Kapitel 7

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»Ja, das dachte ich auch. Vielleicht hast du mal Lust ....«

Chris schien kaum zu bemerken, dass ihr Gegenüber sie nur noch am Rande wahrnahm oder aber sie bemühte sich hartnäckig und zunehmend vergeblich, die verlorene Aufmerksamkeit zurückzuerobern.

Amelia konnte den feinen Unterschied nicht feststellen, derart gefangen war sie in einem Strudel aus Faszination und ängstlicher Erwartung, in Anbetracht der bevorstehenden Begegnung mit ihrem Retter.

Einem Sog gleich zog es sie weiter, dem Fremden entgegen. Geleitet von einer unsichtbaren Kraft, die ihr jedes Zeitgefühl stahl und die Umgebung aus dem Blickfeld strich, als wäre sie nicht existent.

Unterdessen legte sich der Nebel, der ihren Geist umhüllte, nur langsam, ließ ein dumpfes Gefühl der Anspannung zurück. Widerwillig verbannte sie die trüben Gedanken in den hintersten Winkel ihres Verstandes und schloss zu Mara auf. Die hatte den Unbekannten bereits erreicht und begann eben ihr prüfendes Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Ein freundliches Lächeln verbarg dabei gekonnt die sondierenden Blicke und all die Fragen, deren Antworten sie zu finden hoffte.

»Hey. Willst du uns nicht vorstellen? Wer ist dein neuer Freund?«, sagte sie an Chris gewandt.

Amelia konnte Maras Worten nur träge folgen. Neidvoll seufzte sie über den Mut und die unbekümmerte, geradezu unschuldige Haltung ihrer Freundin, die sie selbst in diesem Moment niemals aufbringen würde.

Chris hatte sie beide nicht kommen sehen und zuckte erschrocken zusammen. Beinahe so, als hätte man sie in einer äußerst prekären Lage erwischt und nicht bei einem harmlosen Flirtversuch gestört.

Die Begeisterung über das plötzliche Auftauchen ihrer Freundinnen hielt sich daher vorerst in Grenzen. Dennoch überging sie Maras amüsiertes Grinsen mit einem Lächeln, um sich vor dem jungen Mann keine Blöße zu geben.

Chris setzte eben zu einer Antwort an, da ergriff ihr Gegenüber selbst das Wort.

»Mein Name ist Efryon und ihr seid?«

Seine grünen Augen trafen Amelia und ruhten auf ihr, während er sprach. Der leicht raue Klang seiner Stimme entzog ihr das letzte bisschen Atem, das ihr noch geblieben war, ließ sie stumm verweilen. Ein von Anspannung erfüllter Augenblick, den ihre Freundin Mara für sich nutzte.

»Freut mich, ich bin Mara.«

Nervös beobachtete Amelia die freundliche Begrüßung der beiden, bis abermals eine erwartungsvolle Stille eintrat und sie sich nun ihrerseits vorstellen sollte. Der Moment, den sie fürchtete, seit sie von ihm wusste.

Kaum hörbar stotterte sie ihren Namen und entschied sich für ein zaghaftes Lächeln, das jedoch unglücklich gequält aussah.

»Amelia ...«, wiederholte Efryon.

Er schien ihre Angst zu spüren, denn ein seltsamer Ausdruck schlich sich auf sein Gesicht, den sie nicht zu deuten wusste.

»Kennt ihr euch?«

Mara ließ ihre Augen neugierig zwischen Chris und dem jungen Mann hin und her wandern.

»Nein, wir sind uns nur zufällig begegnet«, antwortete Efryon.

»Zufälle gibt es bei Chris nicht«, lachte Mara und fuhr sogleich fort, ehe ihre Freundin sich dazu äußern konnte. »Du bist nicht von hier, oder? Sonst hätte dich unsere Dorfschönheit schon viel früher entdeckt.«

»Nein, ich besuche meinen Onkel. Er wohnt am östlichen Ende der Stadt. Und ihr? Woher kommt ihr drei?«

Efryon überging den spitzen Kommentar mit einem höflichen Nicken und sah die Mädchen nacheinander an. Amelia konnte sich dem Eindruck nicht erwehren, dass er auf ihr am längsten verweilte und sie dabei einer scheinbar beiläufigen Musterung unterzog. Weniger körperlicher Natur, vielmehr war es ihr, als würde sie ihre Seele entblößen.

Meeresrauschen (Arbeitstitel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt