Silvester

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„Tony. Nico ist hier!" ruft Jill die Treppe hinauf, als ein junger Mann herein kommt. Die schwarzen Haare sind fransig gestylte, mit bunten Strähnen darin, die blauen Augen hell und stechend. Doch das sanfte Lächeln auf seinen Lippen lässt sich Jay bei ihm wohlfühlen. Er ist ziemlich feminin, doch er wirkt nicht wie eine Frau.

Anthony kommt die Treppe herunter gerannt und breitet die Arme aus, in die sich der Ankömmling lachend wirft. Beide küssen sich, mitten im Raum, bevor sie sich von einander lösen und schnell in einer Sprache miteinander reden, die Jay nicht versteht. Jill kommt mit einem Lächeln und der versprochenen Tasse heißer Schokolade zurück zu Jay, der mit Lucien am Tisch sitzt und Memory spielt.

„Wer ist das?" Jay zeigt vorsichtig, um nicht aufzufallen, auf den Neuankömmling. „Das ist Nicolai, der Freund von Tony. Die beiden sind schon eine Weile ein Paar." „War das nicht kurz nachdem dieses Unterwäschemodel deinen Bruder betrogen hat?" will Lucien wissen, dreht eine Karte um und gewinnt ein weiteres Paar.

„Ja. Allerdings mochte ich die dumme Nuss auch echt nicht. Hat mich immer behandelt wie ein kleines Mädchen." „Aber es sind beides Jungs." Jill und Lucien drehen den Kopf, sodass sie ihn beide ansehen. „Und?" „Aber..." Jay verstummt wieder. Er weiß nicht, was er dazu sagen soll. Ist es normal, dass sich zwei Jungs küssen? Er hat das noch nie gesehen. Aber es scheint normal zu sein, denn niemand hier schenkt den beiden besondere Beachtung.

„Es ist vollkommen normal, wenn sich zwei Jungs, die sich lieben, küssen. Es ist auch bei zwei Mädchen komplett normal. Und manche Leute entscheiden sich gar nicht ob sie Jungs oder Mädchen lieber haben. So wie mein Bruder. Er ist schon immer mal mit Jungen und mal mit Mädchen ausgegangen. Das ist ganz normal." Erklärt Jill ruhig und unaufgeregt.

Jay sieht sie an. „Wirklich?" „Ja. Sonst würden wir es sehr deutlich merken. Die beiden sind alles andere als unbekannt." „Wieso denn? Muss ich sie kennen?" Die beiden älteren lachen und Jill legt die Arme um ihn, drückt ihn an sich. „Nein. DU musst ihn nur als meinen Bruder und dessen Freund kennen. Tony ist ein Model, ein sehr bekanntes, und Nicolai ist Eiskunstläufer. Aber das ist nicht wichtig, weil wir eine Familie sind."

Der kleine Moment wird unterbrochen als sich Draco auf einen der freien Stühle fallen lässt. „Oh mein Gott. Meine Mutter kann sich auch nicht entscheiden. Sie hatte vier verschiedene Männer da, vier. Mit mir hat sie gar nichts gemacht, keine Ahnung, warum sie mich so unbedingt bei sich haben wollte. Ich war sowieso die gesamte Zeit alleine. Und wirklich Weihnachten war auch nicht, es gab weder ein Essen noch einen Baum. Wenigstens haben die Elfen Plätzchen gebacken." Er redet wie ein Wasserfall.

„Ich will auch mitspielen." Erklärt er dann, als er merkt, dass das Spiel beendet ist. „Ich lass euch Jungs dann mal alleine." Sie steht auf, nimmt ihr noch halb volles Glas mit Rotwein und setzt sich auf das gepolsterte Fensterbrett. Draußen ist es bereits dunkel, man erkennt nur noch die Lichter der Häuser und die am Himmel stehenden Sterne.

„Es erscheint so friedlich, wo es das doch nur so selten ist." Jill hat die Anwesenheit einer Person hinter sich zwar gespürt, zuckt aber trotzdem zusammen. „Friedlich ist es nie, dazu herrschen zu viele Konflikte auf der Welt. Nicht eine einzige Tierart schafft es ohne Konflikte auszukommen, warum sollte es dann gerade der Mensch schaffen?" „Glaubst du nicht daran, dass wir Frieden haben werden?"

„Frieden, vielleicht lokal. Es wird niemals überall friedlich sein und wenn das nur heißt, dass sich zwei kleinere Gruppen streiten." Eine kleine Diskussion entsteht zwischen den beiden, sodass sie nicht merken, wie die Zeit vergeht. Erst Jay, der vollkommen angezogen und warm in Winterklamotten eingepackt zu ihnen kommt, reist sie aus ihrem Gespräch.

„Tony sag ihr müsst euch anziehen. Wir wollen doch das Feuerwerk anschauen." Jill schaut an Jay vorbei zu ihrem Bruder, der ihr zuzwinkert. Sie verdreht die Augen, stellt ihr Glas ab und schnappt sich Jay. „Dann hast du wohl Recht. Dann müssen wir uns anziehen." Damit stellt sie ihn wieder auf die Füße und steht selbst auf. Während sie und Lucius sich noch für die Kälte anziehen, machen die anderen sich schon auf den Weg nach draußen.

Bei den anderen bekommen beide von Xenos ein Glas Sekt in die Hand, während am Himmel schon der Countdown beginnt. Von fünf runter zahlen alle laut mit, bevor das erste Bild des Feuerwerks erscheint. Die explodierenden Raketen bilden einen winkenden Schneemann, dann einen Skifahrer, bevor sie zu anderen Bildern wechseln. Nicolai und Anthony küssen sich, während sich alle zu einem neuen Jahr gratulieren.

„Wollen wir anstoßen?" Jill ist in die Hocke gegangen und fragt die beiden Jüngsten, die Gläser mit Orangensaft in den Händen halten. Stolz, dass sie wie die Großen anstoßen dürfen, halten sie ihre Sektgläser nach vorne und Jill stößt mit ihrem dagegen. Alle drei nehmen einen Schluck und während die Kinder schnell austrinken um den Rest des Feuerwerks nicht zu verpassen, trinkt Jill nur einen Schluck, denn sie will auch noch mit den anderen anstoßen.

Lucien und Xenos sind die nächsten beiden, mit denen sie anstößt und damit das neue Jahr feiert. Doch als Lucius mit ihr anstößt wird sie erneut rot und würde sich am liebsten in ihrem Bett vergraben. Es passt ihr gar nicht, dass sie in seiner Nähe so schnell verlegen und rot wird und so nimmt sie sich fürs neue Jahr vor genau das zu verhindern.

Im Haus der SchlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt