Sechs

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Pov Newt

Wütend starrte ich sie an.

Der Schmerz, die Trauer, all das war verschwunden.

Mein Körper erlitt einen Adrenalinrausch.

Es kommt mir bekannt vor.

"Jetzt hörst du mir mal zu! Meine Vergangenheit geht dich nichts an! Du willst gar nicht wissen, was ich alles erleben musste! Vor fünf Jahren habe ich angefangen zu denken! An das, was davor passiert ist, kann ich mich nicht erinnern! Mein Name ist vermutlich nicht mal mein richtiger und ich weiß noch nicht einmal wie alt ich bin! In diesen fünf Jahren habe ich Folter, Tod, Leid und Schmerz miterlebt. Für Freude war da kaum Platz. Mir wurde eine Rettung vorgetäuscht, nur damit es im Endeffekt viel schlimmer werden würde. Ich musste zusehen, wie meine Freunde starben, dem Brand zum Opfer fielen. Wie ich selbst dem Brand zum Opfer fiel. Also sag du mir nicht, du wüsstest, was ich durchmache", zischte ich.

Erschrocken sah sie mich an.

War das überhaupt meine Stimme, die gesprochen hatte?

Sie machte den Mund auf, wollte etwas sagen, doch ich drehte mich um und ging einfach weiter.

Mir doch egal, ob sie mir folgten.

Vielleicht war ich auch ein bisschen streng mit ihr, aber sie hatte es irgendwo auch verdient.

Sie hatte es definitiv verdient.

Konstantin war die ganze Zeit still geblieben, sah aber genauso erschrocken aus, was ich durch einen Schulterblick feststellen musste.

Der Adrenalinrausch verschwand.

Die Schmerzen kamen wieder und ich verzog mein Gesicht.

Das kann unmöglich ich gewesen sein.

Nach einiger Zeit hörte ich Schritte hinter mir.

Offensichtlich wollten sie mir doch noch folgen.

Dann vernahm ich eine Person neben mir und eine Hand auf meiner Schulter.

"Nimm es ihr nicht übel. Sie will unbedingt ihren Willen durchsetzen und greift manchmal zu Methoden, die nicht ganz akzeptabel sind", entschuldigte sich Konstantin für seine Tochter.

Kurz musste ich lächeln.

Thomas war auch so gewesen.

Er wollte immer alle von seiner Meinung überzeugen.

Das hat uns schließlich aus dem Labyrinth gebracht.

Das hat uns gerettet.

"Sie meint es sicher nicht böse", redete er weiter.

"Sicher doch", knurrte ich.

"Aber in einer Sache seid ihr beide euch ähnlich."

"Und das wäre?"

Wie können wir uns auch nur ansatzweise ähneln?

"Ihr seid beide unglaublich stur."

Ich verdrehte die Augen, ging weiter und sah wieder zu den Bergen.

Konstantin ließ sich etwas zurückfallen, damit ich meine Ruhe haben konnte.

Wenigstens respektierte er meine Privatsphäre.

In der Ferne erkannte ich einen Baum.

Ich weiß, nichts besonderes, doch dort würde ich übernachten wollen.

Wenigstens ein bisschen Schutz vor der Brandwüste.

In einer Stadt wäre es zu gefährlich.

Dort sind zu viele Cranks.

Wenn jeder von uns einmal Wache halten würde, wären wir noch sicherer.

Bis zum Baum würde es vielleicht nur noch eine Stunde dauern.

Zielstrebig ging ich auf den Baum zu.

Nun bemerkte ich auch, wie dieser Tag meinen Körper geschwächt hatte.

Mein Bein tat mehr weh als sonst und ich bekam nur schlecht Luft.

Am Baum angekommen stellte ich meinen Rucksack ab und lehnte mich an den Stamm.

Sophia sah mich skeptisch an.

"Wir übernachten hier", sagte ich trocken.

"Es ist ja noch nicht einmal dunkel", beschwerte sie sich.

Blitzmerkerin.

"Aber ich kann nicht mehr. Wenn du weiter gehen willst, dann nur zu. Geh einfach Richtung Berge", erwiderte ich genervt und nickte mit dem Kopf in Richtung Berge.

Sie schnaubte einmal genervt, legte dann aber ihren Rucksack ab und lehnte sich ebenfalls an den Stamm.

"Macht es euch gemütlich, ich übernehme die erste Wache", sagte Konstantin und sah sich die Umgebung an.

Ich nickte und ließ mich müde auf dem Boden sinken.

Es dauerte nicht lange und ich war eingeschlafen.

The flare I survived | NewtmasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt