Kapitel 17

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Der Wal kehrt zurück in die Tiefe.

Azara Totoro (Sicht)

Suya hat uns aufgetragen ein Mädchen, das bald Mitglied der bewaffneten Detektive werden soll, aus den Händen der Fähigkeiten-Sondereinheit zu befreien und zurückzubringen. Sie befindet sich in einem unbemannten Militärflugzeug, oder auch Drohne genannt, weit über der Erde in über Tausend Meter Höhe. Total beschissene Aktion. „Hey Shin, meinst du echt, du schaffst es uns da rauf zu bringen?" Skeptisch schielte ich zu Shin, während ich mir die schwarze Atemmaske aufsetzte und Juuzo den zweiten Fallschirm zuwarf. „Klar schaff ich das, mit Leichtigkeit." Bestätigte Shin selbstbewusst und hockte sich auf den Asphalt. „Impuls-Manipulation!" Sagte er und aktivierte dadurch seine Fähigkeit. Shin ist mit seiner Fähigkeit, die ähnliche Qualität mit Chuya's Fähigkeit hat, Chuya mehr als gewachsen und bei einem Kampf sind sie gleich auf. „Dann demonstrier uns doch mal deine Kraft!" Mit einem wahnsinnigen Grinsen im Gesicht packte Juuzo nach Shin's Hand und ich tat es ihm gleich. „Vigour on." Kaum hatte er es ausgesprochen, bekam der Asphalt unter unseren Füßen riesige Risse. Der Stein zersplitterte unter dem Druck des Abstoßes, als wir gen Himmel preschten. Auf halber Höhe verfestigte er seinen Griff um unsere Handgelenke und katapultierte uns mit gewaltiger Kraft gezielt auf die Drohne zu, die wir tatsächlich heil erreichten. „Was ein Trip." Lachte Juuzo unter seiner Atemmaske und ich schüttelte genervt den Kopf. Kann der sich nicht einmal konzentrieren? Als wir in das Innere der Drohne eindrangen, befand sich darin bloß ein goldener Käfig inmitten der massiven Eisenketten, die das eiserne Gefängnis trugen. Das Mädchen saß mit gesenktem Kopf auf einer alten Matratze, in ein weißes Gewandt gehüllt. Obwohl sie unser Eindringen bemerkt hatte, reagierte sie nicht auf unsere Anwesenheit und ich nahm meine Maske ab. „Ich will nicht mehr." Flüsterte sie, als ich mich ihr näherte und Juuzo lachte auf. „Wie viele Menschen hast du schon getötet?" Fragte er sie und begutachtete die vielen Knöpfe und Schalter im Cockpit. „35." Antwortete sie reuevoll und ich konnte ein leichtes Grinsen in Juuzo's Gesicht erkennen. „Was sind schon 35 Menschen?" Meinte er gelassen, als würde es sich um eine Anzahl von Sammlerware handeln. Sie zuckte merklich zusammen. Wie kann man bloß so unsensibel sein? „Glaubst du tatsächlich, wer einmal gemordet hat, kann kein guter Mensch mehr werden? Das ist doch lächerlich!" Sagte Juuzo und wirkte plötzlich so wütend. „Du hast eben ein unverkennbares Talent als Mörderin. Das ist Potenzial. Aber es stimmt schon, eigentlich haben wir keinen Grund dich zu retten." Bei seinem letzten Satz wurde er auf einmal ungewohnt ruhig. Bevor er sie mit seiner irren Ader endgültig verschrecken würde, ergriff ich das Wort. „Was mein Partner damit sagen will, jeder hat seine Stärken und Schwächen. Jeder sucht nach dem Sinn des Lebens, nach dem richtigen Lebensweg. Doch niemand verrät einem die Antwort. Niemand kann alles wissen. Aber wir haben das Recht uns zu verlaufen, um wieder ins Licht zurück zu finden." Erklärte ich ihr, was uns einst von unserer Herrin beigebracht wurde. Denn auch wir waren früher von erbärmlichen und selbstmörderischen Gedanken geplagt. „Das gefällt mir gar nicht." Hörte ich Juuzo plötzlich sagen und warf einen Blick durch die Frontscheibe. Vor uns lag die Moby Dick. „Sie sinkt immer noch." Stellte ich fest und Juuzo nickte. „Da ist irgendwas schief gegangen." Bestätigte er meine Vermutung und er machte mir Platz, als ich mich zu ihm gesellte. „Willst du die Moby Dick kontaktieren?" Fragte mich Juuzo und ich nickte, bevor ich den Button neben dem Mikro drückte. „Spottdrossel an Moby Dick. Kann mich jemand hören?"

Ryunosuke Akutagawa (Sicht)

Mit voller Wucht schoss ihre Silhouette zwischen uns hindurch und schleuderte quer über den Rücken der Moby Dick. Sie war außerhalb des sicheren Schiffes, doch noch im selben Moment breitete sie ihre Flügel aus und stoppte auf gleicher Höhe wie Francis. „Book of Ability." Flüsterte sie düster und ein irres Grinsen zierte ihr hübsches Gesicht. Noch nie habe ich mit angesehen, wie Suya ihre wahre Fähigkeit gegen den Feind einsetzt. Entsetzt starrte ich ihr entgegen, als sich die Male der drei anderen Fähigkeiten auf ihrem Körper abzeichneten. Ihr rechtes Auge färbte sich pechschwarz und die blutrote Pupille darin blitzte gefährlich auf. Sie fixierte Francis mit ihrem Blick und dann passierte es. Er schaute in ihr rechtes Auge. Das war sein Todesurteil. „When the sinners spread their wings and time submits to them..." (Wenn die Sünder ihre Flügel ausbreiten und die Zeit sich ihnen unterwirft...) Sprach sie, als würde sie den Untergang der Welt herbei beschwören. Wir konnten uns nicht bewegen. Und auch Francis schien in seiner Haltung gefangen. Während die unheilvollen Worte über ihre Lippen kamen, landete sie leichtfüßig auf dem Deck der zerstörten Moby Dick und langsam fielen ihre Engelsflügel ins sich zusammen, um aus den glänzenden Federn eine Buchseite zu erschaffen. „... the wrong writing will pass over to the pages of the unknown book..." (...wird die falsche Schrift auf die Seiten des unbekannten Buches übergehen...) Magisch setzten sich die Federn zu Papier zusammen und sie schritt auf mich zu. Ohne mit der Wimper zu zucken, strich sie mit ihrem Finger an Rashomon entlang und schnitt sich in die Haut. Warmes Blut quoll heraus und sie schrieb etwas auf das Papier nieder. „...and a new reality reveals the ability of Eve." (...und eine neue Realität enthüllt die Fähigkeit von Eva.) Kaum hatte sie geendet, spielte die Zeit weiter und ich trat hinter sie. Mein Blick fiel auf die Buchseite in ihrer Hand. Nichts stand darauf geschrieben. Also ist es mir nicht möglich es zu sehen. „Sein Schicksal ist besiegelt." Ihre schwache Stimme drang an meine Ohren, als plötzlich ihr erschöpfter Körper in meine Arme kippte und ich mit ihr zu Boden sank. Sie hat recht, sein Kapital ist aufgebraucht, es steht auf dem absoluten Nullstand. „Jetzt!" Rief ich dem Menschentiger zu und verfestigte seinen Körper mit Rashomon. Sofort preschte er auf Francis zu und setzte zum finalen Schlag an. Es ist endgültig vorbei. Die Fähigkeiten prallen aufeinander und eine gewaltige Explosion aus strahlend weißem Licht blendet das Land zu unseren Füßen. Um uns herum teilen sich die düstere Wolken unter der mächtigen Druckwelle. Und der warme Schein der untergehenden Sonne bricht vereinzelnd durch die Wolkendecke. Die bunten Schleier der Fähigkeiten lösen sich auf und ihr magischer Staub wirbelt mit dem aufkommenden Wind davon. Der ganze Himmel beginnt zu glitzern, ein seltsames Schauspiel am Ende eines Krieges. Francis steht am Rande der Moby Dick und streckt mit sehsüchtigem Blick seine Hand nach Eva aus, als würde er seine Frau in ihr erkennen. Dann stürzt er in den Abgrund. Als ich meine Sicht auf Suya richtete, flatterte die Buchseite in ihrer Hand und ich blickte aufmerksam auf die nun sichtbare Schrift. Francis Scott Key Fitzgerald wird bei Sonnenuntergang sein ganzes Kapital ausgeben und Selbstmord begehen, indem er die Mordlust eines Tigers und eines Jagdhundes auf sich zieht. Als er dem Tod entgegenblickt, sieht er ein letztes Mal das Angesicht seiner geliebten Frau, bevor er von dem fliegenden Wal ins Meer fällt. Sie setzte sich auf. Dann zerfiel auch das Papier zu Staub und die Male auf ihrer Haut verblassten. „Dazai hat dich schon längst akzeptiert." Sie lächelte mich ehrlich an und meine Augen weiteten sich, ohne das ich mich dagegen wehren konnte. Doch eine nervtötende Stimme riss mich aus der Situation. „Verdammt!" Hörte ich den Menschentiger fluchen, der sich gerade aufrichtete. „Wir befinden uns immer noch im Sinkflug." Stellte Suya fest und erhob sich. Ich realisierte erst jetzt, dass wir immer noch auf die Stadt zusteuerten. Noch drei Minuten bis zum Einschlag. „Wir müssen es aufhalten!" Rief der Menschentiger und rannte zum vorderen Ende der Moby Dick. Widerwillig folgte ich ihm. Suya blieb zurück. Im Cockpit angekommen vernahm ich eine mir sehr bekannte Stimme. „Spottdrossel an Moby Dick. Kann uns jemand hören? Spottdrossel an..." Ich drückte auf den Button am Mikro. „Wir hören euch." Antwortete ich und auf einmal herrschte Stille, bevor ein erfreuter Ausruf folgte. „Akutagawa?!" Brüllte mir Azara entgegen und ich glaubte mir würde mein Trommelfell platzen. „Hey Ryu-chan, haste wieder übertrieben und das Schiff zum Sinken gebracht?" Ein dreckiges Lachen dröhnte durch das Mikro und meine Augenbraue fing verdächtig an zu zucken. „Schnauze Juuzo!" Zischte ich genervt. Wie konnte ich bloß jemals mit diesen beiden Verrückten zusammenarbeiten? Jetzt werde ich das nie wieder los. „Irgendjemand von außen ist eingedrungen und hat die Kontrolle übernommen." Erklärte ich die Situation und versuchte ruhig zu blieben. „Lass dir was einfallen, Genie." Forderte ich Azara genervt auf und der Angesprochene übernahm wieder das Gespräch. „Es gibt da schon einen Ausweg. Aber der wird deinem Partner nicht gefallen." Wütend schlug ich auf das Steuerpult. „Er ist nicht mein Partner!" Versuchte ich Azara deutlich zu machen, dass mich der Menschentiger einen Dreck interessiert. Doch dieser ignorierte mich gekonnt. „Die Moby Dick wird herunterkommen, aber mit genügend Kraft von oben, können wir es so steuern, dass es vor der Stadt passiert. Mit dieser Drohne hier." Erklärte er sein Vorhaben und ich nickte verstehend, während ich das Militärflugzeug direkt vor uns musterte. „Wo seid ihr gerade?" Fragte ich, obwohl ich die Antwort eigentlich schon wusste. „An Bord der Drohne." Meinte Azara, als sei es das normalste auf der Welt. Eine Weile blieb es still, bis er sich an den Menschentiger wandte. „Hey Menschentiger, hier ist jemand der sich von dir verabschieden will." Sagte Azara und eine Mädchenstimme war zu hören. „Heute habe ich es verstanden, dass ich entscheiden kann. Wenn ich mein Leben opfere und alle rette, dann bestehe ich die Aufnahmeprüfung und werde ein echter Detektiv." Sie klang unerwartet erleichtert und entschlossen. „Kyoka? Ihr müsst sofort von dort verschwinden!" Schrie der Menschentiger verzweifelt in das Mirko. „Das wird nicht gehen." Sagte Azara neutral und versuchte ihm die Situation schonend beizubringen „Wieso?!" Verlangte der Menschentiger zu erfahren und starrte entsetzt auf die Maschine vor uns, die langsam an Höhe gewann und sich zum Sturzflug positionierte. „Ich bin angekettet und kann mich nicht befreien. Und es gibt nur zwei Fallschirme an Bord." Flüsterte Kyoka. Panisch schnappte der Menschentiger nach Luft. Bis ein irres Lachen auf der anderen Seite zu hören war. „Wir werden fallen, so oder so." Lachte Juuzo im Hintergrund und man konnte förmlich hören, wie Azara sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. „Gib mich auf." Hauchte Kyoka und seine Augen weiteten sich erschrocken. „Das kann ich nicht!" Jammerte der Menschentiger bemitleidenswert und ich schüttelte den Kopf. Für sowas haben wir keine Zeit. Suya wartet mit den Fallschirmen auf dem Rücken der Moby Dick. Grob packte ich ihn am Kragen und zerrte ihn aus dem Cockpit. Als wir mit unseren Fallschirmen von der sinkenden Moby Dick sprangen und die Drohne vor unseren Augen im Bug der Moby Dick einschlug, versank diese in den Tiefen des Meeres. Suya beobachtete das Schauspiel ohne eine einzige Emotion zu zeigen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie die beiden einfach so sterben lassen würde. Wahrscheinlich war die ganze Nummer von Anfang an geplant gewesen.

Fortsetzung folgt...

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