Kapitel 10 - Luca Alighieri
Oliver und ich sassen im Bus auf dem Weg in die Innenstadt. Er wollte mich auf eine Party eines Freundes mitnehmen. ,,Es gibt bei John freie Getränke, Musik, eine tolle Dachterasse und keine Highschoolschüler." Es überraschte mich gar nicht, dass Oliver in Kreisen verkehrte, die nichts mit der Highschool zutun hatten. Studenten von Unis, die Literatur, Kunst und Musik studierten - so stellte ich mir Olivers Freunde vor. Modisch elegant, reif und intellektuell. Ich trug schwarze Jeans und einen grauen Pulli. Der Herbst war langsam da. Zu kalt war es, um draussen in einem Pool zu schwimmen. Ab und an war es noch ziemlich warm. Es war lange hell am Abend und dennoch merkte man, wie die Tage kürzer wurden und die Sonne schwächer war. John lebte in einer WG in der Innenstadt und ohne zu klingeln, trat Oliver ein. ,,Sie sind eh auf dem Dach. Die hören nichts, wenn wir klingeln." Neugierig sah ich mich in der Wohnung um. Sie war hell und gross, Holzboden bedeckte das gesamte Stockwerk. Die Küche war modern und mit marmornen Platten ausgelegt, grosse Kunstprints hingen an der Wand und sehr viele exotische Zimmerpflanzen schmückten die vielen Ecken. Ich folgte Oliver die schmale Treppe zum Dach hinauf und man konnte schon dumpf Musik und Gelächter hören.
,,Hey Olive!" Ein junger Mann mit hellblondem Haar trat auf uns zu und schloss Oliver, mit einem Bier in der einen Hand, in den Arm. Dann fiel sein neugieriger Blick auf mich.
,,John, das ist Luca. Luca. John." Er küsste mich auf die Wange und grinste breit. ,,Wie schön, dass ihr gekommen seid!" Ich lächelte etwas scheu und sah mich auf der Dachterrasse um. Es waren noch weitere junge Männer und ein paar Frauen da, sassen auf verschiedenen Holzstühlen und Bänken an einem Tisch und tranken Bier. Die Dachterrasse war ausgeschmückt mit Lampions und man hatte eine unglaubliche Sicht auf die Stadt. Entzückt sah ich mich um und sofort folgte Entsetzen. Das Meer. Man sah von hier das dunkelblaue weite, endlose Meer. Sofort drehte ich mich weg, tat so, als wäre nichts gewesen. Was fiel Oliver ein, mich hierher zu bringen? Er war damit beschäftigt, alle zu begrüssen und mich den anderen vorzustellen. Als er einen Augenblick Zeit hatte, flüsterte er leise: ,,Alles okay?" Es war ihm also bewusst, dass das Meer mich störte. Ich nickte nur, etwas verspannt. Ich setzte mich hin.
,,Grayson kommt auch gleich. Er holt nur mal schnell Wein und Bier aus dem Keller", erklärte John und setzte sich ebenfalls, musterte mich interessiert. Ich hob erstaunt die Augenbrauen. Grayson?
Oliver hielt sich ein Grinsen zurück, doch ich konnte genau sehen wie seine Mundwinkel zuckten. Zuerst das Meer. Dann Grayson. Das hier war keine "Party zur Ablenkung". Es war mehr eine "Party der Konfrontierung". Olivers Art von Therapie. Ich strich mir nervös das helle Haar aus dem Gesicht und wollte am liebsten die Treppe hinunterstürzen und nach Hause gehen. Dass ich aber mit grosser Wahrscheinlichkeit auf der Treppe in Grayson hineinrennen würde, hielt mich davon zurück.
Es stellte sich heraus, dass die Freunde von Oliver irgendwie auch Graysons Freunde waren. John war Automechaniker und gleichzeitig auch Olivers erster Freund der Kindheit.
Die anderen spielten Karten und hörten Musik, rauchten Zigaretten und rissen Witze.
Die Dachluke öffnete sich und niemand anderes als Grayson kam herauf. Sein dunkles Haar war zerzaust, seine grünen Augen glühten, wie seine goldbraune Haut. Er trug ein weisses Shirt mit kurzen Ärmeln und blaue Jeans mit olivegrünen Espadrilles. Er stellte ein Sixpack Bier und zwei Flaschen Weisswein auf den Tisch ab, als er bemerkte, dass neue Gesichter hinzugestossen waren.
,,Hey Oliver", sagte er mit einem kurzen Lächeln und Oliver lächelte vielsagend zurück. Innerlich platzte er wahrscheinlich vor Freude - Graysons Blick streifte an meinem Körper entlang hin zu meinem Gesicht. Mit jedem Zentimeter wurde ihm klarer, wer da noch auf der Dachterrasse sass. Aus grossen grünen Augen sah er mich an, schüttelte fast schon ungläubig den Kopf.
DU LIEST GERADE
«Indigo reminds me of you»
Fiksi Remaja-Abgeschlossen - Luca Alighieri ist 18 Jahre alt und hat sich geschworen, nie mehr das Meer zu sehen. Sie zieht mit ihren Eltern an einen neuen Ort und bekommt somit einen Neuanfang geschenkt. Die Chance - das Meer, die Wellen und alle Trauer, die s...