Ruhig bleiben. Tief Einatmen. Gaaaanz ruhig. Ausatmen. Ich hatte mir fest vorgenommen, entspannt zu bleiben.Wusste ich doch, dass es ihr mal wieder schlecht geht. Also noch schlechter als sonst...
Sie kommt energisch ins Zimmer und der ganze Raum scheint plötzlich erfüllt von ihrer Anspannung.
Ruhig bleiben, wiederhole ich innerlich. Sie setzt sich wütend an den Tisch.
„Mir gehts scheiße...!!!"
„Ich weiß."
„?#!:(***!#*!!!!"
Sie schmeißt irgendwas in die Ecke auf den Boden. Ich kucke nichtmal, was das ist. Äußerlich gelassen lese ich in der Zeitschrift weiter. Die weiteren Schimpftiraden lasse ich ruhig wie einen Zug an mir vorbeifahren. Ich ignoriere sie nicht. Ich schaue sie an. Abwartend und neutral.
„ Ich will, dass du Rücksicht nimmst!!!"
„Was soll ich denn machen?!"
„Dir ist es doch scheiß egal, wie es mir geht!!!"
Im Grunde weiß sie, dass es nicht stimmt. Doch im Affekt vergisst sie es täglich.
„Du weißt, dass du mit der wichtigste Mensch bist, den ich habe."
Sie wendet sich mit verschränkten Armen ab.
"Du kannst dir gar nicht vorstellen, WIE schlecht es mir geht!"
"Und was soll ICH jetzt machen?"
"Keine Ahnung."
Ich lächle sie an. „Trösten oder umarmen darf ich ja auch nicht."
Ein flüchtiges Lächeln huscht über ihr Gesicht.
„Nein!!! Bloß nicht! " Wieder mit ernster, fast entsetzer Mine.
Das ist meine geliebte Schwester. Ich nenne sie an dieser Stelle einfach Mia. Ihr richtiger Name ist für diese Geschichte nicht wichtig.
Wichtig ist sie. Und all ihre Facetten, alles, was sie ausmacht.
Sie ist 25 Jahre, ich 27.
Seit 10 Jahren leidet sie nun schon unter dem, was man Borderline Syndrom nennt. Identitätsstörung. Oder, um es ganz klug auszudrücken: Eine Störung der Emotions-Regulation. So. Große Wörter, um es zu beschreiben.
Viele Jahre lang gab es nicht einmal eine Therapie für dieses Krankheitsbild. Erst in den letzten Jahren wurde durch intensive Auseinandersetzung mit dem Thema eine Therapie entwickelt, speziell für Menschen, die unter Borderline leiden.
Ich möchte von meiner Schwester Mia erzählen. Von ihren Höhen und Tiefen, von Hoffnung und Angst, von ihren Talenten und ihren Gefühlen.
Hinweis: Diese Geschichte erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit in jeglicher Form. Es handelt sich um Beschreibungen eines Angehörigen, der sich niemals bis ins Detail in einen Menschen mit der Borderline Erkrankung hineinversetzen kann.
DU LIEST GERADE
Borderline - Die Geschichte von Mia
RandomDas Leben eines tollen Menschen, nennen wir sie Mia, mit dem Borderline Syndrom. Aus der Sicht ihrer Schwester. Ein Versuch, sich etwas hineinzufinden in ein Leben zwischen schwarz und weiß...