Vertrauen - Spuren im Schnee

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"Part of me always believed that you'd come back."
Dean zu Castiel


Spätnachmittag vor dem Dezember-Neumond. Dean hatte es im Bunker nicht mehr ausgehalten. Er musste allein sein. Es war wie vor einem Monat, bloß kälter. Kein Sam, der ihm gutzuzureden versuchte. Niemand da, vor dem er so tun musste, als wäre er stark, als hätte er keine Angst. Er war allein mit der Stille des Waldes. Niemand zwang ihn, die Fassade weiter aufrecht zu erhalten. Er tat es trotzdem. Macht der Gewohnheit. Rechtfertigen musste er sich schließlich immer noch vor sich selbst.

Nur bei Castiel war sein Schutzpanzer aus Sarkasmus und scheinbarer Abgeklärtheit gebröckelt, denn was hätte er ihm auch genützt, Cas hatte einfach durch seine Maske hindurchgeschaut. Bei ihm hatte er sich sicher gefühlt, er hatte ihm vertraut. Bei ihm hatte er nicht stark sein müssen. Für ihn hatte er kein Held sein müssen. Paradox. Und doch war Dean um so vieles stärker gewesen, wenn Castiel bei ihm gewesen war. Der Engel sah ihn wie er wirklich war, er kannte seine dunkelsten Seiten, und Dean konnte nicht verstehen, wieso er trotzdem geblieben war.

Bis jetzt. Castiel war nicht zurückgekehrt. Alles hatte sich geändert. Vertraute er dem Engel noch immer? Nach allem was dieser getan hatte? Die Antwort lautete Ja. So irrational es auch war. Denn Castiel hatte sich nur das genommen, was bereits ihm gehört hatte. Tief in seinem Inneren wusste Dean das. Vielleicht war es schon immer so gewesen.

Dean sah hinauf zum Himmel. Der erste Schnee. Wie Wünsche, die vom Himmel fielen. Sie tanzten im Licht und legten sich wie ein tröstender Mantel auf Bäume und Sträucher, auf dass ihre Äste nicht länger kahl blieben. Es wäre so einfach, nicht an Wunder zu glauben. Aber wann war es jemals einfach?

Dean erinnerte sich noch gut an die Nächte, in denen kein Geld für ein Motelzimmer da gewesen war. Sams kleiner Körper war auf der Rückbank des Impalas viel schneller ausgekühlt als sein eigener. In der Hoffnung ihn wärmen zu können, hatte er das zitternde Kind an seine Brust gepresst. Während sich andere Kinder einen Gameboy oder ein Kettcar gewünscht hatten, war es sein größter Wunsch gewesen, dass sein kleiner Bruder nicht erfror, dass Sammy noch da sein würde, wenn er aufwachte.

Tief sog Dean die schneidend kalte Luft in seine Lungen. Das Waldgebiet um den Bunker hatte ein neues Gesicht, vertraut und fremd zugleich. Alles wirkte so friedlich hier draußen. Doch wo andere die Welt wie von Puderzucker überzogen, ein Winterwunderland und Eisblumen an Fensterscheiben sahen, sah er Sammys blaue Lippen. Nie hatte er sich erlauben können, an Wunder zu glauben.

Und dann fühlte er die Präsenz des anderen. Dean konnte nicht sagen, woher genau er es wusste. Er konnte es einfach fühlen. Als ob sie zwei Dinge waren, die zueinander gehörten, mit einer Verbindung, die so stark war, dass sie weltliche Regeln missachtete. Nach Wochen der Trennung war die Verknüpfung nur noch sensibler geworden. Sicherlich würde es sie beide zerstören, irgendwann.
Das vertraute Flügelrauschen. Sofort fühlte er sich sicher. Es war nicht mehr absurd.

Der Traum war bereits zwei Wochen her. Vielleicht hatte Castiel nicht den Mut gehabt, Dean im realen Leben unter die Augen zu treten. Oder vielleicht hatte er Dean seine Anwesenheit nicht zumuten wollen. Oder vielleicht hatte er sich nur von ihm verabschieden wollen und hätte es nicht gekonnt, wenn er tatsächlich bei ihm gewesen wäre. Sie wussten es beide nicht.
Wieso war er nun hier?

Castiel stand vor ihm und alles, was in dem Gespräch mit Sam so klar gewesen war, zersprang wie dünnes Glas bei dem Ton des Zweifels. Er hatte Cas immer nur halten, aber nie näher an sich heranbringen können. Und jetzt konnte er nicht einmal mehr das. Nun hatte er Cas gefunden und seinen besten Freund verloren.

Cursed or not (Destiel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt