Der Freizeichenton quietschte unerträglich in meinem Ohr, als ich versuchte Maxim zu erreichen. Nervös trommelte ich mit meinen Fingern an der Garderobe herum, klemmte das Telefon zwischen Ohr und Schulter ein und versuchte mir meine Stiefel anzuziehen. Nach dem dritten Klingeln hörte ich ein Knacken in der Leitung und Maxims gehetzte Stimme drang in mein Ohr: „Schätzchen, geht's endlich los? Hast du alles?" Ich grinste und entgegnete aufgeregt: „Habe grade den Anruf bekommen. Bist du fertig mit allem? Ich hätte beinahe meine Schuhe vergessen!" Sein Lachen klang voll und kehlig. Ich konnte erahnen, dass er wohl grade in seinem Apartment stand und den Kopf über mich und meine Schusseligkeit schüttelte.
„Ich gehe davon aus, dass diese Geheimbund-Macker meine Adresse haben?" Ich bejahte seine Frage und wir verabschiedeten uns für den Moment, da wir uns eh in kürzester Zeit sehen würden.
Ich war schon gespannt auf die Location, gespannt auf die Menschen, gespannt auf das gesamte Umfeld und gespannt auf das, was mich dort erwarten würde.
Plötzlich klingelte es an meiner Wohnungstür und vor Schreck zuckte ich einmal zusammen und fuhr herum. Hastig öffnete ich die Tür und wurde von zwei großen Männern in schwarzen Anzügen mit einem Nicken begrüßt. Ohne zu fragen traten sie in meine Wohnung ein und schnappten sich meine bereitgestellten Sachen. Ich fühlte mich unbehaglich, versuchte dies jedoch nicht allzu sehr zur Schau zu stellen und einen halbwegs gefestigten Eindruck zu machen.
„Passen Sie mit dem Kleid auf!" rief ich aufgebracht, als einer der Hünen es emotionslos von der Stange riss und unter den Arm klemmte. Er brummte nur kurz und verschwand aus meiner Wohnung, nachdem er meine Tasche auch noch schnappte. Der andere Typ stand vor mir und beobachtete mich eingehend, nahm sich dann die restlichen Dinge, die ich bereitgestellt hatte und schob mich mit einer Hand auf meinem Rücken nach draußen.
Ich fühlte mich wie eine Verbrecherin, auch wenn das vollkommen unnötig war. Meine Laune änderte sich schlagartig, als ich die Limousine vor meiner Haustür entdeckte und Trampel Nummer eins bereits die Tür aufhielt. „Einsteigen" brummte er nur und sein Kopf zuckte Richtung Autotür. Seine andere Hand hatte er mir offen entgegengehalten und fügte hinzu: „Telefon" Entnervt kramte ich mein Handy aus der Tasche und klatschte es ihm in die Hand. „Höflichkeit ist bei Ihnen anscheinend ein Fremdwort!" fauchte ich und ließ mich auf den Rücksitz fallen. Ich hörte noch, wie er entgegnete: „Sorry, Prinzesschen" Dann wurde die Tür zugeknallt.
Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich mit den beiden Gorillas durch die Gegend gefahren war, als wir plötzlich anhielten und die Tür aufgerissen wurde. „Passen Sie ja mit meinem Equipment auf!", wies Maxim die beiden an landete dann neben mir im Inneren der Limousine. Er wirkte zerknirscht und zickig, begrüßte mich mit einem leichten Kuss auf die Wange und streckte die Beine aus, als hätte er einen Marathon hinter sich. „Diese Halbaffen. Als ob ich was ausgefressen hätte." Ich nickte zustimmend und wir unterhielten uns den Rest der Fahrt noch einmal über mein Outfit und das Make-Up, sinnierten über den möglichen Veranstaltungsort, wie Maxim dann wohl nach Hause kommen würde, was mich alles erwarten könnte und dergleichen.
Irgendwann kam die Limousine zum Stehen. Maxim hob verheißungsvoll die Augenbrauen und grinste mich wie blöde an. Ich konnte nur die Augen verdrehen, knuffte ihm gegen die Schulter und packte meine Jacke und meine Tasche, während Maxim sich übertrieben vor Schmerzen krümmte und dabei kaum sein Lachen verbergen konnte.
„Hoffentlich treibt Raisa dir schon recht bald deine Flausen aus, du Kindskopf!" Meine Aussage brachte ihn nur dazu wirklich heftig loszulachen und er hielt sich den Bauch. Während ich in sein Lachen einstimmte und mir eine kleine Träne aus dem Augenwinkel wischte wurde die Tür plötzlich wieder ohne Vorwarnung aufgerissen und Gorilla Nummer zwei bellte: „Aussteigen. Ihre Sachen sind bereits am Lastenaufzug und werden in Ihre Suite gebracht." Mein Mund formte ein erstauntes ‚Oh' und Maxim sprach aus, was ich dachte: „Suite, so so. Dekadent, meine Liebe, dekadent!"
Wir stiegen aus dem Auto aus und ich vermutete stark, dass wir uns in der Tiefgarage eines Hotels befanden. Nur eine Handvoll Autos standen hier unten, allesamt vom Wert meiner gesamten Jahresmiete und mehr. Ich hakte mich bei Maxim unter und wir wurden gemeinsam zum Fahrstuhl auf der anderen Seite geführt. Die Neandertaler hatten sich neben uns aufgebaut und warteten gemeinsam mit uns. Mit einem leisen ‚Ping' öffneten sich die Türen und Gorilla eins stieg zuerst ein, wies uns mit einer Handbewegung an ihm zu folgen, während Gorilla Nummer zwei nach uns eintrat und auf den Knopf der sechsten Etage drückte.Als die Türen des Fahrstuhls sich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder öffneten fiel mir buchstäblich die Kinnlade runter. Ein prunkvoller Flur, ausgelegt mit durchgehenden weinroten Läufern und hohen Wänden lag vor uns. Links und rechts gab es jeweils nur eine Tür, mehr Zimmer schien diese Etage nicht zu haben. Der Kronzeugen in der Mitte der Decke strahlte in einem angenehm goldenen Licht und war doch nicht zu aufdringlich an Intensität, jedoch trotzdem prunkvoll elegant.
„Die linke Suite, Prinzesschen." Ich knirschte mit den Zähnen und wollte Gorilla Nummer zwei schon eine gepfefferte Ansage machen, als dieser die Tür öffnete und es mir erneut die Sprache verschlug.Allein der Eingangsbereich dieser Hotelsuite war größer als meine gesamte Wohnung! Ich entdeckte meine beiden Taschen sowie das Kleid, welches an der Garderobe hing, versehen mit einem Zettel. ‚Bügeln, Kontrolle Nähte' konnte ich darauf lesen, als ich das kleine Blatt zwischen den Fingern hielt. Offensichtlich wurde hier an alles gedacht. Vielleicht hätte ich bei meiner Abholung doch nicht so panisch reagieren sollen.
Die Einrichtung konnte sich sehen lassen. Dunkle, elegante Holzmöbel, eine große, gemütliche Couch in L-Form, mit Samt überzogen. Maxim stellte seine Tasche ab und lies sich mit einem lauten Seufzer auf die Couch fallen. „Hier bleibe ich!" er verschränkte die Arme hinterm Kopf und streckte die Beine weit aus. Währenddessen inspizierte ich weiter die Suite und stand im anliegenden Schlafzimmer. Ein wundervolles, riesiges King-Size-Bett mit roter Wäsche, bedeckt mit einer weißen Tagesdecke würde mich in dieser Nacht für meine Träume erwarten. Angrenzend zum Schlafbereich kam ich in ein geräumiges Badezimmer mit freilegender Dusche und einem übergroßen Whirlpool.
Ich ärgerte mich, dass ich zu Hause bereits ein Bad genommen hatte und nun wahrscheinlich keine Zeit mehr haben würde, alle Annehmlichkeiten auszukosten.
Zufrieden und doch ein wenig überfordert mit so viel Luxus ging ich wieder zu Maxim in den Wohnbereich und stellte erleichtert fest, dass die Gorillas nicht mehr anwesend waren.
„Schade, dass ich in drei Stunden wieder gehen darf", beschwerte Maxim sich und stand auf, um sein Equipment am XXL-Schreibtisch aufzubauen. Just in diesem Moment kam eine der Hausdamen in die Suite und senkte entschuldigend den Kopf für ihre vermeintliche Störung. Sie nahm mein Kleid von der Garderobe und verschwand ohne ein Wort gesprochen zu haben. Ein Händeklatschen lies mich zusammenzucken und ich fuhr zu Maxim herum.„Auf gehts! Machen wir aus dir die hübscheste, geheimnisvollste Dame des gesamten Abends! Die Männer werden dir zu Füßen liegen und anfangen zu sabbern, wenn ich mit dir fertig bin!"
„Voilà! Du bist ein Meisterwerk!" Zweieinhalb Stunden später hob Maxim mein Kinn mit dem Zeigefinger an und kniff prüfend die Augen zusammen. Dann trat ein äußerst zufriedener Ausdruck in seinem Gesicht ein und er nickte mehrfach. In dem Moment kam auch die Dame mit meinem Kleid wieder und ging es fein säuberlich und vorsichtig wieder an die Garderobe.
Als ich mich umgezogen hatte fehlte nur noch die Maske. Mit zitternden Fingern und angespannter Haltung setzte ich sie auf und lies Maxim sie mit kleinen schwarzen Klemmen in meinem Haar befestigen.
Gemeinsam schritten wir vor den großen Spiegel im Wohnbereich und es verschlug mir erneut den Atem wie beim ersten Mal, als ich das Kleid in der Boutique anprobiert hatte.Maxim hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Meine Haare waren zu einer Hochsteckfrisur fixiert, nur vereinzelt hingen gewollte, lose Strähnen herunter. Niemals hätte ich erwartet, dass ein Kleidungsstück und eine Maske einen vollkommen fremden Menschen aus mir hätten machen können.
Es klopfte an der Tür und die beiden Gorillas traten nach nicht einmal zehn Sekunden ein. Maxim fauchte sie mutig an: „Normale Menschen warten auf ein ‚Herein' oder so was in der Art! Sie hätte nackt sein können!" Keine Regung war in ihren Gesichtern zu sehen, nur ein dumpfes Brummen von Gorilla Nummer eins: „Zeit abgelaufen, Stylist. Wir bringen Sie nach Hause."
Nun war ich auf mich allein gestellt. Ich verabschiedete mich von Maxim mit einem gehauchten Kuss auf die Wange, um ja nichts zu zerstören, was er in den letzten Stunden so akribisch kreiert hatte.
Versteift setzte ich mich auf die Couch und wartete auf den angekündigten Anruf der Rezeption, welcher zum Beginn des Platina-Balls erfolgen würde...
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Maskenball - Nur ein Augenblick - ABGESCHLOSSEN-
ChickLitDer Platina-Ball. DAS Ereignis des Jahres der Moskauer High Society. Nur ausgewählte Oligarchen, erfolgreiche Emporkömmlinge und die schönsten der Schönen haben als persönlich eingeladene Gäste Zutritt. Alika Zueva ist weder reich, noch besonders s...