Secrets

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Irgendetwas liegt in der Luft, als wir uns am nächsten Morgen durch den Geschichtsunterricht quälen. Ich sitze schräg hinter Jughead in der letzten Reihe und kritzle lustlos auf der Rückseite meines Blocks herum, als die Klassenzimmertür aufgeht. Direktor Weatherbee betritt, gefolgt von Sheriff Keller, den Raum. Ihre ernsten Mienen lassen nichts Gutes ahnen. Alle verstummen. Ich suche Bettys Blick. Sie zuckt ratlos mit den Schultern und ihr blonder Pferdeschwanz wippt fröhlich hin und her. Mein Blick gleitet weiter zum einzigen freien Platz. Cheryl ist nicht da. Irgendwie bin ich froh, ihr noch nicht begegnen zu müssen. Ich bin schlecht in Beileidsbekundungen. Besonders wenn es sich um Tote handelt, die ich eigentlich gar nicht kannte.

„Jughead Jones, ich muss dich bitten, uns zu begleiten", verkündet Direktor Weatherbee

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„Jughead Jones, ich muss dich bitten, uns zu begleiten", verkündet Direktor Weatherbee. Alle Blicke richten sich auf ihn. Seine Schultern straffen sich, dann schiebt er protestlos seine Sachen in seinen Rucksack und folgt ihnen ohne ein Wort. Ohne sich noch einmal umzusehen. Ich raffe mein Zeug zusammen, springe auf und laufe ihnen hinterher. Mr Jefferson hat gar nicht die Chance, mir mit Nachsitzen zu drohen. 

„Sheriff Keller!", ich renne ihnen nach, „warum nehmen Sie ihn mit?"

„Geh zurück in deine Klasse, Sienna", weist mich Direktor Weatherbee streng an. Ich ignoriere ihn.

„Wir haben nur ein paar Fragen an ihn", antwortet Sheriff Keller ein wenig nachsichtiger.

„Warum? Wegen Jason?"

Niemand antwortet. Natürlich geht es um Jason. Zeit, härtere Geschütze aufzufahren.

„Ich rufe meinen Dad an."

Sheriff Keller seufzt. Aber er versucht nicht, mich davon abzubringen. Das Handy am Ohr begleite ich die kleine Gruppe nach draußen. Während ich meinem Dad erkläre, was passiert ist, setze ich mich wie selbstverständlich neben Jug auf die Rückbank des Streifenwagens und schnalle mich an. Sie irren sich, falls sie glauben, dass ich lockerlasse.

„Tu das nicht", raunt Jug mir zu.

„Oh doch", sage ich überzeugt, „ich würde Jura studieren, wenn dir das hilft."

Er grinst. 

Mein Dad erwartet uns bereits vor der Polizeistation. Ich komme wirklich sehr nach ihm.

„Jughead, du sagst gar nichts", weist er ihn entschieden an, „wieso ist er hier? Er hat mit dieser ganzen Blossom-Sache nichts zutun."

Dieser Blossom-Sache. Schöne Umschreibung für Jasons Tod. Und der ganze Aufwand, den sie betreiben, lässt darauf schließen, dass es sich um Mord handelt. Oder sie legen sich extra ins Zeug, weil die Blossoms damit drohen, sämtliche Polizisten dieser Stadt feuern zu lassen. Ich zweifle nicht daran, dass sie es könnten. Denk nicht schlecht über sie, Sienna, sie haben ihren Sohn verloren. Das macht sie nicht zu besseren Menschen, aber mich eben auch nicht.

„Sam", Sheriff Keller macht eine beschwichtigende Handbewegung, die seine Nervosität nur geringfügig verbergen kann, „wir haben nur ein paar Fragen. Reine Routine."

„Was für Fragen?", mische ich mich ein. Mein Dad schüttelt leicht den Kopf. Am besten, ich halte mich raus.

„Wir warten hier auf dich", er nickt Jug bekräftigend zu. Ich hasse warten. Aber mir bleibt nichts anderes übrig. Ich setze mich neben meinem Dad auf die Treppenstufen des Polizeigebäudes und lege den Kopf auf die Knie.

„Verschweigt ihr mir etwas?", fragt er nach einer Weile. Ich richte mich auf.

„Nein!"

Es ist nicht die ganze Wahrheit, aber das wir Jason an diesem Tag gesehen haben, spielt keine Rolle. Wir wissen nicht, was danach passiert ist. Wir wissen gar nichts.

„Gut."

Ich wippe ungeduldig mit den Füßen. Die Zeit vergeht einfach nicht. Zwischenzeitig halte ich die anderen auf dem Laufenden, denn die Nachricht, dass Jughead „verhaftet" worden ist, hält die Schule in Atem. Riverdale. Es werden Gerüchte gesponnen, Geschichten zusammengereimt und wenn wir morgen zur Schule kommen, ist Jug plötzlich Jasons Mörder.

„Solltest du FP Bescheid sagen?"

„Es ist nur Routine", wiederholt mein Vater gelassen, „lass uns abwarten."

Es dauert fast eine Stunde, bis er wieder herauskommt. Erleichtert springe ich auf.

„Und? Was wollten sie von dir?"

„Nichts", antwortet er knapp. Ich runzle verwirrt die Stirn. Dieses „Nichts" hat zu lange gedauert. Mein Dad verzichtet dankenswerterweise auf ein weiteres Verhör und fährt uns nach Hause. Kaum ist er wieder zur Arbeit gefahren, klopfe ich an Jugs Zimmertür. Ein zweiter Versuch.

„Also?", mit forderndem Blick setze ich mich auf sein Bett, „wieso haben sie dich verhört?"

„Sie haben mich nicht verhört."

Ich verdrehe die Augen. Jughead liegt mit einem Comic auf dem Bett und sieht mich nur kurz über den Rand hinweg an. Deutlicher könnte er mir nicht zeigen, dass er keine Lust hat, mit mir zu reden.

„Es war unwichtig", versichert er mir, „okay?"

Ich will mich nicht mit ihm streiten, also lasse ich ihn in Ruhe. Früher oder später wird es sowieso ans Licht kommen. In dieser Stadt kommt alles ans Licht.

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