Kapitel 19

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Eine paradiesische Stadt.

Osamu Dazai (Sicht)

Sie schläft. Der weiße dünne Stoff der Bettdecke wickelte sich wie ein seidenes Gewand um ihre feminine Silhouette, verdeckte ihre Weiblichkeit und entblößte ihr langes engelsgleiches Haare, wie ein Fächer um ihr hübsches Gesicht verteilt. Friedlich schlief sie in den Daunen, auf der Seite liegend, die Hände an ihrer Brust zusammengelegt, die schlanken Beine angewinkelt. Ein schlichtes Lächeln lag auf ihren leicht geöffneten Lippen. Ich könnte dieser Frau bis zum Ende meines Lebens bloß stillschweigend, einfach hinnehmend, dass sie mich vielleicht nie mehr ansehen würde, zuschauen und wäre dennoch erfüllt von Liebe, ihrer Liebe. Die Liebe meiner Frau, nicht irgendeiner x-beliebigen. Keine Frau der Welt könnte sie übertreffen, in allem was sie ausmacht. Keine Frau könnte die meine sein, so wie sie es ist. Keine Frau könnte ich an ihrer Stelle lieben. Wie sie nun dort vor mir lag, war sie mir wieder so nah wie zuvor. Bevor ich sie egoistischer Weise zurückgelassen habe. Ich habe sie verlassen. Die Erkenntnis traf mich wie eine ausholende, mit Klingen versetzte Eisenkette. Es schmerzte höllisch, aber nicht bloß körperlich. Der äußerliche Schmerz brannte sich durch meine Hülle, bohrte sich in mein Inneres hinein und schien mir mein Herz zerreißen zu wollen. Etwas Nasses, etwas Kühles spürte ich auf meiner Haut, in meinem Gesicht. Tränen, meine eigenen. Doch weinen konnte ich nicht, denn drei dunkle Gestalten erschienen zu meiner linken und verlangten nach meienr Aufmerksamkeit. Drei kleine Mädchen sitzen auf dem Geländer des Balkons und starren mich eindringlich an. Meine Tränen versiegeln promt und ich erhebe mich, stelle mich schützend an die Seite meiner Frau. Freidlich schläft sie im Paradies. „Wir haben uns gefragt, ob der Herr uns die Herrin wegnehmen will. Doch wir befinden seine Tränen für würdig. Der Herr soll erfahren, was wir gehört und gesehen haben. Damit er die Herrin auch beschützen kann." Abwechselnd sprachen die Mädchen und traten in das Licht des Mondes, das die Mamorplatten des Balkons erhellte. „Wir kennen das Geheimnis um Adam und Eva." Kicherte das albino Mädchen und meine Augen weiteten sich. „Woher...?!" Ich springe auf und die Mädchen weichen zurück. Wie können sie davon wissen? Ich selbst habe unzählige Male versucht mit Mori darüber zu sprechen, vergeblich. Nirgends ließ sich etwas über die Geschichte von Adam und Eva finden. Ich habe verzweifelt nach einer Lösung gesucht, die Amina nicht das Leben nehmen würde. Doch ich habe keinen Ausweg gefunden. Und Mori, sollte er doch die ganze Wahrheit kennen, frage ich mich immer wieder, für was auf der Welt würde er seine Tochter opfern wollen? „Wir werden es dir für eine gewisse Bezahlung verraten." Erklärte sie mir und klimperte unschuldig lächelnd mit ihren weißen Wimpern. „Eine Bezahlung? Welche Art der Bezahlung?" Verlangte ich zu erfahren und merkte wie weit ich in Wahrheit noch davon entfernt war von ihrem Paradies akzeptiert zu werden. Sie nennen mich Herr, weil ich ihre Herrin vögel und doch bringen sie gegenüber mir eine gewisse Skepsis hervor. Ich durfte eindringen, doch darf ich auch wieder hinausgehen, als freier Mann? „Die Hinrichtung der rechten Hand." Die Stimme des albino Mädchens riss mich aus meinen Gedanken und ich glaubte mich verhört zu haben. „Ihr verlangt den Tod von einer der euren? Wieso?"Ich konnte ihre Beweggründe beim besten Willen nicht vertsehen. Ich vermochte ihre Art zu Denken nicht zu begreifen. Ich muss zugeben, dass Amina mitlerweile ein anderes Leben genießt als zu meiner Zeit. Ich begehre dieses neue Leben ebenso wie sie, daran gibt es keinen Zweifel. Und dennoch sehe ich den Tod je länger wir das Paradies am leben lassen. Mich selbst verurteilend versuchte ich diese Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Wie kann ich diese Waisen verstoßen, die Kinder meiner geliebten Frau. Sie sind doch auch meine Kinder. „Akzeptiert oder Abgelehnt?" Sangen die Mädchen im Einklang und holten mich zurück in die Realität. Ich nickte. „Einverstanden." Ich wollte endlich erfahren, wie unsere Geschichte geschrieben ist. „Es existiert ein Buch, es ist ein Kinderbuch, in dem die Geschichte nach der du suchst niedergeschrieben wurde. Und wir haben es gefunden." Sie machte ine kurze Pause, bevor sie mir in jener Nacht alles erzählte was Mori all die Jahre vor uns verschwiegen hat. „In dieser Geschichte findet das Kind Eva die Fähigkeit „Book of Ability". Ein magisches Buch, der Nachlass eines verstorbenen Esper, dessen Einband ein Apfel ziert. Doch es ist ihr verboten, diese Fähigkeit anzuwenden. Letztendlich beschwört sie dennoch das Buch, welches sie umschmeichelt. Sie schließt mit dem Buch, alias die Schlange von Eden, einen Pakt. Von nun an heißt es, dass immer wenn eine Person das Buch benutzt, dessen Fähigkeiten als Austausch für einen Wunsch an Eva übertragen werden. Das Buch besteht aus leeren Seiten, die zwar auch heraus gerissen funktionieren, aber die bloß mit wenigen Worten beschrieben werden dürfen. Diese Worte werden zur Realität, wenn sie den Karma Regeln des Buches entsprechen. Jedoch ist das Buch die Verkörperung ihrer Fähigkeit. Sobald ihr rechtes Auge das Buch auffasst, nimmt sie dessen Platz ein. Folglich muss sie die Wünsche der Menschen erfüllen und die geschriebenen Zeilen werden schmerzlich in ihre Haut schneiden. Nach der Legende ist das Kind Adam der, der die Fähigkeit besitzt andere Fähigkeiten zu annullieren. Weil Eva selbst keinen Wunsch aussprechen kann, muss Adam den Wunsch der beiden Liebenden an Eva persönlich richten. Auch in der Geschichte taucht ein Tiger an Eva's Seite auf. Der Tiger ist ein Bildnis Gottes. Er soll Eva an den Garten Eden erinnern, wo diese majestätische Kreatur friedlich mit ihr gelebt hat. Jetzt auf der Erde sieht sie ihn in seiner unbändigen Natur, gewillt die Schlange zu töten. Er soll Eva's Wegweiser zum Buch sein. Denn sie muss dessen Platz einnehmen, damit Adam es endgültig vernichten kann." Nachdem sie geendet hat, fiel ich zurück auf das Bett, in dem meine Frau immer noch ruhig atmete. Jetzt verstehe ich, die Wahrheit über Amina's Fähigkeit. Sie hat ihre Tugend, die wahre Fähigkeit der Eva, nämlich die Freude am Leben zu geben, an die Schlange verkauft und somit sich selbst. Der Pakt hat sie verdorben und dennoch habe ich mich in sie verleibt, denn sie war bereits verflucht als Mori sie mit sich nahm. Nach dieser Erkenntnis nannte der Boss uns also Adam und Eva. Dies ist wahrhaftig ein Drama wie es im Buche steht. Plötzlich ertönte ein applaudierendes Klatschen hinter mir und Suzu trat aus dem Schatten der Zimmertür. Die drei Mädchen waren sofort verschwunden, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. „Ich bin gekommen um meine Verantwortung zu tragen." Ich vernahm ihre Stimme, doch blickte ich gen Boden. „Deine Sünden sind nicht für mich bestimmt." Meinte ich lediglich und faltete nachdenklich meine Hände. „Doch du sollst mein Henker sein." Sie hat recht, ich habe bereits zugestimmt ihre Todesstrafe zu vollziehen. Aber nicht ohne ihr letzte Worte zu gewähren. „Wie lautet deine Sicht der Anklage?" Ich hob den Blick uns musterte sie fragend. Mit einem leichten wehmütigen Lächeln auf den Lippen schaute sie hinaus in die Nacht. „Es ist schon eine Weile her. Bevor ich zum Paradies stieß, traf ich auf den Mann der sich Ogai Mori nennt. Er schenkte mir dieses Kinderbuch über Adam und Eva, um es verschwinden zu lassen. Mit der Zeit an ihrer Seite, begriff ich schließlich, dass die Geschichte real ist und auf meiner Herrin beruht. Ich habe es ihr jedoch nie erzählt. Das haben die drei Mädchen wohl herausgefunden. Und nun wollen sie mich für das Hintergehen der Herrin mit dem Tode bestrafen. Ich schätze, das ist nur natürlich." Ich wusste was sie meint. Auch für Kinder ist es selbstverständlich ihre Eltern beschützen zu wollen. Und deshlab glaube ich, dass auch Suzu nichts weiter wollte als ihre Herrin zu beschützen. Ich kann sie nicht hinrichten, es wäre nicht richtig. Diese eine Sünde soll ihr vergeben sein. „Ich will dich freisprechen." Kaum hatte ich gesprochen, regte sich Amina hinter mir und stemmte ihren müden Körper samt Decke in eine sitzende Position. Verschlafen rieb sie sich die Augen und blickte Suzu fragend an. „Hab ich was verpasst?" Wollte sie wissen und brachte Suzu mit ihrem Anblick zum Lächeln. „Verzeiht die Störung, die Mondfinsternis hat uns bald erreicht." Berichtete sie ihrer Herrin und sofort sprang Amina auf und lief hinaus auf den Balkon. Ihre intensiven Augen schauen in den wolkenlosen Nachthimmel, der immer mehr einer absoluten Finsternis glich. Sie stand dort in vollkommener Nacktheit und veranlasste ihre rechte Hand dazu, ihr ein glamouröses Gewandt über die Schultern zu legen. Schweigend wartete Amina, bis Suzu zur Seite wich. „Willst du es sehen, Liebling? Willst du sehen, wie sie leben?" Mit unendlicher Begeisterung fixierten mich ihre Augen und ich nickte, bereitwillig ihr in jeden Himmel und in jede Hölle zu folgen, ungeachtet der Konsequenzen.

Mit einem weißen Gewand bekleidet geleitet mich Amina durch ihren Garten, den Hügel hinter der Kirche hinauf, um von dort über die Stadt zu wachen. Als wir uns im Gras niederließen, ging hinter unserem Rücken die Sonne auf und ein neuer Tag begann. In der Ferne erblickte ich den steinernen Pfad zu ihrem Reich. So wie die ersten Strahlen den Horizont passierten, kehrten die Kinder ins Paradies zurück. Verblüfft beobachtete ich sie, denn auf einmal kam mir ihr Verhalten, der Umgang miteinander, vollkommen losgelöst vor. Jetzt wo sie wieder heimkehren, wirken sie ganz unbeschwert und friedlich. Yasu durchschritt als erster das Tor und wartete auf die Jünglinge. Mit einem sachten Grinsen nahm er Azara in den Schwitzkasten und lief weiter. Nach ihnen folgte Juuzo, der mit zufriedenem Gesichtsausdruck seinen Arm um Oana legte und sie sich an ihn lehnte. Momo griff nach Cia's Hand und holte zu ihnen auf, sie lachten. Während sie mit dem Revolver in der Hand die Arme über ihren Kopf streckte, trat auch Yuen über die Schwelle. Gefolgt von Shin, der aber stehen blieb und auf jemanden zu warten schien. Als ich glaubte Suzu würde als letzte nach Hause kommen, erkannte ich zwei weitere Gestalten an ihr vorbei gehen. Nicht so stolz wie die anderen, aber dennoch aufrechtem Gang. Die anderen stoppten in ihrer Bewegung und empfingen die neuen Kinder im Paradies. Atsushi traute sich als erster und wurde sogleich von Shin an die Hand genommen. Als er stolpernd zu den andern gezogen wurde, trat hinter ihm Akutagawa zum Vorschein. Wie immer trug er seine eiserne Maske, doch das ließ Azara und Juuzo nicht davon abhalten jeweils einen Arm um seine Schulter zu legen und ihm frech durch die Haare zu wuscheln. Es war ein unbeschreiblicher Moment. Und nachdem Suzu das schwere Eisentor geschlossen hat, blicken sie alle zu ihrer Herrin auf. Mit unendlicher Dankbarkeit und Liebe. Sie sind die nächste Generation in dieser paradiesischen Stadt.

Ende.

Bungou Stray Dogs - Adam und EvaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt