Wie so oft lag sie alleine in ihrem Zimmer. Es war Samstagabend; sie hätte draußen sein können, doch was hätte sie dort machen sollen? Sie hätte mit Freunden schreiben können, doch ihre Kontakte beliefen sich auf die ihrer nächsten Verwandten. Sie hätte auch schlafen können, doch fehlte ihr dazu die Ruhe. Deswegen saß sie gelangweilt vor ihrem Handy, starrte auf das Display und spielte irgendein Spiel, welches ebenso sinnlos erschien, wie ihr Leben es für sie tat. Und als sie so da saß und tippte, wurde sie für einen kurzen Moment von einem merkwürdigen Geräusch abgelenkt, welches sie wegblicken ließ. Aufgrund ihres abgewandten Blickes, tippte sie auf eine Werbeanzeige, die sie auf eine Website verlinkte. Verwundert ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen, wollte sich dann wieder ihrem Spiel zuwenden und war kurzzeitig aufgrund der neuen Website verwirrt.
„Bekannte aus aller Welt, Freunde von Überall, Reisen wohin du willst.", prangerte ein dick gedruckter Spruch unter dem Seitennamen ‚i-Tour'.
Reisen, Freunde... Sie schüttelte den Kopf. Sie selbst würde sich schon allein mit Bekannten zufrieden geben. Hauptsache es war jemand.
Interessiert laß sie die kurze Website-Beschreibung durch, welche erklärte, wie das Forum aufgebaut sei, was es zu beachten gebe und von wem die Idee dazu stammt. Schlussendlich wurde der Lesende mit einem „Wir wünschen dir viel Spaß!" auf einen Registrier-Button verwiesen. Warum nicht? Die Registrierung erforderte weder viel Zeit, noch viele Daten. Bereits nach kurzer Zeit fand sie einige wenige Personen, mit denen sie über eigene Interessen schreiben konnte. Doch am ehesten passte auf ihre eigenen die Person mit dem Nutzernamen Benny. Auf seinem freiwillig preisgegebenen Profilbild war ein brünetter Junge, mit großen grünen, intelligenten Augen abgebildet. Sie lächelte, während sie schrieben. Sie lächelte das erste Mal seit langem. Und plötzlich erschien ihr vieles sinnvoller. Morgens aufstehen, um abends zu schreiben. In der Schule mitarbeiten, damit die Zeit bis abends schneller vergeht. Und sich dann abends endlich wieder stundenlang miteinander austauschen. Sie hatten vieles gemeinsam. Er war sportlich, sie ebenso, er zeichnete gerne, gleichermaßen sie. Dies ebenso im Musikgeschmack, Filme, Spiele. Nur eines war unterschiedlich:
Er traf sich oft mit Freunden. Sie glaubte, sie hätte nur ihn.
Als sie und ihre Tante wieder umziehen mussten, störte sie dies nicht so sehr wie beim vorherigen Umzug. Denn sie musste keinen Freund gehen lassen, Benny konnte sie mitnehmen. Indirekt lebte er in ihrem Smartphone, zumindest für sie. In der neuen Schule wurde sie, zu ihrem Erstaunen, freundlich aufgenommen. Mitschüler kommentierten ihre schnellen aber detaillierten Kritzeleien in ihrem Hefter, bewunderten ihre Sportlichkeit, teils sogar ihre hübschen Haare. Mitschüler entwickelten sich zu engen Bekannten, einige Bekannte zu Freunden. Und doch brach sie ihrerseits den Kontakt zu Benny nicht ab. Manchmal wollte sie ihren Freundinnen von ihr als lustig empfundene Chatverläufe mit ihm zeigen, doch scheinbar löschte er diese immer, sodass ihr nur Berichte blieben, um von ihm zu erzählen. Ihrerseits hätte sie nie den Kontakt abgebrochen, denn aus ihrer anfänglichen Zuneigung entwickelte sich irgendwann mehr. Sie schrieben nun schon fast zwei Monate... Und auf Einmal antwortete er nicht mehr.
Sie machte sich Sorgen, schrieb ihn an, nie tauschten sie Nummern aus, sodass sie ihn nicht anderweitig kontaktieren konnte. Sie fühlte sich ihm so innig verbunden, so zugetan, dass es sie schmerzte, ihn jetzt so plötzlich zu verlieren. Ihre Freunde fragten sie, was los sei, sie schottete sich ab, von Sorgen erfüllt. Und dann kam der Abend. Sie lag in ihrem Bett wie damals, als sie ihn kennenlernte. Sie starrte an die Decke, als die Tür knarrte. Eine große Silhouette stand im Türrahmen, sie schaltete ihre Nachttischlampe an. Ein brünetter, groß gewachsener, hübscher Junge stand in ihrem Zimmer, lächelte sie an. Sie war erstaunt, stand auf, schlang sich ihm um den Hals. Er sagte ihr, dass er sie verlassen müsse. Er würde von ihr umgebracht, denn sie brauche ihn nicht mehr. Das verstand sie nicht, also deutete er auf ein Bild, welches sie mit ihren Freundinnen zeigte. Sie verstand. Dann deutete er stumm auf ihr Fenster, drückte ihre Hand und führte sie dort hin. Beide krochen sie aus diesem, setzten sich auf das Dach und starrten ins Dunkel. „Nun ist es Deine Wahl. Sie oder ich? Nur einer kann überleben." Sie senkte den Kopf, gab ihm einen Kuss und sprang gemeinsam mit ihm.Als ihre Tante am nächsten Morgen in ihr Zimmer trat und das weit geöffnete Fenster sah, rannte sie nach draußen vor die Tür. Dort lag sie im Schnee, die Finger ihrer rechten Hand ineinander verschlungen. Ihre Tante hob sie auf, sie fühlte ihren schwachen Puls. Im Krankenwagen erwachte sie, blickte sich um, schrie nach jemandem namens Benny, schmerzerfüllt, verlassen, verwirrt. Sie sagte, er sei mit ihr gesprungen, doch neben ihr war keine Spur im gefrorenen Schnee, sie sagte, er sei bei ihr gewesen, doch niemand kam durch die verschlossenen Haustür hinein. Sie weinte, man solle auf dieser Seite nachsehen, doch fand niemand dort einen anderen Account, als einen, welcher auf einer inaktiven Mail-Adresse abgemeldet war...
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Schlaf
Короткий рассказHier in dem Buch werde ich ein paar Kurzgeschichten veröffentlichen. Vielleicht kennt der ein oder andere ja auch dieses Szenario: Man hat eine kleine Idee und weiß, wie man diese beschreiben könnte, doch reicht diese nicht für ein komplettes Buch...