Es ist, wie ich es prophezeit habe. Kaum hat Jug die Schule betreten, kleben alle Blicke an ihm. Er erwidert sie mit derselben Kälte, die er ausstrahlt, wenn er über seinen Dad spricht. Ich hingegen werde neben ihm immer kleiner. Dabei weiß ich, dass er nichts mit Jasons Tod zu tun hat.
Ich bin froh, als wir zwischen unseren Freunden in der Cafeteria sitzen. Meine kleine sichere Insel. Zwischen ihnen gehe ich unter, niemand achtet auf mich. Veronica und Archie sind sowas wie unsere Aushängeschilder, während wir anderen uns lieber unterhalb des Radars bewegen. Ich stochere in meinem Salat herum und versuche, die Gespräche um uns herum zu ignorieren. Ich bin empfindlicher als die anderen. Schon immer gewesen. Als ich auf diese Schule kam, wurde ich als Serpent-Kind abgestempelt. Andere Schüler mieden mich und ich saß ewig lange alleine an genau diesem Tisch, ehe Betty, Kevin und Archie mich aufnahmen. Als Jughead auf die Riverdale High wechselte, war ich nicht mehr alleine. Wir teilen einen Ruf. Und für die anderen sind und bleiben wir Serpents.
„Richtig ausgelassen, die Stimmung heute", sage ich genervt, „so schmeckt mir das Essen doch gleichviel besser."
„Nimms nicht so schwer", sagt Archie, „das sind Idioten."
„Sie glauben alles, was sie hören", stimmt Veronica ihm zu. Ich spieße eine Tomate auf. Sie glauben tatsächlich alles. Das ist das Problem. Das Problem einer ganzen Gesellschaft. Ich frage mich, wie man ernsthaft glauben kann, dass ein Junge wie Jug jemandem etwas antun könnte. Er ist einer von den Guten. Von den wirklich Guten.
„Oh, oh. Das bedeutet nichts Gutes", Kevin nickt in Richtung der großen Eingangstür. Cheryl stürmt auf uns zu wie eine Furie. Sämtliche Köpfe drehen sich, um ja mitzubekommen, was sie vorhat. Ich rutsche unruhig auf meinem Stuhl nach vorne. Sie sieht müde aus, blass. Und unfassbar wütend. Jug stellt sich ihr entgegen. Zu wem sollte sie sonst wollen? Sie ignoriert uns normalerweise wohlwollend. Zumindest Kevin und mich. Veronica liefert sich mittlerweile wöchentliche Kleinkriege mit ihr.
Sie ohrfeigt Jug. Das klatschende Geräusch erfüllt die gesamte Cafeteria.
„Cheryl!", entsetzt springe ich auf. Jughead verzieht keine Miene. Ich bewundere seine Selbstbeherrschung. Cheryl stürmt mit wehendem Feuerhaar aus dem Speisesaal. Betty folgt ihr, während ich dastehe und unfähig bin, etwas zu sagen. Wow. Das ist selbst für Cheryl ... wow.
„Lasst uns gehen", beschließt Archie. Die anderen erheben sich, als haben sie nur auf einen Befehl gewartet. Draußen regnet ich. Ich stehe neben Jug und betrachte seine Wange.
„Geht's?", frage ich besorgt.
„Sie ist stärker, als sie aussieht", sagt er achselzuckend, „sie braucht einen Schuldigen."
„Und wieso fällt diese Rolle dir zu?", frage ich.
„Die Polizei hat bisher nur mit ihm gesprochen und die Leute haben ihre Mistgabeln gezückt", sagt Kevin resigniert. Ich lasse die Schultern hängen.
„Ich werds überleben", er stößt mir in die Seite.
Ich ringe mir ein schwaches Grinsen ab. Wir haben alle Mitleid mit Cheryl. Ihr Bruder ist tot und sie hat alles Recht der Welt, wütend zu sein und zu trauern, aber es fällt mir schwer, zu akzeptieren, dass sie es so tun muss.
„Und, was sagt sie?", fragt Veronica interessiert, als Betty zu uns stößt.
„Naja", Betty sieht erst zu Jughead und dann zu Boden, „sie sagt, Jason hätte sich mit Jughead gestritten, bevor er verschwand."
„Was?", frage ich laut. Zu laut. Enttäuscht.
„Es war - das war kein Streit", er ringt mit den Händen und vermeidet es konsequent, mir in die Augen zu sehen, "er hat mich um Hilfe gebeten."
„Hilfe wobei?", fragt Kevin skeptisch. Es gibt nichts, aber auch wirklich gar nichts, was die beiden verbinden könnte. Sie bilden die Spitze und das Ende der Nahrungskette dieser verfluchten Stadt. Wobei zum Teufel sollte Jughead Jones Jason Blossom helfen können?
„Vergesst es", winkt Jug ab und lässt uns stehen. Ich sehe ihm ungläubig nach. Dann laufe ich in die andere Richtung davon. Der Regen wird stärker, peitscht mir ins Gesicht. Es stört mich nicht. Das Einzige, was mich stört, ist die Tatsache, dass Jug und ich plötzlich Geheimnisse voreinander haben.
Ich laufe nach Hause. Mein Vater kommt nicht vor acht von der Baustelle. Und Jug wird garantiert die ganze Nacht wegbleiben.
Vor der Haustür stehen drei Serpents. Einen erkenne ich am Tattoo auf seinem Hals. Ausgerechnet heute ... Wütend stapfe ich hinter ihnen die drei Stufen zur Haustür hoch.
„Was soll das werden?", ich stoße den Größten weg und versperre ihnen den Weg, was bei meiner Größe und Statur eher eine Geste als ein wirkliches Hindernis ist. Er schmunzelt.
„Wir wollen zu Jones."
Die beiden anderen, die ein bisschen wie seine Handlanger wirken, nicken grimmig. Tut mir leid, aber das wirkt nicht so beeindruckend, wie sie meinen. Offenbar können die Serpents nicht ohne uns, sonst würden sie nicht täglich vor der Tür stehen.
„Warum?"
„Bist du seine Sekretärin?", schaltet sich der Linke ein.
„Witzig", murre ich, „was wollt ihr von ihm?"
„Wir wollen ihn an etwas erinnern."
Er spricht weiter in Rätseln. Falscher Zeitpunkt, Großer, ich hatte einen beschissenen Tag. Und das ich auch heute wieder Serpents an unserem Haus vorfinde, trägt nicht dazu bei, dass es mir besser geht.
„Er ist nicht da", ich drehe ihm den Rücken zu, um die Haustür aufzuschließen. Als ich die Tür zwischen uns schließen will, drückt er sie auf. Ich kann nicht dagegen halten. Es verunsichert mich nur für eine Sekunde. Ich bin die Tochter meines Vaters.
„Was willst du?", zische ich.
„Richte deinem Freund aus, dass er den Mund halten sollte, wenn ihm was an seinem Leben liegt", er kommt mir viel zu nahe. Ich mache einen Schritt und knalle die Tür zu. Regungslos warte ich darauf, ihre Schritte zu hören, die sich von der Haustür entfernen. Mag sein, dass FP zu den Guten gehört, dieser Typ tut es sicherlich nicht.
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Sinners
FanfictionEine Kleinstadt, eine Gruppe Teenager und ein Mord. Nachdem Jason Blossoms Leiche aus dem Sweetwater River geborgen wird, ist nichts mehr wie vorher. Jeder von ihnen hat ein Geheimnis. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie an die Oberfläche gespül...