Chapter 2

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POV Jessica Erde

Der Moderator im Fernseher begann zu schreien, als sich die Rakete in einer schwarzen Staubwolke von der Erde löste und sich in Sekunden Geschwindigkeit auf den Weg ins Weltall machte.

Genervt verdrehte Jessica ihre Augen und schaltete den Fernseher aus, um nicht auch noch Kopfschmerzen von diesem Hyperventilierendem Typen zu bekommen.
Wahrscheinlich hätte sie sich auch so gefreut wie der Mann, wenn nicht noch mehr.
Doch dass wäre gewesen, wenn sie genau in diesem Raumschiff gesessen hätte, was sich so eben von der Erdatmosphäre verabschiedet hatte.
Eigentlich sollte sie das auch.
Eigentlich sollte sie Olives Hand halten, während sie sich gemeinsam in ihr nächstes Abenteuer stürzten.
Sie sollte ihre beste Freundin anlächeln und vor Adrenalin beinahe zerplatzen.
Sie sollten so viel Spaß haben.

Doch das Schicksal, eher gesagt ihre Lungen hatten andere Pläne mit ihr.
Denn anstatt im Raumschiff zu sitzen, saß sie in einem dieser unglaublich gemütlichen Betten des Krankenhauses und neben ihr saß nicht Olive, sondern ihre Mutter.

Diese musterte sie gerade mitleidig und Jessica drehte den Kopf zum Fenster, damit ihre Mutter nicht ihre Enttäuschung sehen konnte.
Draußen schien die Sonne und ließ den letzten Schnee in tausend Kristalle glitzern.
Ein wunderschöner Anblick, doch vom Raumschiff aus bestimmt viel schöner.

,, Dein Vater bringt Piroschki mit.", teilte ihre Mutter ihr mit, höchstwahrscheinlich um sie aufzumuntern.
Leider wirkte das auch und ungewollt musste Jessica grinsen, von den Gedanken an die leckeren, gebratenen Brötchen die ihr Vater so gerne mit Marmelade füllte.
Einer von vielen Vorteilen in einer russischen Familie aufzuwaschen, das Essen war unglaublich gut.
Insgeheim fand sie, dass die russische Küche eine der beste auf der Welt war.
Doch das sagte sie nie vor Olive.
Ihr Vater kam nämlich aus dem Libanon und Olive schwärmte immer nur zu von der libanesischen Küche.

Plötzlich klingelte das Handy ihrer Mutter und neugierig beobachtete Jessica ihre Mutter dabei, wie sie Stirnrunzelnd nach ihrem Handy griff und es sich an ihr Ohr hielt.
Mitten in einem Hustenanfall, der Jessicas kratzigen Lungen zu danken war, sprang ihre Mutter plötzlich auf.
,, Ich muss gehen, Schatz. Bleib hier und öffne nicht das Fenster.", erklärte sie hektisch und zog die Vorhänge des riesigen Fenster zu.
Eilig packte sie einige Sachen zusammen und griff nach ihrer Tasche.
,, Wieso?", wollte Jessica wissen und stand ebenfalls auf.
Die Hektik ihrer Mutter machte sie nervös.
Kurz hielt ihre Mutter inne und sah ihre Tochter eindringlich an.
,, Bitte.", war das einzige, was Jessica als weitere Erklärung zu hören bekam, denn gleich darauf verließ ihre Mutter ihr Zimmer.

Nervös lief Jessica zum Fenster, schob vorsichtig eines der riesigen, weißen Vorhänge beiseite und hoffte sehen zu können, wie ihre Mutter das Krankenhaus verlassen würde.
Der Anblick der ihr geboten wurde war allerdings nicht ihre hektisch laufende Mutter, sondern unzählige Polizei Autos auf der Schnellstraße und viele aufgebrachte Menschen auf den Bürgersteigen.

Ein lauter Knall auf der anderen Seite der Straße ließ Jessica herumfahren und sie konnte gerade noch sehen, wie zwei Autos in einander knallten und jemand durch die Frontscheibe flog.
Eine Sekunde zu spät wand sie ihren Blick ab, um noch zu sehen wie um die Person eine Blutlache entstand.
Zitternd rutschte Jessica an der Fensterbank herunter und schluckte ihre aufkommenden Tränen herunter.
Was geschah gerade?

Ihre Zimmertür wurde aufgerissen.
Ihr Vater stand in der Tür.
Er schrie etwas, doch es prallte auf Jessicas dumpfen Ohren ab.
Sie wurde hochgenommen.
Sie verließen das Zimmer.

Jessica war zu schwach um ihren Kopf zu heben, doch sie war sich die vielen Menschen die auf den Boden lagen schmerzlichst bewusst.
Sie versuchten zu fliehen, waren wahrscheinlich zu krank gewesen.
Warum flohen sie?

Als sich der nebelige Schockzustand in Jessicas Verstand lichtete, fand sich Jessica im Auto auf dem Beifahrersitz wieder.
Ein Blick zur Seite verriet ihr, dass ihr Vater der Fahrer war.
Gut.

,, Wo ist Mama?", fragte sie leise, starrte jedoch weiter auf die Straße vor ihnen.
Es war eine Landstraße und sie war leer.
Auch gut.

Als keine Antwort kam, beließ Jessica es dabei.
Vielleicht wollte sie auch gar nicht wissen, wo ihre Mutter war.

Schweigend fuhren sie stundenlang.
Meistens kamen nur ein oder zwei andere Autos in Sicht und dann wechselte ihr Vater immer sofort auf die nächste Straße.
Jessica hatte viele Fragen, doch zurzeit war sie mit der Ungewissheit ganz zufrieden.

Als die Sonne schon am Horizont verschwand und langsam der Mond zu seiner vollen Schönheit zu kommen schien, parkte ihr Vater an einem abgelegenem Parkplatz umgeben von Feldern und gähnender Leere.
,, Ich kann nicht viel erklären, nur das wir raus aus Amerika müssen.
Morgen früh um 6 Uhr fährt eine Fähre von der Küste Texas ab Richtung Mexico.
Ich muss hier bleiben um deine Mutter zu finden, doch du wirst nach Mexico fahren.
Kennst du noch deine Tante, Grace? Sie wird dich dort abholen.
Verstanden?", erläuterte mein Vater knapp und Jessica nickte nur langsam, während die Wörter in ihrem Kopf ratterten, auf der Suche nach einem Sinn.
Raus aus Amerika.
Nach Mexico.
Papa kommt nicht mit.
Mama suchen.
Alleine?

,, Wo ist Mama denn?"
Keine Antwort.
,, Weißt du es ungefähr?"
Wieder nichts.
,, Kann ich nicht hierbleiben und dir bei der Suche helfen?"
,, Nein"
Naja, zumindest war das eine Antwort,
wenn auch nicht die, worauf sie gehofft hatte.
,, Warum?"
Stille.

Frustriert öffnete Jessica die Autotür und schwankte raus.
,, STEIG SOFORT WIEDER EIN!", Schrie ihr Vater schon, bevor sie einen Fuß auf den unter ihrem Gewicht knarzenden Schnee gelegt hatte.
Doch daran dachte Jessica gar nicht.
Keine Antworten, keine Folgeleistungen.
Sie schmiss die Autotür zu und schwankte ein paar Schritte rückwärts, nur um von einem kratzigen Hustenanfall durchgeschüttelt zu werden, der ihre Lungen zum brennen brachte.
Ihr Vater kam zu ihr gerannt und packte sie grob am Arm.
,, Bitte, mach es nicht schwerer als es ist.", sagte er nur, während sie wieder ins Auto stieg.

Keuchend schloss Jessica die Augen, als ihr Vater den Motor startete.
,, Wohin fahren wir?"
,, wir können hier nicht bleiben.", sagte er Stumpf und legte mit einem grimmigen Gesicht den Rückwärtsgang ein.
,, Warum?", fragte Jessica, als sie die Piroschki auf der Rückbank bemerkte.
Doch plötzlich wurde ihr bei dem Anblick nur noch schlecht und sie drehte schnell den Blick wieder nach vorne.
,, Jetzt haben sie uns gehört, also müssen wir verschwinden."
,, Wer hat uns gehört?"
Keine Antwort.

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