#49 Parallel

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Da mehr Leute nach einer Geschichte für das Wort 'Parallel' gefragt haben, versuchte ich hier jetzt einfach mal eine Story zu schreiben. Ich hoffe sie gefällt euch.

Verschlafen blinzelte ich. Mit unfokussiertem Blick schaute ich mich in meinem Zimmer um, wobei mir die hellblauen Wände direkt ins Auge stachen. Verdammt, dachte ich mir missmutig. Wie sehr ich diese verdammten Wände doch hasse. Blind tastete ich mit ungeschickten Handgriffen an meinem Nachttisch entlang, auf der Suche nach meiner Brille. Endlich bekam ich sie zu tasten und setzte mich mit einem unschönen Grummeln auf. Langsam setzte ich sie mir auf und fuhr mir einige Male durch meine unordentlichen, schwarzen Haare, wobei ich in manchen Knoten hängen blieb und genervt die Luft einzog, als es unangenehm schmerzte. Ich blinzelte stark, als ich endlich meine Umgebung erkennen konnte. Irgendwie fühle ich mich seltsam, dachte ich mir mit einem unguten Gefühl in meinem Magen, der vor Hunger grummelte. Jedoch ignorierte ich dieses widerliche Geräusch einfach nur und trat ungeschickt die dünne Decke von meinen Beinen. Ich war Kälte schon gewöhnt, aber jedes Mal bedeckte eine ekelhafte Gänsehaut meine blasse Haut, als ich morgens aufstand. Mit trägen Schritten lief ich zum Badezimmer, wobei ich mit verzogenem Gesicht die Kälte der Fliesen gezwungenermaßen begrüßte und mir schnell meine Strickjacke vom Boden aufhob. Ich fühlte mich komisch. Aber ich gab den leisen Alarmglocken in meinem Kopf, die das fragwürdige Gefühl anscheinend auch bemerkt hatten, keine Aufmerksamkeit und betrat das Bad. Dem Spiegel wich ich aus. Nie mochte ich es, meine Reflexion zu sehen. War es weil ich mich hässlich fand oder andere Gründe, ich wusste es nicht. Ich vermied es einfach. Schnell vollbrachte ich das, was gemacht werden musste, bevor ich den kleinen Raum wieder verließ. Schlurfend lief ich die Richtung meiner winzigen Küche und schnappte mir meine einzige Tasse, die ich mir von meinem wenigen Gehalt, den ich in einem schlechten Café, in welchem ich seit zwei Jahren arbeitete, leisten konnte. Es war einfach eine schwarze Tasse. Ohne Muster, ohne Bilder. Routinemäßig stellte ich sie in meine Kaffeemaschine, machte neues Kaffeepulver rein und drückte den Knopf. Langsam fing die dunkelbraune Brühe an, in meine Tasse zu tröpfeln und schaudernd zog Ich meine Jacke enger um mich. Obwohl ich sie trug, schien sich die Kälte durch den Stoff zu beißen wie ein Virus. Ich wusste, bald würde meine Haut vor der Gänsehaut schmerzen. Den endlich fertigen Kaffee in der Hand, lief ich wieder in mein Schlafzimmer. Daraus bestand meine Wohnung. Küche, Badezimmer, Schlafzimmer. Mit trübem Blick und nach unten gezogenen Mundwinkeln nahm ich einen großen Schluck von meinem Kaffee, wonach ich ordentlich fluchte, als ich mir von der verdammten Plörre die Zunge verbrannte. Zügig zog ich mich an, wobei mein Arbeitsoutfit nur aus einer schwarzen Jeans, einem weißen Hemd und einer schwarzen Fliege bestand. Ich schlüpfte in meine Schuhe, schnappte mir eine Winterjacke, weil draußen klirrende Kälte herrschte und steckte Schlüssel sowie mein Handy und Geldbeutel in die Taschen. Ich hasste meinen Job. Nun ja, hassen war ein starkes Wort, aber das war mir scheiß egal. Mein Chef war ein Arschloch. Ein fettiger, 44 Jähriger Mann ohne Haare, konstant verschwitzten Klamotten und einem sexistischen, homophobischen und rassistischen Humor. Meine Mitarbeiter waren nicht besser. Sally, eine Frau, die Geld vor Persönlichkeit stellte und meinte, ihre aufgespritzten Lippen sowie unnatürlich großen Brüste wären echt, Brandon, ein Typ der es mochte, andere zu verletzen, das in jeder möglichen Art und dann noch Antonio, ein italienischer Surferboy der jeden zweiten Tag für fünf Stunden ins Solarium ging und dachte er wär besser als jeder andere. Aus den vier bestand mein Tag und ich fühlte mich jedes Mal wie ein Stück Scheiße, als ich von der Arbeit nach Hause kam. Endlich trat ich aus meinem Wohnungskomplex heraus und seufzte auf, als ich in den wolkigen Himmel starrte. Plötzlich wurde ich angerempelt und ich fiel mit einem Aufschrei an den Zaun, an welchem ich in dem Moment vorbei lief. „Was zur Hölle? Pass auf man!", rief ich wütend und griff nach der Schulter des Mannes im Anzug, der in mich reingelaufen war. Mit einem furiosen Blick drehte ich ihn unsanft zu mir herum und erblickte nichts. Kreidebleiche Haut, mehr nichts. Vollkommen entsetzt stieß ich ihn von mir weg. Was zur Hölle? Was war das? War das ein Mensch? Hunderte Fragen rasten in dem Moment durch meinen Kopf und mir pochte mein schnelles Herz in meinen Ohren, füllte mein Gehör wie dreckiges Wasser. Hektisch drehte ich mich um. Dort war eine Mutter mit ihrem kleinen Kind. Sie hatten ebenfalls keine Gesichter. Dort wo eigentlich Mund, Nase, und Mund waren, zeigte sich nur widerliche Haut, die wie ein Netz über den Schädel gespannt war. Angst überrollte mich und mir wurde speiübel. Was war hier los? Schlief ich noch? Ich schaute mit weit aufgerissenen Augen an mir herunter und erblickte meine Hände. Meine Haut war schneeweiß. Nein. Das konnte nicht sein. Perplex lief ich einige Schritte nach hinten und knallte prompt an jemanden. Schon wieder. Ich drehte mich um und starrte direkt dort hin, wo eigentlich bei dem alten Mann die Augen sein sollten. Aber dort war nichts. Ich schrie auf, wobei dieser widerlicher Ton in meiner Kehle kratzte. Unter vollkommener Panik griff ich mir an die Stirn, strich ich mit meinen verschwitzten Handflächen über mein Gesicht. Ich spürte nichts. Alles war so ekelerregend glatt, wie Leder fühlte es sich an und mein Herz hörte auf zu schlagen. Ohne nachzudenken stolperte ich zu dem nächsten Schaufenster und starrte meinem Spiegelbild entgegen. Das was ich dort sah war nicht ich. Es war eine Gestalt, die ich mir nur in meinen Albträumen ausdenken würde. Knochig, dünn, fragil. Kein Gesicht. Ich wollte schreien, aber ich konnte nicht. Wie würde ich auch schreien. Plötzlich bewegte sich etwas in meinem Spiegelbild. Die Haut riss, gab nicht menschliche Züge frei und ein dämonisches Grinsen sowie tiefschwarze Puppenaugen formten sich auf dem Gesicht meines Spiegelbilds. Der Mund bewegte sich und ich hörte eine ekelhafte Stimme in meinem Kopf hallen. „Jetzt ist es meine Welt". Dann verschwand mein Spiegelbild. Das war als ich realisierte, dass ich gefangen war. Gefangen als mein eigenes Spiegelbild.

Ich hoffe die Story hat euch gefallen. Feedback ist willkommen.

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