Provokation!

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Wenn sie ehrlich ist, macht sie es doch zu gern. Mia stellt die Anderen oft völlig aus dem Zusammenhang gerissen vor schwierige Situationen.

So geschehen diese Woche:

Mia und ich surfen zusammen im Internet. Entspannte Atmosphäre.

Plötzlich zieht sie ihr Hosenbein hoch und präsentiert mir eine frisch in ihre Haut geritzte Sternschnuppe...! Zwei Striche waren geometrisch nicht gerade geworden, wie sie enttäuscht betonte.

Das sind so Situationen, die für mich nicht einfach sind.

„Ich habs aus Langeweile gemacht. Habe gerade kein Papier gehabt.“

Sie lächelt ein bisschen zu sehr.

“Mia!!!“

Was soll ich auch dazu sagen...

Während ich streng schaue, amüsiert sie sich.

“Warum machst du das?!“

Sie will es mir nicht sagen.

Meiner Mutter hat sie es irgendwann später auch gezeigt, wohl wissend, dass sie uns damit verletzt. Das wiederum sagen wir schon gar nicht mehr, weil Mia dann betont, wie sehr sie sich dafür hasst.

Ein paar Tage später versuche ich erneut, den Grund herauszufinden.

„Willst du das wirklich wissen?“

„Ja klar!“

Sie war stolz darauf, sich noch nie so wenig verletzt zu haben. Aha...

Heute war ich beim Arzt zum Blut abnehmen und die Arzthelferin auf der Suche nach einer guten Vene. Mia krempelt ihren Ärmel hoch und zeigt ausführlich an ihrem vernarbten Arm ihre Vene...

Der Anblick ihrer unzähligen Narben ist eine Provokation für sich. Mia weiß das sehr genau, während sie unschuldig strahlt. Ohhhh Miaaaa!!!

Es fällt mir schwer zu verstehen, warum sie sowas macht. Warum sie oft mit ihrer Krankheit kokketiert.

Für Angehörige und auch für Fremde ist es eine belastende Situation. Keinen normalen Menschen lässt solch ein Anblick kalt. Wir haben gelernt, diesem Verhalten keine besondere Aufmerksamkeit zu geben. Wer das nicht weiß, fährt womöglich die “Mitleidsschiene“ und verstärkt das Verhalten dadurch. Wir bemühen uns, Mia positive Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Das andere ignorieren wir, so gut es jeweils möglich ist.

Leider schickt Mia mir ab und zu auch Bilder mit tiefen, aufgeschnittenen, sehr blutigen Wunden. Das ist etwas, woran ich keinen Anteil haben kann. Es verletzt und schockiert mich extrem!

Auch die Tatsache, dass sie in dieser Situation noch Fotos davon macht, das Ganze zelebriert, verwirrt mich. Ich versichere ihr auch so, dass ich ihr Leid sehe und ernst nehme.

Dann schimpfe ich immer mit ihr, nicht schlimm, die üblichen Worte halt. Mia sagt dann, dass sie sich hasst. Gut, dann hassen wir dich jetzt beide, sage ich und dann ist die Situation meistens erstmal abgehakt. Dass ich nur ihr Verhalten kritisiere und sie nicht hasse, weiß sie ganz genau. Wir haben schon ausführlich darüber gesprochen.

Es ist voll schwierig: Sie verletzt sich, sagt es mir, weil es sowieso rauskommt. Ich soll einfach zuhören, es zur Kenntnis nehmen und abhaken. Ich schimpfe trotzdem jedes Mal...

Borderline - Die Geschichte von MiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt