Die Wahrheit. Teil 2

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Ich sah Sie unsanft auf dem Boden aufkommen. Der dumpfe Knall, den Ihr Körper nach dem Fall durch den Raum schallen lies, übertönte sogar den lauten Beifall der anderen anwesenden Gäste. Sofort schloss ich meine Augen. Eine unbeschreibliche Wut überkam mich und begann an meiner Vernunft zu zerren. Meine Gedanken überschlugen sich und der Drang zu Ihr zu rennen, um Ihr zu helfen wurde mit jeder verstrichenen Sekunde stärker. Ich begann über alte Missionen nachzudenken, in denen ich verdeckt ermitteln musste. Nie machte es mir etwas aus Menschen leiden oder gar sterben zu sehen. Doch jetzt gerade in diesem Moment, kann ich seit langen wieder nachvollziehen was Menschen fühlen, wenn Sie im Begriff sind etwas für Sie Lebenswichtiges zu verlieren. Ohne meine Augen für eine Sekunde zu öffnen, wusste ich was die großen kräftigen Männer mit Ihr machen. Ein Tritt folgt dem anderen, ein leises aufkeuchen dem anderen und mein Herz setzte immer wieder aufs Neue aus. Ein schleifendes Geräusch macht mir klar, dass Sie nun aus dem Raum gezogen wird und sich die Entfernung zwischen uns schon wieder vergrößert. Die Wut über meine eigene Hilflosigkeit lässt mich meine Zähne zusammenbeißen, so stark, dass mein Kiefer zu schmerzen beginnt.

Nikolai der neben mir sitzt hebt unbemerkt seinen Arm und legt mir diesen vorsichtig an die Schulter. Ich hasse es von Menschen berührt zu werden, doch diese gab mir das Gefühl von Hoffnung. Immerhin wäre ich ohne seine Hilfe niemals hier. Nur durch Ihn konnte ich (V/N) nach so langer Zeit wiedersehen, auch wenn die Umstände nicht die besten sind. Doch eine Frage warf sich auf, eine Frage, die seitdem all das begonnen hat an mir nagte. Warum hat Sie mich nie um Hilfe gebeten? Warum hat Sie mir nie erzählt, was sie seit Jahren ertragen musste. (V/N), du hast Hilfe gebraucht. Doch nie etwas gesagt. Eine Frau sollte sowas niemals ertragen müssen, niemals erleben müssen...

Während meine Augen immer noch geschlossen blieben, hat der nächste Kampf schon längst begonnen. Die Leute um mich herum rasteten wieder aus. Sie schreien, klatschen und scheißen nur so mit Geld um sich. Doch die Menschen die jetzt in diesen Moment um Ihr Überleben kämpfen interessierten mich nicht. Die Einzige deren meine Gedanken gelten, war Sie! Eine leichte Bewegung aus Nikolais Richtung lies mich meine Augen öffnen und zu Ihn rüber sehen. Er diskutierte mit einem der verkleideten Kellner und holte ein großes Bündel Geld aus seiner Tasche, um es auf das Tablett zu legen. Dann sah er zu mir rüber und in seinen Augen war ein hektischer Blick zu erkennen: „Los komm, wir müsse uns beeilen."

Ohne irgendwelche Fragen zu stellen, stand ich auf und folge dem vor mir herlaufenden Mann. Seine Körperhaltung verspannte sich sichtlich und auch meine begann sich, in dem Wissen, das etwas nicht stimmt, zu verkrampfen.

Mein Kopf schmerzte und der Geschmack von Blut lag unangenehm auf meiner Zunge. Doch war nicht dieses Gefühl das, dass mich wach werden ließ. Nein, es war der Schmerz an meinem Rücken, der mich innerlich zusammenzucken lässt. Im Raum liegt ein unangenehmer Geruch aus Alkohol und Blut, der mir den Speichel in den Mund treibt. Mit letzter Kraft versuche ich mich nicht übergeben zu müssen. Hinter mir erklingt das Geräusch von Wasser, dass in einen Eimer plätschert. Vorsichtig öffne ich meine Augen und sah nur schwarz, was wohl daran lag, dass ich auf einem Bett lag und mein Gesicht im Kissen vergraben habe. Mit aller Kraft drehe ich meinen Kopf zu Seite, um zu sehen was nun wieder geschieht.

Doch bevor ich wirklich etwas erkennen konnte, legt mir jemanden seine Hand auf den Kopf und strich meine Haare sanft zur Seite. Es war dunkel im Raum, das einzige was ich aus dem Augenwinkel erkennen konnte, war eine kleine Kerze deren Flamme versuchte alles zu erhellen. Schon wieder durchzuckt ein kaum auszuhaltendes Brennen mein Fleisch. Leise gebe ich einen schmerzerfüllten Ton von mir, wer auch immer da hinter mir war, desinfiziert gerade meine Wunden mit Alkohol.

„Pscht, alles wird gut" durchschallt den kleinen Raum. Tränen beginnen sich in meinen Augen breit zu machen und ein leises Schluchzen schleicht sich durch meine Kehle: "Levi?" flüstere ich mühsam. Ich musste sicher gehen, dass es wirklich er war. Nein, eigentlich wusste ich genau, dass er es ist. Seine Stimme würde ich immer wiedererkennen. Doch wollte ich diese dunkle, einfühlsame Stimme ein weiteres Mal hören. Er sagte nichts, eine Stille machte sich wieder breit und ich höre wie er wieder etwas in dem Wassereimer ausdrückte. Müdigkeit macht sich in meinen Liedern breit, doch konnte ich jetzt nicht wieder wegtreten. Nein! Egal wie viel Kraft mich das jetzt kosten sollte. Levi ist neben mir und reinigt meine Wunden. Wie ist er hierher gekommen? Wie ist er zu mir gekommen? Tausende von Fragen schießen mir durch den Kopf und ich entschließe mich meine Kraft zu sammeln, um mich aufzustemmen. Vorsichtig hebe ich meinen Arm und lasse Sie neben mir nieder, um mich langsam vom Bett zu drücken. Seine Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Sofort spüre ich seine große Hand an meinem Arm, die mich mit aller Kraft stützt. Für Ihn wird das wohl kein großer Aufwand sein, doch ich spüre jetzt schon, wie der Schmerz mich zerfrisst. Dann endlich sah ich sein wundervolles Gesicht. Doch er sah mich nicht an. Sein Kopf war zur Seite gedreht und seine grauen Augen meiden meinen Blick.

Sanft strecke ich meine Hand nach Ihm aus und lege Sie an seine Wange. Er schließt seine Augen und scheint einen tiefen Atemzug zu nehmen. Sanft legt er nun seine Hand auf meine und dreht den Kopf um in meine Augen zu sehen. Ein noch größerer Schmerz durchfährt meinen sowieso schon geschundenen Körper. Sein Blick war müde, die Augen blau unterlaufen seine Haut wirkt kränklich grau und die Haare waren stark zerzaust.

„Levi" flüstere ich leise. Und der Gedanke, dass er wegen mir so aussah tötete mich innerlich. Eine heiße Träne lief über mein Gesicht und Levi's Blick wurde augenblicklich sanft. Schnell hebt er seine Hand an und wischt mir die Träne aus dem Gesicht.

„(V/N), warum weinst du? Eigentlich hätte ich allen Grund zu weinen. Wie soll ich das ertragen dich so zu sehen? Sag mir, wie soll ich weiter machen?" sprudelt es plötzlich aus ihn heraus.

Meine Augen weiten sich und meine Zunge fühlt sich einfach nur noch taub an. In all der Zeit hier, vielen mir so viele Dinge ein, die ich Ihm noch sagen wollte. Doch jetzt wo er so vor mir steht, bekomme ich kein Wort heraus. Er war der Grund, weshalb ich immer noch am Leben bin, weshalb ich weiter gemacht habe und nie aufgeben wollte.

Ein leises Klopfen ertönt an der Türe und die sofort aufkommende Panik in Levi's Gesicht, ließ mich zusammenzucken. „Levi, ich...." doch er ließ mich nicht weiter sprechen.

„(V/N), wir haben keine Zeit mehr. Lass mich dich nur um eines Bitten.... Halte noch etwas durch. Versprich mir, dass du nicht aufgibst und weiter durchhältst" sein Kopf dreht sich wieder zur Seite und sein Blick fixiert den Boden.

„Ich werde dich hier rausholen! Ich werde alles dafür tun, dass du sowas nie wieder im Leben durchmachen musst! Ich war bereit meinen großen Traum, alle Titanen auf dieser Welt auszulöschen, für dich aufzugeben. Doch wurde mir mit längerer Zeit des Nachdenkens klar, dass ich das gar nicht muss. Nein, ich kann meine größten Träume miteinander verbinden. Ich werde dich hier rausholen, um dich an meiner Seite zu wissen und werde alle lebenden Titanen umbringen, um für dich eine sichere Welt zu schaffen. Denn mir ist klar geworden, dass du (V/N) die Person bist, für die es sich lohnt am Leben zu bleiben, weil... weil ich dich liebe! Ich würde es mir niemals verzeihen können, wenn ich dich verlieren würde."

Ein zweites Klopfen durchschallt den Raum, nun sieht Levi endlich auf, seine wunderschönen sonst so emotionslosen Augen waren rot. Auch wenn er es niemals zugeben würde, wusste ich, dass er gegen die aufkommenden Tränen kämpft. Langsam schiebt er den Stuhl unter sich weg, auf den er sich vorhin gesetzt hatte und schaut mich mit einem eindringlichen Blick an. Dann lehnt er sich vor, umklammert mein Kinn um mich ein Stück an sich heran zu ziehen. Sein Gesicht kommt immer näher, bis seine Lippen meine blutverschmierten und aufgeplatzte Lippen berühren. Er küsst mich mit einer so starken Intensität, die mir nur noch klarer vor Augen führt, wie ernst er seine an mich gerichteten Worte meint. Dann entfernt er sich ruckartig von mir, als das dritte Klopfen ertönt. Wütend und zugleich verzweifelt schlägt er mit seiner ganzen Kraft gegen die neben der Türe liegende Wand: „Ich komme schon!"

Kapitel 1. LevixReader ♥️ Gezeichnete der DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt