Kapitel 3

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Die Begegnung mit Eva.


Was ist dieses Wesen? Es hat Beine, die von der hohen Dachkante des flachen Hochhausdaches herunterbaumelten. Arme und Hände, dessen zierliche Finger auf dem tristen Stein lagen, sich aber nicht festkrallten, obwohl es von dort aus so weit in die Tiefe ging, dass man Angst haben sollte. Genau genommen würde es bei einem Sturz und nach dem Aufprall, restlos zermatschen und die körperlichen Überreste würde zusammen mit dem Schlamm und Abfall keinem mehr auffallen. Ich bin mir schon sicher, dass es etwas Menschliches ist. Es hat auch einen Kopf, aber ich konnte weder Haare noch Augen oder Mund sehen. Statt schönen Mädchenaugen waren nur zwei schwarze schlitzartige Schatten zu erkennen. Ihre feminine Figur brachte mich zu dem Schluss, dass es ein Weibchen ist. Der ganze Körper ist von weißen und ungewöhnlich sauberen Bandagen umwickelt und zeichnet nur eine kleine Stupsnase und Finger- sowie Fußknöchel ab. Schuhe trägt es nicht, auch keine sonstigen Kleidungsstücke, nur einen weiten Mantel mit Kapuze und einem bunten Halstuch. Es sieht schon ziemlich seltsam aus. Schwach blickte ich hinauf und mir kam erst jetzt in den Sinn, dass es immer noch eine Antwort von mir erwartet. Was war nochmal die Frage gewesen? Ob ich Spaß habe, richtig? Ja, ich denke das war's. Ehrlich gesagt verstand ich die Frage nicht ganz. Immer noch sah ich zu ihr. Ob sie mich nun abwartend oder verlangend anstarrte, konnte ich aus ihrem ausdruckslosen Gesicht nicht ablesen. Ich spürte nur, dass sie mich eindringlich musterte. Für mich war es, als würde ich durch ein Schaufenster in einen kleinen gruseligen Porzellanladen gucken und dort würde diese lächelnde Puppe sitzen, die nichts außer ihre Beine bewegt und, egal aus welcher Perspektive man versucht ihrem Blick auszuweichen, sie einen immer noch mit ihrem Blick durchdringt. Jetzt wo ich darüber nachdachte, war ich froh, dass ich ihre Augen nicht sehen konnte. Dass ihre stechenden Augen mich nicht durchbohrten und tief in meine Seele drangen. Meine düstere Fantasie wurde bestätigt, als sie auf einmal ihre Lippen unter den Bandagen zu einem verrückt begeisterten Grinsen formte. „Was meinst du damit, ob ich Spaß hätte?" Ich hatte kaum meine Frage gestellt und ihr Kopf kippte zur Seite. Dass sie meine kratzige, dünne und einfach nur grausam klingende Stimme überhaupt auf eine solche Entfernung verstanden hat, wunderte mich. Allerdings nur für einen kurzen Moment, da ihr helles Kichern plötzlich die Stille der Nacht brach und sich ihre Lippen unter den Bandagen bewegten. „Du verstehst es nicht?" Fragte sie belustigt und beugte sich zu mir herunter. Angst hat dieses Mädchen auf jeden Fall nicht, dass muss ich ihr lassen. Lange blieb sie in dieser Position, bis sie sich wieder zurücklehnte und mich wie zuvor anstarrte. „Man hat Spaß an etwas, was man gerade tut, richtig? Also Fremder, sag mir, was tust du gerade?" Sie formulierte diese Frage, als wäre ich ein kleines Kind mit dem sie sprach. Doch ihre Stimme klang überhaupt nicht so, wie wenn man mit einem Kind redet. Nein, sie war an einen Fremden gerichtet, der spontan ihr Interesse geweckt hatte. In dem Augenblick, wo sie mich entdeckt hat, muss sie Spaß an der Sache bekommen haben. Es war kein neugieriger oder aufregender Spaß, sie saß aus purer Langeweile dort oben und blickte auf mich herab. Sie wusste genau, was ich tat und obwohl ich mir dessen ebenfalls bewusst war, beschloss ich eben zu diesem Zeitpunkt der Erkenntnis, dass ich ihr Spiel mitspielen wollte, einfach aus purer Langeweile eben. „Sterben." War meine schlichte Antwort auf ihre Frage. „Hast du Spaß?" Wiederholte sie sich zum dritten Mal und tatsächlich fing es an mir Freude zu bereiten. Nur bezog sich ihre Frage nicht darauf, dass ich Gefallen an ihrer schrägen Art fand, sondern, dass ich starb. Ein verzerrtes Grinsen lag auf meinen Lippen, was wohl eher einer hässlichen Fratze glich. „Nicht wirklich." Sagte ich und zuckte zusammen, als das Mädchen auf einmal losprustete, was in einem schallenden klaren Lachen endete, und sie ihren Kopf in den Nacken warf. Ungläubig schon fast fassungslos blickte ich zu ihr hoch. Mein verzogenes Grinsen war so prompt verschwunden, wie sie begonnen hatte ihren verrückten Spaß an meiner Antwort zu zeigen. Sie regte sich so weit nach hinten, dass der weite Mantel nun platt auf ihr lag und sich ihre runden Brüste abzeichneten. Hinter ihr, über den Dächern der Stadt ging die Sonne auf. Die warmen Strahlen fielen durch die schmalen Gassen auf meinen Körper. Wieder ein neuer Tag.

Fortsetzung folgt...

Bungou Stray Dogs - Adam und EvaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt