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Das Päckchen für Elizas Geburtstag unter den Arm geklemmt, schlenderte sie über die verschlungenen Wege des heute recht wenig befahrenen Vorortes. So allmählich bereute sie es, nicht das Auto genommen zu haben, denn ihr Arm wurde müde von dem doch recht unerwartet hohem Gewicht des Geschenkes. Ihr weißes, kleines Haus in der Einfamilienhaussiedlung strahlte sie aus der Ferne freundlich an und sie erhöhte ihr Tempo. Ob es ihr gefallen wird? Eigentlich mochte sie Hasen ja noch nie so... Die ganze Zeit ging es dir durch den Kopf, ob dieses Geschenk nun doch das richtige war. Während sie voranschritt, erhob sie das Päckchen und betrachtete dessen Inhalt genauer. Ein eigentlich weißer, aber leicht pink angehauchter Hase lächelte ihr entgegen. Die starren, großen Augen des Hasens durchdrangen die ihren auf sonderbare Art und Weise. Sofort wurde sie nachdenklich gestimmt. Wünschte sie sich nicht eigentlich diese eine Puppe? Die mit den braunen, gelockten Haaren und den großen, schlauen Augen? Die, mit der man auch in der Nacht spielen konnte, da sie ein Kleid trug, welches im Dunkeln leuchtete? Ja, so eine Puppe hatte sie sich gewünscht. Und Lena hätte ihr diesen Wunsch nur allzu gerne erfüllt, hätte dies sogar zweimal oder dreimal getan, wenn das geringe Budget, was ihr für Nebenausgaben zur Verfügung stand, nicht so gering gewesen wäre. Eine im Dunkeln leuchtende Puppe für das Fünffache an Wert, wie der Hase, den sie grade gedankenversunken in den Händen trug und betrachtete. So ganz gefiel er ihr nicht. Es schien, als seien die Ohren nicht harmonisch zu einander angenäht, als seien die Pupillen, die die Augen schmückten ebenso unharmonisch zueinander. Und trotzdem wirkten sie irgendwie paralysierend. Völlig in ihren kritischen Gedanken vertieft, bemerkte sie gar nicht, wie sie immer weiter vom Gehweg abdriftete und auf die Straße zusteuerte. Der dunkelgraue Asphalt unter ihren Füßen trug sie von nun an ihren weiteren Weg. Und warum hat dieses Fell so einen merkwürdigen Rotstich. An manchen Stellen komplett weiß, an anderen wieder so rötlich. Ein Auto näherte sich den kleinen Hügel hinauf auf ihrer Spur. Und die Arme ungleichmäßig an beiden Körperhälften angenäht. Soll ich nicht gucken, ob ich noch was anderes finde. Aber den Gedanken verwarf sie schnell wieder. Einerseits, weil sie die negative Antwort auf ein mögliches besseres Angebot schon kannte und andererseits, weil der Fahrer des sich immer weiter nähernden Autos die dünne, brünette Frau mit gesenktem Kopf mitten auf seiner Fahrbahn laufen sah. Er hupte mehrere Male, solange bis Lena aus ihren Gedanken erwachte und mit rasendem Herz von der Straße sprang. Mit fahlem Gesicht starrte sie dem Auto hinterher, das nun umso schwerere Päckchen fest umklammert. Abwertend sah sie auf den Hasen, klemmte sich das Paket wieder unter den Arm und ging weiter, diesmal konzentrierter, den Fußweg entlang. Ich werde ihr einen Kuchen machen. Fragen, ob ich mir Hannas Kuchenform leihen kann und mache ihr einen großen Schokoladenkuchen. Dazu schmücke ich Wohnzimmer und Küche aufwendig und hübsch. Mit Luftballons, Partyschlangen und Girlanden. >>Oh ja Partyschlangen sind was feines.<< Lena fuhr zusammen. Was war das? Schockiert schaute sie sich um. Keiner war dort, der ihr hätte auf ihre Gedanken antworten können. Besonders keine Frau mit einer so brüchigen und hohen Stimme. Sie richtete den Blick wieder nach vorne und erhöhte ihr Schritttempo für die letzten paar Meter zu ihrem Haus hin. Die Dämmerung war inzwischen eingetreten. Der Himmel erschien in einem leichten Rosé, welches trotzdem noch durch das helle blau und das goldige Gelb der Sonne durchtränkt wurde. Es war recht warm für einen Mitt-Oktoberabend. Keine wirklich nennenswerte Wolke war am Himmel zu sehen. Kein Anzeichen auf die Ereignisse, die in den nächsten Stunden stattfinden würden. Noch nicht.

Lena war bedacht darauf, die Tür so leise wie möglich zu schließen, damit sie noch die Zeit besaß, Eliza Geschenk unter dem Sofa neben dem bunten Geschenkpapier zu verstauen. Langsam schob sie die gerade so under dieses passende Schachtel darunter, richtete sich schnell wieder auf und machte sich auf den Weg nach oben, um ihre eben erst eingeschulte Tochter zu begrüßen. Dadurch, dass sie zu Beginn der Schulzeit ihr sechstes Lebensjahr erreicht und ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten schon so weit, wie die eines ein Jahr älteren Kindes ausgeprägt waren, war ihr dies ermöglicht. Und dies auch zu Gunsten von Lena, denn so die Schule war näher gelegen als der alter Kindergarten, sodass Eliza auch alleine den Weg von Schule bis nach Haus antreten konnte. Sie erklomm die wenigen Treppenstufen und seitdem sie mit Eliza das Zählen anhand dieser Stufen lernte (sie war so kletterbegeistert, dass sie diese immer wieder erklomm), zählte sie in ihrem Kopf diese ebenfalls immer mit. Eins, zwei, drei, Vorsicht die Vierte knarzt, fünf, sechs, sieben und acht. Leise schlich sie den kurzen, in drei Räumen endenden entlang. Sie erreichte eine der drei Türen, welche mit unsymmetrisch angeklebten Pferdestickern und einem bärenförmige. Spiegel verziert war, und öffnete diese. Ihre Tochter saß am Tisch und starrte so konzentriert, wie es ihr mit fast sechs Jahren eben möglich war, auf ein aufgeklapptes, blaues Arbeitsheft. Sie schien ihre sich reintastende Mutter gar nicht zu bemerken, bis diese ihre Hände auf ihren schmalen, kleinen Schultern platzierte und über ihren Kopf hinweg die Aufgabe las. Verbinde die Zahlen mit den passenden Farbwürfeln und male die Kästchen unten aus. Als Eliza ihre Mutter bemerkte, warf sie ihren rosa, holzfarbenen Füller beiseite, sprang freudig erregt auf und umarmte ihre Mutter um den Bauch, welche diese Geste nur allzu gern erwiderte. ,,Na meine Große, wie war dein Tag?", flüsterte sie, während sie über die welligen Haare ihrer Tochter strich. Diese löste sich vom Bauch der Mutter und schaute sie mit großen hellbraunen Augen an. ,,Du kennst doch das Klettergerüst an unserer Schule oder? Da bin ich heute raufgeklettert. Bis an die Spitze." Etwas stolz streckte sie ihre Brust hervor. Etwas übertrieben fröhlich antwortete Lena, so wie jede gute Mutter es wahrscheinlich getan hätte. ,,Bis nach ganz oben? Das st ja toll. Du bist halt meine Super-Eliza." Demonstrativ erhob sie einen Arm und begab sich kurzweilig in die Superheldenpose. Eliza kicherte. Mit wieder ernsterer Stimme, aber trotzdem einem lächelnden Gesichtsausdruck, erkundigte Lena sich nach den Hausaufgaben ihrer Tochter und erfragte, ob sie Hilfe bräuchte. Eliza schüttelte flink den Kopf. ,,Nein, das ist leicht. Das haben wir heute erst angefangen, aber ich kann es schon!" Eine Freude über eine recht simple Kleinigkeit flammte in ihrer Stimme auf, so wie dies nur bei einem Kind der Fall sein konnte. Lena lächelte. ,,Na gut, dann lass ich dich mal machen." Sie gab ihrer Tochter einen Kuss auf den Braunschopf und kehrte um, den Raum zu verlassen. ,,Ach ja. Heute Abend gibt es dein Lieblingsessen." Eliza sprang von dem schwarzen Stuhl, auf dem sie sich eben erst wieder platziert hatte auf, reckte die Arme in die Luft und rief laut heraus:,, Nudeln!" Lena kicherte erneut und nickte mit dem Kopf. ,,Schön, dass es dich freut. Ich ruf dich dann mein Schatz." Sie wandte sich herum und verließ die beklebte Tür. Ein paar wenige Minuten später schlich Eliza bereits auf das schwarze Sofa, welches aufgrund seines Alters schon einige undefinierbare Flecken besaß. Sie nahm sich die in Relation zu ihrer Hand viel zu große Fernbedienung und betrachtete bis zum Abendbrot mehr oder minder aufmerksam den flackernden Bildschirm, in welchem Cartoonfiguren wild gestikulierten und versuchten mit Stumpfen Witzen die Kinder zum Lachen zu bringen. Eliza lachte bei diesen kindlichen Witzen nie wirklich. Sie amüsierte sich über die Geschichte, wie zum Beispiel ein Schwamm eine aufgeblasene Hose hatte, mit der er über Felder von Quallen oder seine Freunde hinweggleiten konnte. Eliza lebte fürs fliegen. Einmal sagte sie, sie glaube, sie sei mal ein Vogel gewesen, der den ganzen Tag durch die Luft geflogen ist. Jede neue Erfindung von Elizas unglaublich großer Fantasie brachte Lena zum Lachen. Die Zeit verging, wie im Flug. Das Essen, das Bad, das Putzen der Zähne, die letzten zehn Minuten der abendlichen Sendung, das Bringen ins Bett. So wie jedes Jahr vor Elizas Geburtstag führte Lena mit ihr das Gespräch über die Geburtstagsfee, die ihr ihre Geschenke nur brächte, wenn sie schlief. Und auch wenn sie von der nicht Existenz dieser bescheid wusste, war es zu einer Art Ritual geworden, dass sie sich dies von ihrer Mutter erzählen lies. Das kleine Hasennachtlicht angeknipst, der Kuss auf die rosige Wange beiderseits, das Verlassen des Raumes, wobei die Tür nie vollkommen geschlossen wurde.
Lena kramte die Dekorationskiste aus der Küchenschublade heraus. Eine Girlande mit HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH, vier verschiedene Arten von Luftballons und diverse Arten von Luftschlangen. Die neben der Kiste stehenden Partyhütchen, legte Lena neben die Teller. Die Girlande hing sie auf, die Luftschlangen pustete sie aus, sämtliche Ballons wurden aufgeblasen. Mit in den Hüften gestützten Armen betrachtete sie ihr Werk. Sie stand in der Türschwelle eines Zimmers, welche nicht hätte perfekter für eine Geburtstagsparty sein können. Einzig und allein der Geschenketisch war noch leer. Ein viel zu großer Tisch, für ein viel zu kleines Geschenk. Sie begab sich in das Wohnzimmer, bückte sich vor das Sofa und griff nach dem Päckchen, welches scheinbar seinen Platz verändert hatte. Lena tastete an der rechten Seite des Sofas, welche zum Fenster hinzeigte, denn dort hatte sie es platziert. Nun allerdings lag es auf der vollkommen anderen Seite. Zudem war es umgedreht, sodass der Hase an den Boden des Sofas guckte. Skeptisch nahm Lena den kleinen Behälter unter dem Sofa hervor. Die einzige Erklärung, die ihr logisch erschien: Elizabeth hatte den Hasen schon gefunden, ihn betrachtet und dann unachtsam auf dessen alte Position wieder zurückgelegt. Ein bisschen Enttäuscht verpackte sie das Geschenk in das für ein Kind am besten geeignetste Geschenkpapier (es war auf grünem Hintergrund mit braunen, Ballon haltenden Bärchen bedruckt, und legte dieses auf den gewaltigen Tisch. Später gelang es ihr mit dem beruhigendem Gedanken, dass das Frühstücksbesteck den Tisch etwas aufpäppeln könnte in einen tiefen, traumerfüllten Schlaf zu fallen. Ihr Traum bestand aus einem lauten Poltern, gefolgt von einem schrillen quieken, welches nur ein kleines Wesen so erzeugen konnte. Dann kratzte etwas an ihrer Tür und...
Ein sanftes Harfespiel weckte sie aus dieser Nacht. Sie rieb sich die Augen, betrachtete die Zeit, die ihr Smartphone ihr anzeigte und stand auf. Die Haare gekämmt, die Zähne geputzt, mit ordentlichen Klamotten bekleidet, weckte sie dann ihre kleine Tochter aus dem Schlaf. Ihr winziges und einziges Kind füllte grade mal die Hälfte des Bettes aus. Die Decke schlang die kleine eng um ihren Körper und von ihren lockigen Haare lagen einige wirr im Gesicht und andere wenige sogar im Mund. Lena saß sich auf das kleine Bett und streichelte die rosige Wange ihrer Tochter. Dabei begann sie leise und ruhig, mit trotzdem hörbarem Crescendo, 'Happy Birthday' zu singen. Eliza öffnete die verschlafenen Augen, die sich bei Erkennen der Melodie sofort mit einer unglaublich immensen kindlichen Vorfreude füllten. "Happy Birthday to you" endete sie mit dem Lied und Elizabeth sprang ihr um den Hals. Beide eng aneinander gepresst streichelte Lena ihr den Rücken und sagte ruhig:,, Alles Gute zum Geburtstag mein kleiner Engel."
Eliza löste sich und schaute ihre Mutter mit einer ausgezeichnet gekünstelten Schmolllippe an. ,,Klein?", fragte sie mit großen Augen, während sie die Arme verschränkte. Lena lachte. ,,Ja, okay. Mein großer Engel.", ergänzte sie immer noch herzhaft lachend. Eliza schmunzelte. Sie sprang aus dem Bett und ihre tapsigen Füße hüpften über den Boden zur Küche hinunter. Mit Freude betrachtete sie die Dekoration der Räume und erwartete mit leuchtenden Augen ihr Geschenk. Lena grinste ihre Tochter an und ging in das Wohnzimmer. Auf dem gesaugten Boden vor dem Sofa liegend, fasste sie unter das Sofa und griff in die Leere. ,Wo...' Doch ihre Gedanken wurden unterbrochen. Ein leises Poltern erklang aus der Küche, wurde lauter und verstummte, als es am lautesten wurde. Lena verstummte und hielt in ihrer Bewegung inne. Ein leises Atmen ertönte, gefolgt von einem belustigten Kichern. Langsam nahm sie den Arm unter der Couch hervor, erhob ihren Oberkörper und hielt erneut inne, als sie kaltes Metall an ihrem Nacken spürte. Lena erschrak und atmete schnell ein. Ein langer Schatten zog über den ihren hinweg. Eine Pracht von Locken, doch zwei standen unharmonisch zueinander ab. Sie wollte aufstehen, doch hörte sie erneut ein leises Lachen. Ein leises Krächzen erklang. ,,Ich... will... mit dir spielen, Mami...''

minestar  hat mir die Motivation für diese Story gegeben. <3

SchlafWo Geschichten leben. Entdecke jetzt