war keine schöne Zeit gewesen. Er wollte einfach nur hier weg. Gerade war es ihm sogar egal, dass er sein Handy immer noch nicht wieder hatte. Er hatte auch keine Ahnung wo sie seine Jacke verstaut hatte, aber er würde dank der vorherrschenden Jahreszeit auch den Nachhauseweg ohne eine zusätzliche Schicht Klamotten überstehen. 

Der Schwarzhaarige war mittlerweile an der einzigen Tür angekommen, die, seiner Beobachtung nach, noch als Haustür infrage käme. Er wollte dem Drang seinen Kopf noch ein letztes Mal nach Rechts zu drehen wirklich widerstehen aber es war, als würde irgendeine Kraft ihn genau dazu treiben. Er ergab sich und sein Kopf machte eine leichte Drehung nach Rechts. Und er wünschte sich nun inständig er hätte es nicht getan. Die Braunhaarige stand im Türrahmen ihm gegenüber,  hatte den Kopf leicht nach vorne gebeugt, sodass ihr einige Strähnen ins Gesicht fielen und hatte die Arme vor sich verschränkt. Sie spielte fast schon nervös mit ihren Händen, aber Mike sah den Druck, den sie dabei ausübte, und konnte sich nur zu gut denken wie sauer sie gerade sein musste. Ihr Blick erwiderte seinen und kurzen sahen sie sich einfach nur in die Augen. Dies löste in dem Jungen eine Art innere Unruhe aus, die er einfach nicht richtig deuten konnte. 

Langsam griff er nach der Klinke der Tür und umschloss sie etwas fester mit seiner Hand. Ihn erinnerte das alles gerade ziemlich an das letzte Mal, im Haus im Wald, als er eine Klinke in der Hand gehabt hatte und diese Erinnerung gefiel ihm gar nicht. Aber hier war zum Glück kein Harter Gegenstand in Reichweite, den sie wieder so missbrauchen könnte.

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