"I prayed to you, Cas! Every night!"
Dean zu Castiel 8x02
Gern hätte er Dean ausgefragt, es brannte ihm förmlich unter den Nägeln. Aber Sam kannte seinen Bruder. Egal wie viele Fragen er auch stellen würde, er würde keine Antworten erhalten. Also fragte er nicht. Waren die beiden jetzt ein Paar? Das klang weit weniger seltsam als er angenommen hatte. Auf ihre Weise waren sie es vielleicht schon immer gewesen. Doch sie hatten traurig ausgesehen, wenn sie gedacht hatten, der jeweils andere würde nicht hinschauen. Denn es war nie Freundschaft gewesen, auch wenn sie es sich so verzweifelt einzureden versucht hatten. Womöglich hatten sie jetzt endlich damit aufgehört. Sam wünschte so sehr, es würde gut ausgehen. Aber wann hatte es für sie jemals ein gutes Ende genommen? Ihm blieb nur zu hoffen, dass es diesmal anders war. Ja, vielleicht war es das.
Ein Monat verging. Ein Monat voller suchender Hände, flüchtiger Berührungen und ungestillter Sehnsucht. Ihnen blieb kaum Zeit zum Durchatmen. Castiels Artgenossen machten ihnen das Leben nicht leicht. Der Engel hielt sich kaum noch in ihrer Nähe auf, war ständig fort. Auf Sams Frage, wie es ihm denn damit ginge, antwortete Dean nur knapp: „Er ist nicht wirklich weg."
Das Brandmal in Form eines Handabdrucks war auf Deans Schulter zurückgekehrt. Und eine tiefe Narbe zierte Castiels Halsbeuge, die augenscheinlich von einer Bisswunde stammte. Der Engel musste verhindert haben, dass sie vollständig abheilte. Sie versteckten das Zeichen des anderen nicht, sondern trugen es offen und mit Stolz, auf dass ein jeder sehen konnte zu wem sie gehörten.
Der nächste Neumond kam. Ohne Castiel. Die Sonne war bereits untergegangen. Sie hatte weichen müssen für abertausende von Sternen, die nun die Dunkelheit des Firmaments durchbrachen. Ihr fahler Schein fiel auf die Brüder herab und tauchte die Lichtung des sonst so dichten Waldes in kühle Farblosigkeit. Es war wirklich wahr, Blut sah im Sternenlicht schwarz aus.
Sie waren auf die Jagt gegangen. Das würde ihn beruhigen, hatte Dean gesagt. Tatenloses Warten auf das Nicht-Vorhanden-Sein des schicksalhaften Himmelskörpers hätte er nicht noch einmal durchgestanden. Doch es war nicht so gelaufen wie geplant und die Nacht war hereingebrochen, schneller als sie es für möglich gehalten hatten. Dem abendlichen Rot folgte die Dämmerung der blauen Stunde und der Dämmerung folgte die Schwärze der Nacht. Und Castiel war nicht da.
„Er wartet sicher zuhause auf uns", sagte Dean mehr zu sich selbst. Und so fuhren sie heimwärts, schneller als gewöhnlich. Finstere Wälder und dunkle Häuser mit schlafenden Menschen darin zogen an ihnen vorüber, fernab der Lichter der Stadt. Zuhause, nie hatten sie zu hoffen gewagt, dass sie einen Ort je so nennen würden.
„Womöglich hat er es nur vergessen?" Der Engel war auch am Bunker nicht anzutreffen gewesen und Dean wirkte zunehmend beunruhigt. Sam versuchte mit Zuversicht zu überspielen, dass es ihm ebenso erging. Unauffällig betrachtete er seinen Bruder. Er sah furchtbar aus. Dean hatte sich von ihm nicht die Wunden verbinden lassen, obwohl der Rugaru ihn schlimm zugerichtet hatte, sondern war sogar ein paar Schritte vor seinen Berührungen zurückgewichen.
„Das vergisst er nicht!" Dean presste das Telefon fester an sein Ohr, als könnte er es so dazu bewegen ihm etwas anderes mitzuteilen. »Der gewünschte Gesprächspartner ist zurzeit nicht erreichbar, bitte rufen Sie später wieder an«, drang erneut die Stimme blechern in sein Gehör als wollte sie ihn verhöhnen. Jeder seiner Anrufversuche war gescheitert. „Sam, irgendwas stimmt da nicht..."
21 Uhr. „Es reicht!" Dean sprang auf, nachdem er mit unruhig wippenden Beinen eine gute Stunde auf die Wanduhr im Sitzungssaal gestarrt hatte, und griff sich seine Autoschlüssel. Er würde jetzt aufbrechen und Cas suchen. „Er ist in Schwierigkeiten! Wo auch immer er ist, wir müssen ihn da rausholen!"
Sein Bruder jedoch hielt ihn zurück. „In deinem Zustand bist du für niemanden eine Hilfe."
Mal abgesehen davon, war eine Suche sinnlos. Wo sollten sie anfangen? Selbst das Orten von Castiels Mobiltelefon war fehlgeschlagen.
„Sam..." Fahrig fuhr der Ältere sich durch die Haare. Es war deutlich zu merken, wie sehr seine Konzentration bereits gelitten hatte. Jede noch vorhandene Ressource musste er dafür aufbringen, nicht die Beherrschung zu verlieren.
„Dean!" Der Größere hatte ihn an den Oberarmen gepackt und sah ihn eindringlich an. „Uns bleibt nicht genug Zeit!" Ein leerer Ausdruck war in die grünen Augen getreten. Sam war sich nicht sicher, ob sein Gegenüber seine Worte überhaupt verstanden hatte. Als er ihn losließ, taumelte Dean rückwärts und wandte sich von ihm ab.
22 Uhr. Dean ging es zunehmend schlechter. Der Fluch rauschte durch seine Adern und brüllte immer lauter seine Forderungen in den Geist des Jägers. Wie gern hätte er sich jetzt mit etwas Hochprozentigem betäubt, aber er wusste, Alkohol machte es nur noch schlimmer. Ruhelos lief er umher, in dem ständigen Versuch das Zittern seiner Hände vor Sam zu verbergen. Erfolglos.
„Vielleicht sollten wir fahren und dir jemanden suchen", schlug dieser vorsichtig vor. Schon eine Weile hielt Dean auffallend viel Abstand zu ihm.
Die zu Fäusten geballten Hände auf die Tischplatte gestützt, stand Dean gebeugt da, versuchte seine Atmung zu kontrollieren. Er konnte nicht mehr klar denken. „Nein, er wird kommen!"
22:30 Uhr. In einer entschlossenen Bewegung zog Dean seine Pistole aus dem Gürtel. Das glatte Metall fühlte sich kühl in seinen Fingern an, sie lag schwer in der Hand. Sein Bruder sah ihn nur an, würdigte die Schusswaffe keines Blickes, sah ihm nur in die Augen. Dann schob er sie zu Sam herüber. Irritation prägte nun dessen Blick. Es folgte der Dolch aus seinem Hosenbein und zuletzt sein Taschenmesser.
„Ich sollte jetzt keine Waffen tragen, du dahingegen schon." Die Ansammlung tödlicher Gegenstände auf dem Tisch glänzte schwach im diffusen Licht des Bunkers. Der Jäger fühlte sich nackt ohne sie.
Doch sein Bruder lehnte kopfschüttelnd ab. „Ich denke nicht, dass das nötig ist, Dean."
„Doch, Sammy, das ist es."
23 Uhr. „Dean, was hast du vor?" Ihre Schritte hallten in den leeren Gängen wider. Dean hatte seinen jüngeren Bruder in einen Teil des Bunkers geführt, den sie nur selten nutzen. Die Kratzer an den kahlen Mauern zeugten von einstigen Begebenheiten der unangenehmen Art. Ein mulmiges Gefühl hatte sich in Sams Magengegend ausgebreitet. Ihm gefiel das hier nicht.
Ganz hinten angekommen, betrat Dean das Verließ, den am meisten gesichertsten Raum im gesamten Gebäude. Als Sam ihm zögernd folgen wollte, Anstalten machte zu ihm zu gehen, schüttelte der Ältere nur angestrengt den Kopf und brachte dann hervor: „Schließ die Tür hinter mir ab und öffne sie nicht, ganz gleich was passiert."
„Dean..."
„Du darfst sie nicht öffnen, egal was passiert, egal was ich sage, egal was du hörst. Bis Cas da ist. Hast du verstanden?" Kaum konnte er die Verzweiflung, die aus seinen eindringlichen Worten sprach, verbergen.
Sam schwieg, waren sie sich doch beide im Klaren, dass diese Maßnahme erforderlich war. Er suchte Deans Blick und zuckte als die schwere Eisentür mit einem Knall ins Schloss fiel. Den Gedanken, dass er nicht wusste, ob er seinen Bruder lebend wiedersehen würde, verbot er sich, als er die massiven Riegel vorschob und das Rad herumdrehte bis er ein mechanisch klickendes Geräusch hörte. Betäubt blickte er auf die Barriere, die ihn nun von Dean trennte, abschirmte, schützte, vor seinem eigenen Bruder schützte. Alles was ihm blieb war diese eine letzte Hoffnung.
Hi, Cas. Hier ist... hier ist Sam. Ich weiß nicht, ob du mich hören kannst, aber es geht um Dean. Es ist Neumond, falls du das verdammt nochmal nicht wusstest! Und der Fluch, er... Dean hat sich von mir einschließen lassen... Du musst ihm helfen. Du musst hierherkommen. Du musst mich hören! Ich flehe dich an, hilf mir! Hilf ihm. Bitte...
24 Uhr. Mitternacht. Die Hälfte ihrer Zeit war bereits verstrichen. Angespannt ging Sam vor der Tür auf und ab. Dean musste vor Sonnenaufgang mit jemandem geschlafen haben. Was wenn Castiel nicht mehr auftauchten würde? Was blieb dann noch? Er würde seinen Bruder nicht sterben lassen. Er gab sich noch drei Stunden, dann würde er handeln. Dann würde er da rein gehen, zu Dean.
Schon bald hatte Dean jegliches Zeitgefühl verloren. Es war kalt und dunkel, das Licht hatte er nicht eingeschaltet. Manche Dinge mussten in der Dunkelheit bleiben. So schlimm war es noch nie gewesen. In ihm brodelte der Fluch wie glühend heißes Magma, das seinen Verstand von innen heraus verbrannte. Jede Sekunde war ein Ringen um Kontrolle. Er versuchte standhaft zu bleiben, er versuchte es, aber er wusste, er konnte das Ausbrechen nicht verhindern. Er würde den Kampf verlieren, so wie er gegen das Kainsmal verloren hatte.
„Du kannst die Tür aufmachen, Sam, mir geht es wieder gut", hörte er sich selbst sagen und wusste im selben Moment, dass nicht er selbst es war, der da sprach.
Wenn er sich nicht derart sicher gewesen wäre, dass der Engel in Schwierigkeiten war, wäre ein Teil von ihm froh gewesen, dass dieser jetzt nicht hier bei ihm war. Der weitaus größere Teil von ihm jedoch wünschte sich immer, dass Cas da war. Immer.
Zu jeder Frau war seine Beziehung oberflächlich gewesen. Bis auf Lisa. Sie war seine Ausnahme gewesen. Sein Jahr, in dem er so getan hatte, als könne er all das einfach hinter sich lassen. In dem er sich letztendlich selbst verleugnet hatte. In dem er sich und Lisa etwas vorgemacht hatte. Denn es war nicht Lisa gewesen, die ihn dort gehalten hatte, und auch nicht das Versprechen an seinen Bruder. Es war Ben gewesen. Tief in seinem Inneren hatte er gehofft, hatte er geglaubt, dass der Junge sein Sohn war. Und er hoffte es noch. Obwohl er Sam verboten hatte auch nur ihre Namen in den Mund zu nehmen, wollte er sie erhalten, diese kleine Hoffnung, dass er zumindest etwas Gutes auf dieser Welt hinterlassen würde, wenn er eines Tages ging.
Dean wusste nicht, wieso ihm all das ausgerechnet jetzt in den Sinn kam, in einem dunklen Verließ, den Tod bereits grüßend wie einen alten Freund, mit einem letzten Rest Hoffnung auf Erlösung in seinem Herzen. Cas, war das einzige, das er denken konnte, als die Schmerzen einsetzten.
Irgendwann im Laufe dieser Nacht fasste Dean sich krümmend und am Boden liegend einen Entschluss. Er würde nicht aufgeben. Er durfte der Erlösung versprechenden leeren Schwärze hinter seinen Lidern nicht nachgeben. Er musste durchhalten, nur noch eine Stunde, und dann noch eine, und dann noch eine. Denn er wollte Castiel noch einmal sehen, nur noch einmal ...
2:30 Uhr nachts. Ein tosendes Gewitter wütete am Nachthimmel. Wolken jagten getrieben vom Wind über das Firmament. Kein Stern war mehr zu sehen. Ihr spärliches Licht war abgelöst worden von grellen Blitzen, die bis hinunter zur Erde zuckten, gefolgt vom Grollen des Donners. Doch in die Tiefen des Bunkers drang kein Geräusch. Nichts von alledem registrierten Sams angespannte Sinne. Die Wand kalt in seinem Rücken und das beständige Ticken der Armbanduhr waren alles, was ihm geblieben war. Seine alleinigen Begleiter. Er starrte auf die gegenüberliegende Mauer, eisenverkleidet. Die Schreie hatten aufgehört.
Ein Flügelrauschen. Erschrocken fuhr Sam zusammen und sprang auf. Wie hatte der Engel die Schutzzauber überwunden? Der Bunker war gegen alles Übernatürliche gesichert, auch und vor allem gegen Soldaten des Himmels. Langsam ließ der Jäger die Engelsklinge sinken. Castiel. Er war hier. Erst kam die Erleichterung, dann die Wut. Binnen Sekunden löste das eine Gefühl das andere ab. Doch der Engel ließ ihn nicht zu Wort kommen.
„Frag nicht. Wo ist er?" Schweigend deutete Sam auf die schwere Eisentür. „Ich verstehe." Castiel wusste, was das bedeutete, was geschehen war und was geschehen würde. „Geh jetzt, Sam." Dieser nickte nur erschöpft und entfernte sich. Seine Schritte hallten allein in den leeren Gängen wider. Als er fort war, atmete der Engel tief durch, obwohl er das im Grunde gar nicht musste. Atmen. Aber es half ihm, zumindest redete er sich das ein, in dem zwecklosen Versuch sich auf das vorzubereiten, was ihn dort drinnen erwarten würde.
Die Tür knarrte laut und überdeutlich in die Stille hinein, als Castiel sie aufstemmte. Es brauchte eine Weile bis sich seine Augen an die Finsternis in dem fensterlosen Raum gewöhnt hatten. Er hatte kein Licht gemacht. Die Jäger hatten das Verließ mangels Nutzung offenbar als Lagerraum zweckentfremdet. Auf hölzernen Regalen türmten sich Akten und allerlei anderes zum Teil bis an die Decke. Ein Geflecht aus schmalen Gängen, das die Umgebung uneinsehbar machte.
„Dean, ich bin hier", gab er sich preis. Doch keine Reaktion. Nichts war zu hören. Achtsam setzte der Engel seinen Weg fort. Er konnte spürten, dass der Jäger da war. Wie ein unsichtbarer Nebel erfüllte seine Anwesenheit den Raum, schemenhaft und nicht zu greifen. Mit einem Mal blieb Castiel abrupt stehen und wandte sich allmählich um.
Eine dunkle Gestalt kauerte am Boden, richtete sich dann langsam und geräuschlos auf wie ein Raubtier, das seine Beute erblickt hatte, und trat aus dem Schatten. „Cas", die raue dunkle Stimme drang an sein Ohr, leise aber unüberhörbar. Lauf weg, schrie jede Faser seiner Hülle. Er erschrak, nicht vor Dean, sondern vor der Erkenntnis, dass sein Körper Dean als Bedrohung wahrnahm. Aber Castiel würde nicht gehen.
"So I went to an old friend to help. But watching him, I stopped.
Everything he sacrificed... and I was about to ask him for more."
Castiel zu Gott 6x20
SPN-Zitate zum Kapitel:
"You're hoping Castiel will return to you. I admire your loyalty. I only wish he felt the same way." Naomi zu Dean 8x19
"I wish circumstances were different. Much of the time I'd rather be here." Castiel zu Dean 6x10
"Nobody wants him here more than I do." Dean über Castiel
Sam: "Cas may not come back willingly. I mean, he chose it." Dean: "No. No, not possible." S11
"And now you're gonna bring him back, okay? You're gonna bring back Cas." Dean betend zu Gott 13x01
"I'm not leaving here without you." Dean zu Castiel 8x02
"Part of me always believed that you'd come back." Dean zu Castiel
"Cas... Cas, I don't know what the hell is wrong with you, but if you're in there... Cas, fight this! This is not you, fight it! Cas, this isn't you, this isn't you..." Dean zu Castiel 8x17
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Cursed or not (Destiel)
FanfictionDean wird mit dem Fluch belegt, jeden Monat mit jemandem schlafen zu müssen. Tut er das nicht, stirbt er. Eigentlich kein Problem für einen Dean Winchester, bis er etwas tut mit dem er nicht leben kann. Castiel greift zu einer verzweifelten Maßnahme...