Jug schiebt mich unsanft zurück in den Trailer, ehe die Serpents auf mich aufmerksam werden. Ich will Jug immer nur verteidigen, dabei muss ich das gar nicht. Er hat eine Entscheidung getroffen.
„Warum, Jug?", ich kann meine Enttäuschung nicht verbergen, "warum?"
„Ich musste es tun", er zieht die Jacke nicht aus, „für meinen Dad."
„Für deinen Dad? Was hat dein Dad je für dich getan?"
„Er ist immernoch mein Vater."
Aber was für einer? Man kann sich seine Eltern nicht aussuchen, aber FP hat seinen Sohn abgeschoben, weil ihm eine kriminelle, drogenverkaufende Motorradgang wichtiger war als seine Zukunft. Wir sind in diese mittelalterlichen Strukturen hineingeboren worden, aber wir waren uns einig, uns dagegen zu wehren. Und jetzt steht er in einer Serpent-Jacke vor mir und hat den Nerv, mir zu erklären, es sei für seinen Vater?
„Von mir aus", ich ringe mir ein kleines bisschen Verständnis ab, „und was hast du jetzt vor?"
Er zuckt den mit den Schultern. Verzögerungstaktik. Die Jacke reicht nicht aus, um ihnen Loyalität zu beweisen. Wir kennen die Regeln, wir kennen die Prüfungen. Die Jacke zu nehmen, heißt, die Herausforderung anzunehmen.
„Bitte tu das nicht", ich raufe mir die Haare, „bitte, Jug!"
„Sie haben ihn verhaftet. Jemand muss sich um das alles hier kümmern, solange er weg ist", wischt er meine Einwände beiseite.
„Und das musst ausgerechnet du sein?", was hat er vor? Den Drogenhandel managen, Leute einschüchtern, sie zusammenschlagen, mit FPs Motorrad umherfahren? Er hasst alles, wofür sie stehen. Und jetzt will er eine Familientradition fortführen. Ich nehme meine Jacke von der Couch und wende mich zum gehen.
„Ich bin wegen dir hier. Ich gehe für dich auf diese verdammte Schule", sage ich, „ich hoffe, du weißt, was du tust, Jughead."
Jeder von uns muss seine eigenen Entscheidungen treffen. Und jeder von uns muss Fehler machen. Sich dieser Gang anzuschließen ist all das, was wir nie wollten. Ich schniefe. Noch habe ich keinen Grund, zu weinen. Noch hat er das Aufnahmeritual nicht hinter sich. Ich bleibe nicht lange allein. Sweet Pea, mein Waffenstillstand, läuft mir regelrecht hinterher.
„Hey", Sweet Pea holt schnell auf, „du willst wohl gar nicht mehr weg."
„Ich war bei Jughead", antworte ich schroff. Er doch auch. Er stand in der Menge, die ihm die Jacke wie eine Opfergabe überreicht hat. Ich konnte ihn durchs Fenster sehen.
„Ich weiß", sagt er, „ziemlich mutig von deinem Dad, hier aufzutauchen."
„Bitte", ich fasse mir an die Schläfen, „ich habe keinen Nerv dafür."
„Du kennst die Regeln. Sie werden ein Auge auf Jughead haben, solange FP weg ist."
„Er ist nicht weg", knurre ich, „er wurde verhaftet."
„Schon klar", er kickt eine leere Bierdose vom Bürgersteig.
„Wir passen auf Jug auf."
Sweet Pea verdreht unbeeindruckt die Augen.
„Ihr, wir", sagt er, "am Ende gibt es keinen Unterschied."
„Du hast keine Ahnung, wie wir sind", widerspreche ich scharf, „mein Vater hat sich gegen die Serpents entschieden und er würde es wieder tun, weil es das einzig Richtige gewesen ist."
„Darin werden wir uns nie einig", sagt er freundschaftlich.
„Ach? Ist das ein Friedensangebot?"
Ich wage mich auf dünnes Eis. Und werde nicht belohnt.
„Verdammt", fluchend packt er meinen Arm. Erschrocken sehe ich ihn an.„Du verschwindest hier", weist er mich an, „sofort."
Wir hätten hier echt einen Moment haben können, aber er zieht es vor, es kaputt zu machen. Manche Kerle kommen einfach nicht mit Nähe klar.
„Ähm. Okay?", verwirrt mache ich mich von ihm los, „und ich dachte, wir führen ein normales Gespräch."
Ich weiche den Typen aus, die offensichtlich zu ihm wollen. Keine Serpents. Zumindest sehen sie nicht danach aus. Ghoulies? Möglich. Sie beachten mich gar nicht. Dafür beachten sie ihn umso mehr. Und sie sind nicht von der freundlichen Sorte. Glaubt er wirklich, ich gehe, nur weil er mich wegschickt? Solche unefragten heroischen Taten kenne ich sonst nur von Archie und schon bei ihm öden sie mich an. Was ist das für ein Komplex? Der Heldenkomplex?
„Kann ich helfen?", rufe ich aus einigen Schritten Entfernung. Sie lassen tatsächlich von ihm ab. Selbstbewusstsein vortäuschen. Ein altbewährter Trick, um Cheryl Blossoms wahllosem Hass zu entgehen. Veronica und Betty waren gute Lehrerinnen. Mein Dad war es auch. Ich trage immer ein Taschenmesser bei mir. Ganz besonders, wenn ich auf der Southside unterwegs bin. Die Typen verschwinden und ich grinse Sweet Pea an.
„Du legst es echt drauf an, oder?", fragt er skeptisch.
„Nein. Du?"
Er grinst.
„Ich schulde dir was", schlägt er vor, „hast du heute noch was vor?"
„Nein", ich zucke mit den Schultern. Er bringt mich ins Whyte Wyrm und gibt mir eine Cola aus. Ich weiß, dass das einem größeren Ziel dient, das er nie erreichen wird, aber er ist charmant. Und er lenkt mich trotz Halstattoo von der Tatsache ab, dass ich gerade meinen besten Freund an eine Gang verloren habe.
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Sinners
FanfictionEine Kleinstadt, eine Gruppe Teenager und ein Mord. Nachdem Jason Blossoms Leiche aus dem Sweetwater River geborgen wird, ist nichts mehr wie vorher. Jeder von ihnen hat ein Geheimnis. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie an die Oberfläche gespül...