Kapitel 9

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Die Positionen haben sich verschoben.

In der Gegenwart. Amina Suya Lora-Fjie (Sicht)

Ich bin jetzt 21 Jahre alt und gehöre zu den fünf ranghöchsten Führungsmitgliedern der Hafenmafia. Heute komme ich von einem Geheimauftrag im Ausland zurück. Ich stehe am Steg des Hafenviertels und blicke hinaus auf das weite Wasser, das unter den Holzplanken zu meinen Füßen sachte Wellen schlägt. Der aufkommende Wind riecht salzig und ich recke mein Gesicht den letzten Sonnenstrahlen entgegen. Ich trage immer noch diese schmeichelnden Klamotten, die meinen gegenüber beeindrucken sollten. Ein kurzer Bleistiftrock in dunkelgrau mit dünnen weißen Streifen. Dazu ein passender Blazer, darunter natürlich vollkommen nackt. Meine hochgesteckten Haare, dienen dazu den prächtigen Schmuck zu zeigen. Um meine schlanken Beine zur Geltung zu bringen, trage ich kniehohe schwarze Stiefel. Meiner Meinung nach, sind der Pelzmantel und die Nerdbrille einen Touch zu viel gewesen, aber der Boss hat es so verlangt. Ich hatte keine Zeit mich umzuziehen, weshalb ich ohne weiteres am Wasser entlang lief, zu meinem eigentlichen Ziel. Ein verlassener Hinterhof im Hafen. Von Weitem vernahm ich bereits die Stimme von Elise. „Dafür bist du zu alt." Sagte sie stumpf gerade aus und ich hörte bloß ein „Wie gemein..." vom Boss. Trotz dessen, dass ich den Kontext nicht kannte, musste ich unweigerlich schmunzeln. Bis ich aus dem Schatten der Gasse in den weiten Lichtpegel der Laterne trat. Mein Gesichtsausdruck blieb neutral. Der Schauplatz zeigt eine Blutlache. Und in mitten dieser eine von unzähligen Patronen durchlöcherte Leiche mit weit aufgerissenen Augen. Als ich den Blick hob, erkannte ich den Boss, der aufgrund seiner Arztkleidung und seinem unrasierten Gesicht merkwürdig aussah. Und ich erblickte Elise, in ihrem märchenhaften purpurroten Rüschenkleid. „Willkommen zurück, Eva." Kaum hatte mich der Boss empfangen, starrten mich die anwesenden Mitglieder der Hafenmafia an. Sie sahen ernst und leicht angespannt aus, aber mein Gesichtsausdruck war gelassen. Wieso sollte ich einen von ihnen foltern wollen? Ich war verdammt froh wieder unter meinen Leuten zu sein. Als ich Chuya direkt in die Augen schaute, nahm er gentlemanlike seinen geliebten Hut vom Kopf und augenblicklich knieten sich die anderen vor mir nieder. Sofort zierte ein Grinsen das Gesicht vom Boss, welches mir deutlich verriet, dass ihm mein Auftreten und der Respekt seiner Leute gegenüber mir gefiel. Keine Frage, mir gefiel meine Macht auch, aber sie müssen es doch nicht immer so übertreiben. Ich setzte meine Weg fort und schritt an der Schwarzen Eidechse vorbei, direkt auf Chuya zu. Trotzdem konnte ich es mir nicht entgehen lassen, Tachihara zu zuzwinkern, weshalb er wie zu erwarten zusammen zuckte und ich mir ein flüchtiges Grinsen nicht verkneifen konnte. Damit wusste er, wir würden dort weitermachen wo wir neulich aufgehört haben. Eifersüchtig schielte Chuya zu dem Mitglied er Schwarzen Eidechse. Der Arme, glaubt er etwa ich habe ihn vergessen? Die Zwei werden sich wohl nie anfreunden können, schon allein weil ich mit beiden ins Bett steige. Aber der Sex mit Esper und normalen Menschen ist halt ein Unterschied. Und ich möchte eben auf keins von beidem verzichten. Liebevoll nahm ich Chuya's Gesicht in meine Hände und zwang ihn mich anzusehen. „Schön wieder hier zu sein, Partner." Begrüßte ich ihn und küsste seine Wange, während ich ihm spielerisch seinen Hut wieder aufsetzte. „Schön dich wieder zu haben, Partnerin." Konterte Chuya und küsste elegant meinen Handrücken. Nebensächlich gab ich den anderen das Zeichen sich endlich zu erheben. Dann wandte ich mich dem Boss zu. „War das ein Attentäter der Gilde?" Wollte ich von ihm wissen und zeigte hinter mir auf die Blut überströmte Leiche. Der Boss nickte bejahend. „Die Detektei und die Gilde... Wir sind wieder in einer chaotischen Kriegsphase. Und das schreit nach einer optimalen Lösung. Für beide der Organisationen. Unsere Widersacher werden von uns vollständig zerquetscht. Und getötet." Erklärte Mori mit erhobenem Haupt und Elise lächelte lieb in seinem Schatten. Doch auf Anhieb erlosch ihr belustigter Gesichtsausdruck, als sie den meinen bemerkte. Die anderen haben es noch gar nicht wahrgenommen, aber eine Sache machte mich verdammt wütend. „Wo ist mein Jagdhund?" Zischte ich bedrohlich und wirbelte herum, um Chuya's Waffe zu greifen und aus seinem Hosenbund zu ziehen. In Erwartung er würde jeden Moment erscheinen. Schleunigst wichen die umstehenden Mitglieder zurück. „Wo ist Akutagawa?!" Durchdringend hallte meine Stimme zwischen den Gebäuden. Wo zum Teufel steckt mein Untergebener? Was erlaubt sich dieser räudige Hund?! „Er wird nicht her kommen?" Die Worte vom Boss rissen mich aus meiner Rage und ich fixierte ihn mit meinem tödlichen Blick. „Was meinst du damit? Hat es ihn doch erwischt?" Skeptisch zog ich eine Augenbraue hoch. Die Mimik der anderen verriet mir den Ernst der Lage. Umgehend packte ich Chuya am Kragen. „Wo finde ich ihn?" Verlangte ich zur erfahren, als plötzlich Schritte zu hören waren. Im Gegensatz zu den anderen erkannte ich diesen Klang sofort. Wie in Trance ließ ich von Chuya ab und schob ihn zur Seite. Er ließ mich gehen, sie alle würden es nicht wagen mich aufzuhalten. Mein Gegenüber trat aus dem Schatten der Gasse heraus und ich hob meine Waffe, bereit auf ihn zu schießen. Bereit mit nur einer einzigen Kugel sein Herz zu zerfetzen. „Ich bin gekommen, Herrin." Begrüßte mich mein Untergebener mit gesenktem Kopf und fiel vor mir auf die Knie. Und urplötzlich war mein ganzer Zorn verflogen. Mein Jagdhund sah schlimm aus. Furchtbar schlimm, um ehrlich zu sein. Dennoch verlor ich nicht die Fassung. „Steh auf!" Befahl ich ihm und er erhob sich wieder von seinem niedrigen Rang. Trotzdem traute er sich nicht mir in die Augen zu blicken. Bevor ich zur Hafenmafia zurück gekehrt bin, war Dazai sein Vorgesetzter und hat keine Gnade walten lassen. Die beiden haben sich nie leiden können. So schien es zumindest immer. Denn Dazai zeigte kein Interesse und Akutagawa trieb diese Ignoranz in den Wahnsinn. Auch von mir hat er keinerlei Beachtung zu erwarten, aber manchmal glaube ich, dass er es von mir wünscht auf ganz andere Wiese wie er es sich von Dazai gewünscht hat. Und es stimmt schon, mein Verhältnis zu meinen Untergeben ist anders, als man es vielleicht erwarten würde. Dies ist auch dem Grund geschuldet, dass ich sie mir nicht zuteilen lasse, sondern meine Untergebenen gezielt bestimme. Ja, ich habe mir Ryunosuke Akutagawa persönlich ausgesucht. Ich will ihn ganz für mich allein, nur ich soll ihn kommandieren dürfen. Er ist mein Eigentum, denn ohne mich landet er wieder einsam auf der kalten Straße. Er soll aber lernen zu leben, ich will das er überlebt. Ich sehe in diesem Monster nichts weiteres als ein verletztes Kind. Vielleicht habe ich ihn ein wenig in mein Herz geschlossen, aber ich denke nicht, dass diese Gefühle etwas schlechtes sind. Und ich werde mich dieser Verantwortung nicht entziehen. Das liebe ich so an meinem Job, an meiner Position. Alle Freiheit der Welt zu besitzen. „Du siehst schrecklich aus." Stellte ich fest und er lachte auf. „Du bezaubernd wie immer." Hauchte er und hatte mühe sich auf den Beinen zu halten. Augenblicklich hielt ich ihm den Lauf meiner Waffe vor die Stirn. Jetzt sah er mich an. „Was erlaubst du dir?!" Fragte ich ernst und erhöhte den Druck der Waffe. Da keine Antwort seinerseits zu erwarten war, wandte ich mich an den Boss. „Ich will das ihr verschwindet, ihr alle." Sagte ich emotionslos und erkannte im Augenwinkel sein begeistertes Grinsen. „Wirst du ihn töten?" Wollte er wissen, obwohl er wusste das ich nicht gewillt war ihm darauf zu antworten. Wissend nickte der Boss, bevor er die anderen mit einer lässigen Handbewegung zum Abzug dirigierte. Jetzt sind wir allein. Akutagawa sah wirklich scheiße aus. Sein ganzer Körper war in Bandagen gewickelt und ich konnte mir die Verletzung darunter nur allzu gut vorstellen. Ich war nur froh, dass seine Kleidung das Schlimmste verdeckte. „Ich will nicht wissen wie es dazu gekommen ist und auch nicht wer dir das angetan hat. Ich verlange nur eine einfache Sache von dir. Wenn du sterben willst, wenn du dein Leben ohne nachzudenken wegwerfen willst, dann komm zu mir. Dann werde ich dich töten." Erklärte ich ihm, wie einem kleinen Kind. Bloß schien das Thema nicht sonderlich Kind gerecht. „Ich will nicht, dass mein Blut an deinen Händen klebt." Nuschelte er und wirkte ebenso kindlich wie ich ihn angesprochen hatte. „Dann hör verdammt nochmal auf, dich immer so aufzuspielen. Du bist noch nicht so weit!" Schrie ich und drei Schüsse dröhnten in unser beider Ohren. Die Einschusslöcher zierten den steinernen Grund zu unseren Füßen. Ruckartig zog ich Akutagawa in eine Umarmung, die er nicht erlaubt war zu erwidern. Doch ich konnte förmlich hören wie sein harte Schale langsam bröckelte. Ich spürte seinen Herzschlag und seine heiße Träne auf meiner Haut. „Wenn du dich und die anderen noch einmal so in Gefahr bringst... Beim nächsten Mal werde ich dich nicht verfehlen." Flüsterte ich drohend und ließ von ihm ab, als ich eine Silhouette im Hintergrund erfasste. Es war Higuchi, seine Partnerin, die mit einem Gesicht voller Sorge zu uns gerannt kam. Als sie völlig außer Atem bei uns stoppte, starrte sie bloß entsetzt auf die Waffe in meiner Hand. Doch ich hatte keine Lust mir ihre nervige Stimme anzuhören und überließ Akutagawa ihrer Obhut. Weit davon entfernt, furchtlos zu sein, gerät sogar Akutagawa in Panik, weil ich ihn durch meine berüchtigten Foltermethoden zum Leiden bringen kann. Aber manchmal frage ich mich, ob Higuchi für ihn nicht schon Folter genug ist.

Fortsetzung folgt...

Bungou Stray Dogs - Adam und EvaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt