Kapitel 11

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Die Zeit schien still zu stehen. In dem Moment, als ich seine Hand ergriff, durchfuhr mich ein warmer Strom und ich hatte Mühe, mir die geballte Kraft seiner Anziehung nicht anmerken zu lassen. Seine andere Hand lag weiterhin auf meinem Rücken, er machte nicht im geringsten Anstalten, sie zu entfernen. Sanft, un doch mit bestimmten Druck verweilte sie dort und strich immer wieder unauffällig über meine Haut.

Und jede dieser Berührungen ließ mich innerlich erzittern. Jede Berührung trieb mich weiter in den Wahnsinn und brachte mich dazu, mich ihm hingeben zu wollen. Der Gedanke daran erschreckte mich. Ich kannte diesen Mann nicht. Ich wusste nicht, wer er war, wusste nicht, wie ich ihn ansprechen sollte. Und ich war mir sicher, dass er mir seinen richtigen Namen niemals nennen würde, selbst wenn ich ihn danach fragte.


Mir war durchaus bewusst, wozu das alles führen könnte und würde. Und es war mir doch egal. Niemals wäre ich in der realen Welt auf die Idee gekommen, mich einer solchen Intensität hinzugeben. Ich wusste, dass ich wahrscheinlich mit ihm entweder in meiner oder seiner Suite landen würde. Die Frage war nur, ob ich es ihm leicht machen sollte oder nicht.

Eigentlich konnte ich Frauen nicht leiden, die dumme Spiele mit Männern spielten. Ich konnte es partout nicht leiden, wenn sie entgegen ihrer Wünsche handelten, sich rar machten, sich versuchten interessant zu machen.

Ein Großteil der Frauen versteht einfach nicht, dass Männer uns nicht lesen können, wie wir es gerne hätten. Ich erinnerte mich an solch eine Situation mit Anna zurück. Arrogant hatte sie einen Typen abblitzen lassen, der ihr mehr als nur gefiel. Doch leider, so tickte das weibliche Geschlecht nun einmal, fiel seine Reaktion anders aus als von ihr erhofft. Er ließ sie in Ruhe und wandte sich einer anderen zu, die sich ihm gegenüber offen und interessiert verhielt.

Anna hatte gekocht vor Wut. Und hatte endlich auch verstanden, dass sie ehrliches Interesse auch als solches bekunden musste, um an ihr Ziel zu kommen.


"Woran denken Sie?" Seine Stimme war so unglaublich nah an meinem Ohr, wieder konnte ich seinen Atem auf meiner Haut fühlen und hoffte insgeheim, dass seine Lippen meinen Hals berühren würden. Der Druck seiner Hand auf meinem Rücken wurde ein bisschen stärker und automatisch lehnte ich mich ihm entgegen. Der Daumen seiner rechten Hand strich angenehm über meinen Handrücken. Er drehte unsere Hände in einer fließenden Bewegung und verschränkte unsere Finger miteinander. Ich ließ es geschehen.
„An den möglichen Verlauf des Abends" hab ich ehrlich zu und sah ihm in die Augen, als er sich wieder ein wenig von mir entfernte. Er verzog die Lippen zu einem unfassbar sexy Lächeln. Ich konnte durch den Bart ein kleines Grübchen auf der linken Wange erahnen.

Ich lies mich in meinen Bewegungen von ihm führen, blendete die Welt um uns vollkommen aus und achtete auf niemanden. Nur auf ihn.
„Und? Welchen Verlauf hatten Sie sich vorgestellt?" Ich zuckte leicht mit den Schultern und wusste keine Antwort darauf zu geben.
Ich war unsicher, wie weit ich gehen konnte. Wie weit konnte man ein Spiel spielen, dessen Regeln man nicht kannte? Welches man das erste Mal spielte, ohne Vorwarnung, ohne Erfahrung oder die Vorstellung, was der Sinn und das Ziel sein würde, wie der Gewinn aussah?

Ich wollte mutig sein. „Kommt auf Ihr Benehmen an." Er lachte. Und wieder durchfuhr mich ein Schauer. „Welches Benehmen hätten Sie denn gern?" Seine Hand fuhr an meiner Seite entlang nach oben, dann strich er mit Fingerspitzen über meinen Arm und eine Gänsehaut bildete sich dort, wo er mich berührte. Er zog eine unsichtbare Spur nach oben, über meine Schulter, mein Schlüsselbein, bis er schlussendlich am meinem Hals ankam und die Hand an meinem Nacken stillstand und verweilte. Instinktiv lehnte ich den Kopf ein Stück zurück, lehnte mich an seine Handfläche und schloss die Augen.

„Bitte, hör auf damit", hauchte er er gegen meine Schläfe und streifte kurz mit seinen Lippen darüber. „Womit?" Ich war außer Atem.
„Lecke nicht mit deiner Zunge über deine wundervollen Lippen." Wieder ein Schauer. Seine Stimme war rau und sexy. Dröhnte in meinem Kopf.
Er nahm die Hand aus meinem Nacken und führte sie an mein Kinn, hob es ein wenig an, damit er mir tief in die Augen sehen konnte.
Seine wunderschönen Augen. Ich drohte in ihnen zu versinken und nie wieder aufzutauchen. Das Zusammenspiel zwischen dem Blau und seinen doch sehr dunklen, schwarzen Haaren war einfach zu perfekt. Passend zu einer Nacht wie dieser.

Langsam senkte er den Kopf mir entgegen und ich bereitete mich auf das Kommende vor. Bereitete mich auf die Berührung seiner Lippen vor, wollte sie schmecken, wollte wissen, wie sie sich anfühlen würden. Automatisch drückte mein Körper sich ihm entgegen.

„Verehrte Damen und Herren, verehrte Gäste!" Wir schreckten kurz auseinander und ich blinzelte verwirrt. Auf seiner Stirn hatten sich Falten gebildet und er schaute noch rechts, hoch zur Empore. Ich tat es ihm gleich und entdeckte einen hochgewachsenen Mann, neben ihm stand eine beinahe gleich große, rothaarige Frau mit undeutbarem Gesichtsausdruck.

Meine Hände lagen auf seinem Brustkorb, ich konnte spüren, dass er angespannt war.

„Es ist uns wie immer eine unglaubliche Freude unter so vielen Gleichgesinnten zu sein. Der Abend ist noch jung! Lassen Sie uns genießen, tanzen und denken Sie immer daran: Was sich innerhalb dieses Abends abspielt ist nicht für die Außenwelt bestimmt!"

Ich wusste, dass er mit diesem letzten Hinweis mich und eventuelle andere Gäste ansprach, die hier eigentlich nicht hergehörten.

Etwas irritierte mich jedoch an seiner Stimme. Sie kam mir so unglaublich bekannt vor und ich überlegte fieberhaft, woher das kommen könnte.

Mir wurde plötzlich warm, schon fast erdrückend heiß uns ich versuchte mir unauffällig Luft zuzufächeln. Mein Tanzpartner bedachte mich mit einem prüfenden Blick und lächelte dann wieder charmant.
„Alles in Ordnung?" Ich nickte und erwiderte atemlos: „Entschuldige mich kurz. Ich muss mich frisch machen."

Zaghaft hielt er meine linke Hand, als ich mich zum gehen abwenden wollte. Noch einmal drehte ich mich zu ihm und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
„Keine Angst, ich komme zurück!" Das schien ihn für den Moment zu beruhigen. Trotzdem zog er kraftlos an meinem Arm, ich machte einen Schritt auf ihn zu und spürte seine Lippen auf meiner Wange.

Innerlich verbrannte ich.

Möglichst gefestigt schritt ich durch den Saal, vorbei an meiner liebenswürdigen blonden Gesprächspartnerin, welche mir kokett zuzwinkerte, vorbei an Pärchen und Gruppen.

Unter anderem auch nochmal an dem Redner vorbei, der seine leicht mahnenden Worte gesprochen hatte.
Ich lauschte kurz seinem Gespräch mit einem Mann, auf den ich beinahe gewettet hätte, dass es sich bei ihm um unseren Präsidenten handelte, als mich der Schlag traf.
Unsere Blicke trafen sich und ich sah Erstaunen in seinen Augen.

Dann wüsste ich plötzlich, woher ich seine Stimme kannte.

Keine fünf Meter von mir entfernt stand mein zukünftiger Chef: Wladimir Markow.

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