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Captain Carter verlor insgesamt vier Männer bei diesem Kampf. Man konnte erkennen, dass er sich sehr darüber aufregte, aber dies versuchte zu verstecken. Nachdem er mit ein paar seiner Männer die Beute vom englischen Schiff begutachtet hatte, bat er mich mit ihm wieder unter Deck zu gehen. Nun sitzen wir beide in seinem Arbeitszimmer und schweigen uns schon einige Minuten an.

Plötzlich bricht er die Stille. "Wo hast du so kämpfen gelernt?" "Mein Vater hat mich trainiert, seitdem ich zehn Jahre alt bin", antworte ich ihm ehrlich. Darauf nickt Carter nur und widmet sich seinem Taschenbuch zu. "Danke", flüstert er in meiner Richtung, aber schaut nicht von seinem Buch auf. Es ist ihm wohl peinlich, dass ich sein Leben gerettet habe. "Gern geschehen", antworte ich mit einem Lächeln.

„Steht schon fest, wann wir den Hafen erreichen?" breche ich die Stille erneut. „Bei gutem Wind sollten wir ihn heute Abend erreichen", brummt Carter. Ich nicke nur. Irgendwie fühle ich mich gerade etwas fehl am Platz, ich hätte gerne irgendetwas zu tun, damit ich abgelenkt bin. Unruhig fange ich an auf dem Stuhl rum zu zappeln. „Mrs Smith, hören sie auf rumzuzappeln", fordert Carter mich auf. Ich stoppe direkt und werfe ihm einen bösen Blick zu, den er nicht sehen kann, da er immer noch mit diesem doofen Buch beschäftigt ist. Seufzend hebt Carter seinen Blick und schaut mir direkt in die Augen. „Eigentlich müssten sie es doch gewohnt sein still zu sitzen und nichts zu tun als Frau", versucht er mich zu belehren. „Ich hasse es unproduktiv zu sein", antworte ich gelassen. Innerlich könnte ich Carter für diesen Ausruf eine klatschen, aber ich will ja nicht den Zorn eines Piraten auf mir haben oder doch?

„Können sie rechnen?", fragt er mich. Ich nicke nur. Plötzlich erhebt er sich und holt eine kleine Holzkiste aus dem Regal hinter ihm und stellt diese vor mich. Nachdem er sich gesetzt hat, reicht er mir ein Blatt und eine Feder mit Tinte. „Zähle bitte diese Goldstücke nach. 15 Anteile davon sind mir und den Rest teilst du gleichmäßig unter 15 Mann auf." befiehlt Carter mir. Ich nicke nur und mache mich an die Arbeit und Carter versinkt wieder in seinem Buch. Was er wohl da rein schreibt?

Schneller als gedacht, habe ich die Goldstücke gezählt und in verschiedenen Stapel getrennt. Dabei hat mich Carter aufmerksam beobachtet. „Fertig, teile ich ihm freudig mit. Hast du sowas schon des Öfteren gemacht?", fragt er mich. „Nein, aber Mathe liegt mir", antworte ich. „Was ist Mathe?", fragt Carter mich. „Ehm... ich mein Rechnen liegt mir?", antworte ich unsicher. „Ah... ich wusste gar nicht, dass Frauen auch schon die Kunst des Rechnens erlernen", murmelt er vor sich hin.

Die Tür wird heftig aufgeschlagen und Blacktooth stürmt in den kleinen Raum. „Captain irgendetwas ist faul auf dem Deck. Sie sollten sich das besser mal ansehen", berichtet er Carter. „Gut, ich komme", antwortet er und signalisiert Blacktooth mit einer Handbewegung, das er gehen kann. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hat erhebt sich Carter aus seinem Stuhl. „Komm mit", befehlt er mir. Stumm erhebe ich mich und folge ihm aus dem Raum. Wie schon beim letzten Mal schließt Carter die Tür hinter mir ab und hängt sich den Schlüssel wieder um und versteckt ihn unter seinem Shirt. Ich folge ihm durch das Schiff, was spärlich von einzelnen Kerzen beleuchtet ist. Als wir endlich die Treppe zum Deck aufsteigen, blicke ich freudig auf die Spätmittagssonne am Himmel. Blacktooth schreit irgendetwas in unsere Richtung, aber ich kann ihn nicht verstehen. Anscheinend hat Carter ihn verstanden, denn er geht auf die Reling zu und schaut am Schiff runter. Ich folge ihm. Eventuell ist das Schiff ja beschädigt. Doch als ich über die Reling blicke sehe ich statt Wasser nur dicken schwarzen Nebel, dass das Schiff umgibt. „Sowas habe ich ja noch nie gesehen", murmel ich vor mich hin. „Das sind bestimmt die Götter der Meere! Die haben uns verfluch, weil wir ein Weib an Bord haben", schreit ein fast zahnloser älterer Mann in meine Richtung. Ich schaue ihn nur verdutzt an. Die Großzahl der Männer, die auf dem Deck sind, stimmen ihm zu. „Schluss jetzt mit dem Hirngespinst, schreit Carter seine Crew an. „Wir sind nur durch ein Schwarm Tintenfische gefahren, mehr nicht. Dazu werden wir die Miss heute haben auf der Insel absetzten und jetzt macht euch zurück an eure Arbeit", bellt Carter seiner Crew zu und zieht mich wieder unter Deck.

Tagebuch eines PiratenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt