Kapitel 6

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Die rechte Hand der Eva.


Die Münder meiner Verfolger bewegten sich in kurzen Abständen, doch sie ließen mich nicht eine Sekunde aus den Augen. Ebenso wie sie bewegte auch ich mich nicht einen Zentimeter. Bis die zwei Fremden plötzlich ihr Gespräch beendeten und zu mir herunter kamen. Sie standen vor mir, doch ich wich nicht zurück. Der eine grinste bis über beide Ohren, der andere musterte mich ernst. Man konnte keinen einzigen Unterschied zwischen ihnen erkennen. Bevor ich auch nur ansatzweise ansetzten konnte etwas zu sagen, ergriff der eine Zwilling das Wort. „Mein Name lautet Yasu. Und das ist mein Abbild." Stellte er sich und den anderen Jungen vor, bevor er auch direkt weitersprach. „Wir gehören den Esper an und sind eine im Untergrund agierende Organisation aus unterschiedlichsten Individuen, die gemeinsam unter der Führung der Eva für die Freiheit jener Kämpfen, die von der Gesellschaft ausgestoßen und verachtet werden." Er machte eine kurze Pause, woraufhin sein Abbild ihn gekonnt unterbrach. „Kurz gesagt, wir sind dein Ticket in ein vielversprechendes Leben. Wer sich mit uns verbündet, erhält den Schutz einer Frau von der du nicht hättest träumen können. Wie klingt das für dich? Bist du bereit dich für eine Seite zu entscheiden, dein Leben für deine Kameraden und Ideale einzusetzen?" Bei jedem Wort kam er näher und näher und ich stolperte überfordert von seinem Auftreten zurück. „Ihr gehört zu diesen seltsamen Wesen, die mich seit Tagen verfolgen, nicht wahr?! Und diese Eva von der ihr da sprecht, ist sie gewesen, hab ich recht?! Verdammt was wollt ihr von mir? Lasst mich doch einfach sterben!" Verlangte ich zu erfahren, doch keiner von beiden nahm meine Aufforderung ernst. „Du begreifst schnell. Und dennoch hast du den Kern der Sache noch nicht kapiert. Glaubst du tatsächlich du hast eine Wahl?" Mein Gegenüber lachte auf und schielte zu seinem Zwilling, der mich immer noch mit seinem ernsten Blick durchbohrte. Dann verpuffte das Abbild und der ernste Typ blieb allein zurück. „Es wird Zeit." Vernahm ich plötzlich eine weibliche Stimme hinter mir und spürte augenblicklich ihre Hand durch meine Haare streichen, meine Wange hinab zu meinen Lippen. Sanft fuhr ihr Daumen darüber, als sie direkt vor mir zum Stehen kam und ihre blauen Seelenspiegel langsam meine Augen fixierten. „Schön dich kennen zu lernen, Shin Kiseij." Sagte die Fremde und lächelte mich mütterlich an. Doch ihr schräggelegter Kopf und die seltsamen farbenfrohen Tätowierungen in ihrem Gesicht, zerstörten das Bild. Woher kennt sie meinen Namen? „Deine Zeit ist abgelaufen, Junge. Du hast das Rätsel nicht gelöst." Ihre Stimme klang leicht enttäuscht, mit einem Hauch von Mitleid. Ich zuckte zusammen, aus Angst mich würde nun eine schreckliche Strafe erwarten. „Oh, du brauchst dich nicht zu fürchten. Eva hat dich nicht ohne Grund ausgewählt. Sie will dich, lebend." Erklärte mir diese seltsame Frau und versuchte mich wohl so zu beruhigen. Doch es half nicht sonderlich. „I-I-Ich v-verstehe nicht." Stotterte ich und sie ließ endlich von mir ab. Sie kicherte, als sie etwas Distanz zwischen uns brachte. „Mein Name lautet Suzu. Ich bin die rechte Hand der Eva und befugt den schrägen Typ dort hinten zu befehligen. Ich werde ihm auftragen dich zu töten." Sie offenbarte mir diese Nachricht wie eine simple Selbstverständlichkeit. Entsetzt taumelte ich zurück, konnte mich aber nirgends halten. Beim Versuch zu entkommen, presste ich meinen Körper gegen den hohen Maschendrahtzaun, welcher das Basketballfeld teilweise umschließt. Wieder lächelte sie mir freundlich entgegen. „Warum schaust du so verstört. Das ist doch dein Wunsch, oder nicht?" Fragend guckte sie mich an, als hätte sie etwas missverstanden. Mein Wunsch? Ich hege nicht mehr den Wunsch zu sterben, dass habe ich doch schon längst bewiesen. Ich bin doch ohne weiteres auf ihr Spiel eingegangen. Das Spiel der Eva. Innerhalb von sieben Tagen sollte ich sie finden. Heute ist der siebte Tag. Bedeutet das ich habe versagt? Und dennoch haben ihre Leute mich aufgesucht. Aber wieso? Vielleicht handelt es sich um eine Art Joker. Die rechte Hand der Eva, ist sie hier um mich zu prüfen? Sie will mich töten, denn sie denkt es ist mein Wunsch zu sterben. Habe ich etwas gesagt, dass sie dazu veranlasst so zu denken? Ich versuchte mich zu erinnern, als mir sofort dieser eine Satz in den Ohren hing. Ich habe von ihnen verlangt, dass sie mich sterben lassen sollen. Noch im selben Moment der Erkenntnis meiner unbedachten Wortwahl, bemerkte ich wie sich die Lippen der Fremden bewegten. Dieses Mal verstand ich die Worte klar und deutlich. „Beginn mit der Hinrichtung!" Einladend streckte sie ihre Arme in den Himmel und ihr schrilles begeistertes Lachen dröhnte in meinen Ohren. Aus ihrem Schatten heraus traten die Zwillinge und marschierten bedrohlich doch zugleich ohne jegliche Emotionen auf mich zu. Er hat sich erneut kopiert, schoss es mir durch den Kopf. Panisch krallte ich mich in den Maschendrahtzaun. Sie kommen immer näher und näher. Jetzt soll alles vorbei sein? Was habe ich bloß verbrochen, dass immer mir solche abgedrehten Sachen widerfahren? Was habe ich falsch gemacht? Und plötzlich hatte ich es kapiert. Wenn ich richtig liegen sollte und dies mein Joker ist, habe ich noch eine letzte Chance. Jetzt werde ich eine unwiderrufliche Entscheidung treffen. Dann gibt es kein zurück mehr. Ich werde mich diesen seltsamen Fremden verpflichten. Weil... Weil... Weil ich nicht sterben will! „Ich will leben!" Brüllte ich und kniff die Augen zusammen. Ein leichter Luftzug. Ich spürte wie Fingerspitzen meine Haare leicht berührten und die Hand meines einen Richters knapp vor mir stoppte. Kurz schien die Zeit still zu stehen, bevor er seinen nach mir ausgestreckten Arm wieder zurück zog. Sein Abbild verpuffte. Zögerlich öffnete ich meine Augen. Er trat zur Seite und gab meine Sicht auf die Frau frei. „Folge mir." Sagte sie ernst und wirkte auf einmal unwirklich erwachsen. Ohne Wiederworte wagte ich Schritt zu halten und beschritt den Pfad in ein völlig neues Leben.

Fortsetzung folgt...

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