„Weiß dein Vater, dass du hier bist?"
Liegt die Antwort nicht auf der Hand? Ich folge ihm in ein staubiges Hinterzimmer. Hier werden die Geschäfte gemacht. Er schließt die Tür und bedeutet mir, mich zu setzen.
„Also, was machst du hier?", will er wissen. Ja, was mache ich eigentlich hier? Auf dem Weg war ich mir noch sicher, das zu wissen, aber jetzt, in Anbetracht der Tatsache, dass ich FP gegenübersitze, bin ich kleinlauter als erwartet.
„Ich will, dass du aufhörst, bei uns aufzutauchen. Mein Dad hat sich dieses Leben aufgebaut, er hat hart dafür gearbeitet."
„Ich habe nicht vor, ihm das kaputt zu machen", widerspricht mir FP.
„Tust du aber!"
Und ich habe Angst davor, dass die heile Welt, in der ich aufgewachsen bin, langsam zu bröckeln beginnt. Sie stand schon immer auf tönernden Füßen und ich hänge an diesem Leben.
„Ich sorge dafür, dass es meinem Sohn gut geht."
„Dafür sorgen Fred Andrews und mein Vater."
FP schweigt. Ich bin mit Jughead aufgewachsen als sei er mein Bruder. Ich tue das hier nicht nur für mich, ich tue mehr für ihn.
„Du solltest nach Hause fahren. Die Southside ist kein Ort für dich", sagt er streng.
„Warum nicht, weil ich kein Mann bin? Weil mein Vater sich gegen euch entschieden hat?"
„Ihr gehört noch zur Familie."
„Tun wir nicht", ich funkle ihn wütend an. Er bedenkt mich mit demselben nachdenklichen Blick, den ich von meinem Vater kenne. Sie sind sich ähnlich. Waren sie schon immer. Aus vagen Erzählungen weiß ich, dass die beiden die besten Freunde gewesen sind. Sie wurden kurz nacheinander Väter und die Freundschaft zerbrach, als Dad den Serpents den Rücken kehrte. Es war eine schwierige Zeit, aber es war auch die richtige Entscheidung.
„Ich finde alleine raus."
Und das tue ich. Mein Unterkiefer schmerzt, so verkrampft war ich die ganze Zeit über. Ich kann ihn nicht aus unserem Leben heraushalten. Dafür müssten wir schon das Land verlassen.
„Hey", ein älterer Kerl baut sich vor mir auf, „wir dulden hier keine Verräter."
Er ist bullig, muskelbepackt, und jedem anderen Menschen würde er Angst einjagen. Aber ich bin immer noch die Tochter meines Vaters.
„Ach bitte. Willst du wirklich eine Teenagerin einschüchtern?", winke ich ab, „ich bin schon so gut wie weg."
„Richte deinem Vater aus, dass es nur eine Art gibt, die Serpents zu verlassen", knurrt er, „tot."
„Das reicht jetzt", mischt sich ein anderer, wesentlich jüngerer, Serpent ein. Er ist in etwa in meinem Alter, viel größer als ich und baut sich neben dem Älteren auf. Der verzieht sich achselzuckend. Ich bin die Mühe nicht wert.
„Vergiss das", sagt der Junge, der sich offenbar einbildet, mir einen Gefallen getan zu haben. Sein Schlangentattoo am Hals sagt viel mehr über ihn aus als das er nur in dieser Gang ist.
„Schon passiert."
Ich drehe mich um und gehe.
Zuhause erwartet mich mein Vater am Küchentisch.
„Wo zum Teufel warst du?", er kommt auf mich zu und riecht an mir, „warst du in einer Kneipe?"
Blöd gelaufen. Keine Ahnung, wie er rausbekommen hat, dass ich nicht bei Archie war, aber ich kann nicht auf eine Notlüge zurückgreifen.
„Ich war bei FP."
Sein Gesicht verfinstert sich. Er deutet auf einen Stuhl und ich setze mich mit gesenktem Kopf. Er setzt sich nicht, sondern läuft auf und ab, auf der Suche nach den richtigen Worten für eine Standpauke.
„Was hast du da gemacht? Habe ich dir nicht tausend Mal gesagt, dass die Southside kein Ort für dich ist?"
Das habe ich heute schonmal gehört.
„Ich wollte dafür sorgen, dass er unser Leben nicht inflitriert", murre ich trotzig.
„Wieso stört dich das so sehr? FP ist einer von den Guten, Sienna."
„Es tut mir leid", sage ich zerknirscht. Ich meine es ernst. Ich hasse es, ihn anzulügen. Etwas hinter seinem Rücken zu tun. Vor allem, wenn es absolut nichts gebracht hat. Ich stütze den Kopf auf meine Handflächen und seufze.
„Geh ins Bett", sagt er, „wir vergessen das. Unter der Bedingung, dass du dich von den Serpents fernhältst."
Im Türrahmen drehe ich mich nochmal zu ihm um.
„Dad?"
„Ja?", er sieht auf.
„Man kann nicht einfach aussteigen, oder?", frage ich, „du bist immer noch ein Serpent."
Er runzelt die Stirn.
„Das Einzige, was mich noch mit ihnen verbindet, ist das Tattoo."
Das Tattoo. Eine kleine Schlange am Oberarm. Ich habe es nicht oft gesehen, denn er verbirgt es, wann immer er kann. Als Kind fand ich es toll. Ich wollte auch eines. Ich malte es mit Filzstiften auf meine Handgelenke und Dad musste sich in meiner Kindergartengruppe erklären. Sie empfahlen einen Kinderpsychologen und zuhause wurde die einfache Regel aufgestellt: keine Schlangen. Sogar die Stoffschlange, die FP mir irgendwann mitgebracht hatte, wurde in die Garage verbannt.
„Gute Nacht."
„Gute Nacht, Sienna."
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Sinners
FanfictionEine Kleinstadt, eine Gruppe Teenager und ein Mord. Nachdem Jason Blossoms Leiche aus dem Sweetwater River geborgen wird, ist nichts mehr wie vorher. Jeder von ihnen hat ein Geheimnis. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie an die Oberfläche gespül...