Die Gladiatorin

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(Das Bild oben hat Mia gezeichnet, am Herz hat sie medizinische Klammern angebracht)

Heute war der Tag.

Alles und nichts. Wahnsinnig laut und kaum hörbar. Auf eine Weise leicht und doch unvorstellbar schwer, wie in Watte versunken...

So fühle ich mich.

Heute war der Tag.

Es ist so schwer auszuhalten für mich! Vom Verstand her ist es so richtig, so logisch, so klar.

Doch meine Gefühle überwältigen mich heute. Kennst du das, wenn etwas so intensiv ist, dass eigentlich Worte nicht ausreichen, um es zu beschreiben?

So fühle ich mich gerade.

Heute war der Tag.

Mia hakte mich ein. Ich schleppte mich nicht nur aus Gewichtsgründen dahin. Mein Herz wog so schwer.

Ich wollte allein weinen, nicht vor ihr. Und nicht vor meiner Mama.

Ich wollte stark sein, stark für Mia.

Denn sie ist ab heute in der Arena.

Was ist noch schwerer als der Kampf gegen einen gefährlichen Gegner?

Der Kampf mit sich selbst!

Mia wird alles geben. Sie hat sich auf den Kampf vorbereitet.

Ich hab ihr geholfen, ihre Rüstung zu polieren. Tragen muss Mia sie alleine.

Diese langen Gänge...

Gestalten, leer und doch übervoll, schlurfen den Gang entlang. Die Klinik.

Ich weiß, wie zerstörte Menschen aussehen können.

Mia ist motiviert.

Sie wird sich ab heute in ihre ganz persönliche Arena begeben. Mag das Trauma bisher auch unantastbar und übermächtig gewirkt haben: Sie steht sich nun selbst gegenüber.

So weit hat sich Mia noch nie gewagt. Die Aufnahme in der Klinik verlief, als wäre es das normalste auf der Welt.

Mir gingen so viele Dinge durch den Kopf, als wir später in der Stadt waren.

So viel Hoffnung - So viel Angst.

Und das hartnäckige Bewusstsein, dass ich nichts ändern konnte.

Dass ich nachher mit meiner Mutter in den Zug steigen würde, ohne Mia.

Natürlich kann ihr nichts besseres passieren, als endlich ihr Trauma aufzuarbeiten. Was passiert, wenn alle Wunden geöffnet sind?

Sie muss das alleine schaffen.
Ich hab solche Angst um dich...

Mia ist in professioneller Behandlung.
Wirst du durchhalten?

Der Zeitpunkt ist auch sehr gut.
Trotzdem bin ich nie so allein wie ohne dich.

Ich pack das hier alles, während du dort bist, muss ja.
Die Anderen können dich nicht mal ein bisschen ersetzen.

Ich kann auf vieles verzichten und einiges ertragen. Doch ohne meine außergewöhnliche Schwester wäre meine kleine Welt einfach nur gewöhnlich. Mia lebt so intensiv wie zehn durchschnittliche Menschen zusammen. All die Höhen und Tiefen, all die Farben und Formen. Die Explosionen ihrer Gefühle, die sich in tausenden Wellen durch ihr Leben entladen.

Und ich hab mich mal gewundert, warum Durchschnitts-Charaktäre mich schnell langweilen. Wer liegt schon gelangweilt am Strand, wenn man stattdessen mit einem Schnellboot nur so über das Meer fliegt?!

Unsere Mutter hat nicht wirklich verstanden, dass ich geweint habe. Wie sollte sie auch.

Wo bei ihr die Tiefe aufhört, fängt sie bei uns erst an. Mama ist tiefgründig. Aber nicht so wie wir. Bei uns gehts Richtung Tiefsee :))

Mia fand meine Tränen angebracht und verständlich.

Sie weiß, dass ein Tiefseefisch in flacherem Gewässer sehr unglücklich ist.

Ich bin ein eigenständiger Mensch, der für sich selbst sehr tiefgründig ist. Doch nichts geht über jemanden auf der gleichen Wellenlänge in den Tiefen des Seins.
Mia, du weißt, was möglich sein wird und du schaffst es.

Borderline - Die Geschichte von MiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt