Ein allerletztes Mal...

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Er betrachtete ihn. Still, hörte lediglich seinen gleichmäßigen Herzschlag. Ruhig, sein Drang komplett befriedigt, erleichtert. Und trotzalledem bestürzt. Er besah das Gesicht des Mannes, die weit aufgerissenen Augen, gezeichnet von Schmerz und Verzweiflung. Und doch erkannte er, dass sein letzter Gedanke, der an seine Liebe gewesen war. Ein letzter schöner Gedanke, bevor sich seine Welt in ein tiefes Schwarz verfärbte und das Licht der Wirklichkeit für immer erlosch.
Er betrachtete diesen Mann und musterte ihn nochmals genau. Gut gebaut, die verschnürten Arme verkrampft, in seiner Körpermitte eine klaffende Wunde, aus welcher die Lebensenergie seiner Hülle floss. Denn mehr war dies nicht mehr. Lediglich eine Hülle.
Und wie er nun da saß und seine Tat Revue passieren ließ, immer und immer wieder, verspürte er mehr und mehr bloße Reue. Er wollte dies nicht mehr. Dies alles. Er dachte an die Frau, an das Kind, das Tier... dachte an ihre Geschmäcker, leckte sich die blutroten Lippen. Seine Hände, welche blutbeschmiert auf seinen weichen Knien lagen, zitterten und er spürte, wie sich sein Herzschlag erhöhte. Ein monotones BummBumm...BummBumm...
Es musste ein Ende finden. Nur ein einziges, allerletztes Mal würde er es tun, würde den Geschmack eines Lebewesens kosten, sich an diesem leiben und so wie den Körper auch die Seele dessen verzehren. Wie lange tat er dies schon? Fünf, sechs... nein, sieben Jahre. Sieben lange Jahre, in denen er immer wieder seinen Rausch bereute, doch er konnte nie etwas dafür. Nie wollte er das. Das Einzige, was er sich immer im Leben wünschte, war, ohne diesen Drang zu leben, ohne seine Sucht, einfach normal zu leben. Doch war er anders. Er war ein Seelenfresser, nichts anderes. Und niemals würde er etwas anderes sein können.
Also nahm er sich das Messer, mit welchem er auch seine vorletzte Tat ausübte, um sich auf seine letzte vorzubereiten.
Einen kurzen Augenblick hielt er inne, aber nein, es war richtig so.
Er spürte einen kurzen Ruck, als ihn wieder der Rausch erfasste und erstmals in seinem Leben, schmeckte er etwas Vertrautes. Eine gewisse Ruhe überkam ihn. Bumm...Bumm. Dann ruhiger. bum...b-bum... Und so war das Letzte, was er in seinem von Drang und Sucht geführten Leben erfuhr, der Geschmack seines eigenen Blutes, welches rasch aus seiner Kehle in seine Speise- und Luftröhre floss. Ja, dies würde das letzte Mal sein. Das allerletzte Mal. Endlich... nach so langer Zeit...

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