Leise rückte sie weiter vor, verließ ihre schützende Deckung und sondierte die Umgebung. Nichts. Auch das Wasser lag ruhig da wie zu Anfang, kräuselte sich sanft im Wind.
Amelia trat nun gänzlich aus dem Schatten des Baumes, konnte sich sein Verschwinden nicht erklären.
Da spürte sie plötzlich den Atem von Efryon neben sich. Seinen warmen Körper und seine weiche Hand, als er zärtlich ihre Haare zur Seite legte.
»Hi«, flüsterte er dicht an ihrem Ohr und bescherte ihr eine Gänsehaut, die sich bis zu ihren Füßen zog.
Zugleich strömte ein unwiderstehlicher Duft in ihre Nase. Efryon roch nach Meer und einem warmen Sommerregen. Nach Seerosen und den Blüten der Bäume, die früher im Garten ihrer Eltern standen.
Amelia war wie versteinert.
Efryon umrundete sie langsam. Er lächelte geheimnisvoll und blieb auf kurzer Distanz vor ihr stehen.
»Warst du einfach nur neugierig oder kommst du öfter hier her?«
Seine grünen Augen ruhten auf ihr und der sanfte Klang seiner Stimme verursachte ein Gefühl tiefster Furcht. Angst vor der Wahrheit, die sie bloßstellte und zugleich vor sich selbst, da sie ihm mehr und mehr zu verfallen drohte.
Er wirkte unnahbar und fremd inmitten der Bäume und doch ging von ihm eine Wärme aus, die sie zutiefst berührte. Sie war fasziniert von ihm, seit sie ihn kannte.
»Es tut mir leid, ich ähm ....«
Es gab keine Worte, die ihr Verhalten rechtfertigen würden. Nichts, das erklären könnte, weshalb sie hier war.
Efryons Schweigen lastete schwer auf ihr und die Scham trieb ihr die Röte in die Wangen.
»Haben deine Freundinnen dich dazu angestiftet?«, sagte er schließlich.
»Nein«, hauchte Amelia schnell.
Alles was sie hörte und wahrnahm war ihr vor Aufregung zerspringendes Herz. Die unglücklichen Umstände ihres erneuten Aufeinandertreffens und das unablässige Verlangen nach seiner Nähe zerrten an jeder Faser ihres Körpers.
Er weckte eine Sehnsucht und ein Begehren in ihr, das ihr die Luft nahm und alles andere um sie herum in ein farbloses Licht tauchte.
»Sind die beiden eigentlich immer so?«, lachte Efryon.
»Ja, meistens«, stammelte Amelia.
Sie konnte sich nicht von ihm lösen. Ihre Augen wanderten verstohlen über sein ebenmäßiges Gesicht und seine muskulösen Schultern. Sein bloßer Anblick brachte sie aus der Fassung.
»Ist wohl hin und wieder sehr anstrengend was? Seit wann kennt ihr euch?«
Efryon schien ihre Musterung zu bemerken und grinste amüsiert, revanchierte sich sogleich für ihr offenkundiges Interesse an ihm. Sein Blick haftete an ihren Augen, suchte ihre Lippen und liebkoste ihren Hals. Er verweilte dort einen Moment, ehe er sie wieder direkt ansah.
Amelia hielt seiner Aufmerksamkeit nur mit Mühe stand. Efryons ruhige Art sie zu betrachten rief Empfindungen in ihr vor, die sie kaum zügeln konnte.
Alles in ihr schrie nur noch nach Flucht. Einfach davonrennen, so wie sie es stets mit diesem Ort gehalten hatte, um den widersprüchlichen Gefühlen, wenigstens für den Augenblick, zu entrinnen. Zugleich war sie jedoch nicht in der Lage sich zu rühren.
»Schon seit wir klein waren. Wir sind zusammen aufgewachsen.«
Amelia rang sich ein halbherziges Lächeln ab.
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Meeresrauschen (Arbeitstitel)
FantasyDie siebenjährige Amelia wächst sorglos und behütet auf. Bis zu jenem Winter, in dem sie durch das Eis eines nahegelegenen Sees bricht und beinahe ertrinkt. Ein geheimnisvoller Junge rettet ihr das Leben und verschwindet danach spurlos. Zehn Jahre v...