Kapitel 14

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Aber er rückt noch näher zu mir, sodass ich ihn seitlich umarmen kann. Stumm lässt er es zu. Er lässt es auch zu, dass ich mich hinlege und meinen Kopf auf seinem Oberschenkel ruhen lasse. Die Decke liegt über mir und wärmt mich noch ein wenig. Es tut gut. Die Ruhe tut gut. Die Anwesenheit von jemandem, der weiß was er tut, tut gut. Ich konnte sie nicht retten. Ich konnte die Mutter von Chloe nicht retten. Ich habe Erwin wieder in ein Loch gestoßen. Wie damals bei Mama und Papa. An Mama's Tod war ich schuld. Und bei Papa... an seinem Tod habe ich auch irgendwie Schuld. Schließlich war ich so neugierig wegen seinen Thesen, dass ich andere darüber ausgefragt habe.

"Wie sind eure Eltern gestorben? Ich weiß, dass sie am gleichen Tag gestorben sind, ein paar Jahre auseinander." meint Levi plötzlich und ich erstarre. Meine Gedanken rasen. Doch ich schlucke und sehe weiter nach vorn. "Am Tod unsere Mama bin ich Schuld. Sie ist bei bei meiner Geburt gestorben. Und an Papa's hab ich auch schuld. Er hat einige Dinge vermutet und mit uns darüber geredet, weil wir neugierig waren. Und ich musste es unbedingt weitersagen... Sie haben ihn gefoltert und dann getöteterweise in einem anderen Stadtteil zurückgelassen..."

"Warte... Eure Eltern sind beide an deinem Geburtstag gestorben?" fragt er plötzlich und ich nicke. Er verstummt komplett und legt eine Hand auf meine Schulter. "Warst du deswegen so durch den Wind?" Dass er sanft sein kann, dass wusste ich schon, als Chloe das erste mal hier war. Aber dass er das auch gegenüber anderen erwachsenen kann, wusste ich nicht. "Ich konnte ab dahin nicht einmal wegen ihnen weinen. Nicht einmal die Trauer zeigen, die ich in mir habe." Ich drehe mich auf den Rücken und sehe den schwarzhaarigen an. "Findest du, das macht mich zu einem Arsch?"

Levi runzelt die Stirn und seufzt. "Das macht es ganz sicher nicht. Ansonsten gäbe es viel mehr Ärsche als mich da draussen." meint er und ich klatsche ihm ganz leicht gegen die Wange, sodass er mich verdutzt ansieht. Ich hingegen bin etwas wütend. Oder Empört. "Du bist kein Arsch! Würde sich ein Arsch um jemand wie mich kümmern? Um jemanden, der ein Kind zum Waisen gemacht hat? Der sich in einen kalten Fluss gesetzt hat? Der-" Er legt mir eine Hand auf den Mund. "Ich kümmere mich auf jedenfall nicht um jemanden, der die ganze Zeit Scheiße redet!" brummt er.

Ich nehme seine Hand und halte sie hoch. Wie eine Puppe lässt er alles mit sich machen. Und wie ein Kind fahre ich seine Handlinien nach oder vergleiche meine Handgröße mit seiner. "Du bist viel Levi. Aber kein Arsch. Du bist mutig, setzt dich für andere ein und kannst auch nett sein, wenn du es willst." Ich halte seine Hand in meinen und sehe zu ihm hoch. "Das sind keine Eigenschafte, die ich einem Arsch zurechnen würde." Seine grauen Augen blitzen kurz auf, bevor er seine Hand aus meinen herausnimmt und sich durch seine Haare fährt. "Du siehst nur das, was du sehen willst, oder?"

Ich runzle die Stirn. "Wieso?" Er legt den Kopf schief und sieht auf mich hinunter. "Ich lasse die Soldaten extra-runden laufen, wenn mir etwas nicht gefällt." meint er und ich denke kurz nach. "Du steigerst ihre Kondition, damit sie im richtigen Kampf besser aushalten und ihr leben retten können!" erwiedere ich und er stutzt kurz, bevor er einen genervten Ausdruck bekommt. "Ich lasse die Leute putzen, wenn sie mich nerven!" Ich hebe einen Finger. "Du sparst das Geld für eine Putzfrau!" "Ich brülle sie an, damit sie sich schneller bewegen!" Ich grinse. "Du motivierst sie!"

Genervt stöhnt er auf und legt sich beide Hände auf sein Gesicht. "Hast du für alles eine erklärung, die sich auch noch plausibel anhört?!" knurrt er und ich überlege. "Für fast alles!" erwiedere ich nickend und Levi lässt seine Hände sinken. "Lass mich niemals mit dir in einen Streit geraten, in dem es um Diplomatie geht. Ich wäre sowas von am verlieren." brummt er und ich fange an zu kichern. "Irgendwas muss ich doch gut können und mit meinem Bruder gleich haben!" sage ich und er verdreht die Augen. "Sollte ich je daran gezweifelt haben, dass ihr beide Geschwister seid: Ich revidiere meine Entscheidung!"

Ich strecke ihm die Zunge raus und bekomme das, was ich bei ihm eigentlich noch nie wirklich gesehen habe. Ein lächeln! Es ist zwar nicht so ausgeprägt, wie es bei einem normalen Menschen der Fall wäre... Aber ein Anfang! "Das sieht gut aus!" sage ich und sofort verschwindet das lächeln. "Was sieht gut aus?" fragt er nach und ich setze mich auf. Dann knie ich mich seitlich zu ihm hin, nehme seinen Kopf, drehe ihn zu mir und bringe seine Mundwinkel mit meinen beiden Zeigefingern nach oben. "DAS sieht gut aus!" sage ich und lächle ihn ebenfalls an.

Er sieht auf die Seite und nimmt meine Hände runter. "Lass es Sera. Das letzte mal, als ich jemanden angelächelt habe, ist er gestorben." Ich brauche einen moment, um es mit der Geschichte auf der Lichtung von heute zu verknüpfen. "Ach komm." sage ich und hebe meine Hände wieder an sein Gesicht. Ein amüsiertes grinsen auf meinen Lippen. "Als ob ich so schnell verrecke! Es gibt einen Spruch, der passt verdammt gut auf mich." Ich lege den Kopf schief und sehe ihn mit einem breiten grinsen an, während er mich wiederum etwas verwirrt anblickt und die Stirn runzelt. "Unkraut vergeht nicht!"

Er verschränkt die Arme. "Du bist kein Unkraut Sera." brummt er und ich nicke. "Doch bin ich! Mich kriegt man nicht klein und ich komme immer wieder! Und irgendwann bin ich da und man akzeptiert mich! Und dann will man mich nicht mehr missen!" Ich pieke ihm in die Seite und er zieht eine Augenbraue hoch. "Was sollte das eben?" fragt er und ich verziehe mein Gesicht. "Ich hatte gehofft, dass du kitzlig bist..." erwiedere ich leise und er legt den Kopf schief. "Und das würdest du wissen wollen, weil...?" Ich sehe zu ihm auf. "Weil... ich neugierig bin?"

Der Doktor der verrücktenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt