Hand

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Ihre Augen fest verschlossen träumte sie wieder. So wie jedes Mal wusste sie, dass sie sich im Traum befand. So wie jedes Mal lächelte sie, denn alles war so wunderschön. Alles war so, wie sie es sich selbst immer erhoffte. Sorglos lag sie im Bett, schlummerte vor sich hin, träumte. Manchmal von Glück, manchmal von Erfolg. Manchmal auch nur vom Träumen. Aber jede Nacht glichen sich ihre Träume immer in einem Punkt. Während sie, die Augen friedlich geschlossen, in ihrem Bett auf der Seite lag, erträumte sie sich wieder dieses Gefühl. Sie war noch recht jung, doch in diesem Punkt, zumindest verglichen mit ihren Freunden, schon uralt. Ihre Freunde mussten sich dieses Gefühl nicht erträumen. Dieses spezielle Kribbeln im Bauch, das wohlige Gefühl im Körper, konnten sie immer erleben. Denn sie schienen in dieser Hinsicht nicht allein.
So lag sie da, konzentrierte sich träumend auf ihre linke Taille. Und mit ganz viel Vorstellungskraft war sie endlich da. Die Wärme, die eine liebende Hand, ruhend auf ihrer Taille, verströmte. Ein wohliges Gefühl durchströmte ihren Körper. Sie lächelte. Ob sie dies nur im Traum tat, wusste sie nicht genau. Aber es war ihr auch egal. Würde sie ein wenig warten, solange, bis das Gefühl fast schon der Realität entsprach, könnte sie diese Hand sogar ‚berühren'. Und sie wartete darauf. Wieso auch nicht? Schließlich hatte sie die ganze Nacht Zeit. Als sie die Hand fast komplett in die Realität zog, nahm sie ihr eigene und legte sie auf die, die ihr das Gefühl gab. Ob nur im Traum oder auch in Wirklichkeit war ihr wieder gleich.
Wieder lächelte sie, als sie über die warme Hand strich. Ist es nicht schön, dass Menschen sich solche Gefühle auch erträumen können?
Eine leise Melodie durchbrach ihren Traum. Ruhig öffnete sie die Augen und blickte an ihre, vom Dämmerlicht erhellte, Wand. Vorerst ignorierte sie den Wecker. Sie dachte weiterhin über dieses Gefühl nach. Dieses Mal schien sie sehr intensiv geträumt zu haben, denn es wirkte noch. Ein Gefühl auf ihrer linken Taille. Und weil sie erstmals im wachen Zustand diese Berührung fühlte, genoß sie den Moment noch kurz. Jedoch immer damit rechnend, dass sie in Kürze verschwände. Die Kürze wurde zur Minute, die Minute zur Dauer. Sie war gewissermaßen erfreut, aber auch verwundert. Noch nie wirkte es jemals so lange Zeit nach. Aufgeregt hob sie ihre linke Hand, führte diese langsam zu ihrer Seite. Natürlich in Erwartung, dass sie nichts Unbekanntes fühlen würde. Und so war es. Sie spürte nichts Unbekanntes, jedoch auch nicht das, was sie erwartete. Denn sie fühlte keineswegs den Stoff ihres Schlafshirts. Sie fühlte auch nicht die weiche Oberfläche ihrer eigenen Haut, so wie es manchmal war, wenn sie einen unruhigen Schlaf hatte. Sie öffnete wieder die Augen, ihre Neugier drohte, sie beinahe zu überkommen, aber sie widerstand dem Drang, ihren Kopf zu drehen. Sie versuchte, ruhig zu bleiben und ihren Atem langsam zu halten. Nun schloss sie wieder die Augen, konzentrierte sich. Natürlich empfand sie dieses Gefühl gewissermaßen als angenehm, aber sie träumte doch nicht mehr. Oder etwa doch? Als letzte Vergewisserung strich sie über die Finger der fremden Hand. Kalt, in echt wirkte sie so kalt. Keineswegs vertraut, nicht so wohlig warm, wie in ihrem Traum. Und dies war der allererste Moment, das allererste Mal, dass sie sich nicht entscheiden konnte, was ihr lieber gewesen wäre. Dass sie diese Hand, die sie sich seit Ewigkeiten schon erträumt und auch erhofft hatte, nun wirklich bei ihr läge, oder nicht.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 01, 2018 ⏰

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