Paradies.

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Mein Blick ist getrübt und ich spüre die Übelkeit immer noch Wellen über mich schlagen. Nur langsam klärt sich mein Sichtfeld und ich kann erkennen wo ich gelandet bin. Ich stehe an einem langen, weißen Sandstrand. In der Ferne sehe ich das türkisfarbene Meer, die weiße Gischt und nehme den salzigen Geruch des Ozeans wahr. Ich sauge gierig die Luft ein, ehe ich mich daran erinnere, wieso ich hier bin. 

Ich bin, ohne ein Wort zu meiner Familie, disappariert. Geflohen! Warum ich ausgerechnet hier bin? Ich weiß es nicht. Vermutlich hat mein Unterbewusstsein nach einem Ort gesucht, der mich glücklich macht. Und das Meer hat das schon immer getan. 

Langsam drehe ich mich um und nehme die restliche Landschaft unter die Lupe. Hohe Dünen und ein schmaler Holzweg führen vom Strand weg. Da ich immer noch nicht exakt weiß, wo ich mich befinde, beschließe ich, dem Weg zu folgen. 

Nach wenigen Minuten verläuft sich der Holzweg zwischen Bäumen, die herrlichen Schatten spenden. Erst jetzt fällt mir auf, wie warm es hier ist. Innerlich verfluche ich meine lange Hose, bin aber froh, immerhin meinen Zauberstab in deren Bund gesteckt zu haben. Rasch schlüpfe ich hinter einen großen Baum und schwinge meinen Stab. Sekunden später ist aus der langen Leggings eine kurze Jeansshorts geworden. Besser! 

Als ich wieder aus meinem Versteck hervor hüpfe, pralle ich geradewegs in eine große Person. Verunsichert reibe ich mir die Stirn und sehe auf. Ein blondes Mädchen, schätzungsweise in meinem Alter, steht vor mir und starrt mich erschrocken an. 

"Entschuldige bitte! Ich hab dich nicht gesehen.", murmel ich verlegen.

Die Blonde beginnt zu lächeln und antwortet: "Kein Problem. Es ist ja nichts passiert." Ihr Lachen wirkt so herzlich, dass ich mich augenblicklich besser fühle. Schnell schiebe ich hinterher: "Das klingt jetzt wahrscheinlich schräg, aber kannst du mir sagen, wo wir hier sind?"

Falls sie mich wirklich schräg findet lässt sie es sich zumindest nicht anmerken, sondern nickt nur und meint: "Na klar, wie sind in der dominikanischen Republik. Seit wann bist du denn schon hier?"

In meinem Kopf rattert es. Dominikanische Republik? Ich weiß, dass ich hier schon einmal war, allerdings ist das viele Jahre her und ich kann mich kaum daran erinnern. Als mich das fremde Mädchen mit schräg gelegtem Kopf ansieht fällt mir auf, dass ich ihr noch eine Antwort schuldig bin. 

"Bin eben erst gelandet", antworte ich wahrheitsgemäß, "ich bin Ginny." Ich strecke ihr meine Hand entgegen, die sie sogleich ergreift. 

"Jamie. Hör zu Ginny, ich muss leider los. Aber wenn du Lust hast können wir uns heute Abend treffen?" 

"Gerne. Woran hattest du gedacht?", frage ich sie.

Sie scheint kurz zu überlegen, meint dann aber: "Heute steigt eine kleine Grillparty. Da vorne am Strand." Sie zeigt mit dem Finger in die Richtung aus der ich gekommen bin. Schnell nicke ich, denn schon hebt sie zum Abschied die Hand und läuft in die entgegengesetzte Richtung davon.  

Kurz blicke ich Jamie noch hinterher, dann fällt mir wieder ein, dass ich noch immer keinen Plan habe, was ich jetzt machen soll. Ich will nicht zurück nach Hause, um ehrlich zu sein würde ich wirklich gerne hierbleiben. Zumindest vorerst. Allerdings habe ich weder eine Unterkunft, noch Muggelgeld oder sonstiges Gepäck bei mir. 

Aus Mangel an Alternativen beschließe ich, den Weg weiterzugehen. Irgendwann muss ich ja raus aus den Bäumen und rein in die Zivilisation kommen. Entschlossen setzte ich einen Fuß vor den anderen. 

Wie lange ich geradeaus gelaufen bin kann ich am Ende nicht mehr sagen, aber schließlich stehe ich vor einer Holzhütte. Um genau zu sein sieht es aus, als wäre es ein kleines Dorf aus Holzhütten. Vor Staunen klappt mir die Kinnlade nach unten. Zaghaft gehe ich weiter und hoffe jemanden zu treffen, der mir weiterhelfen kann. 

Ohne genau zu wissen, wo ich hin muss, steuere ich den offensichtlichen Dorfplatz an. Ein Kreis aus hellgrauen Ziegelsteinen formt die Mitte des kleinen Dörfchens. Zu meinem Glück tummeln sich hier allerlei Menschen, die zum Teil hinter kleinen Obst- und Gemüseständen stehen.

Vor einer alten Dame bleibe ich stehen. "Entschuldigen Sie bitte. Gibt es eine Möglichkeit, in einer dieser wundervollen Hütten zu ziehen? Nur Übergangsweise versteht sich.", frage ich sie schüchtern. Sie lächelt mich mit einem warmen Ausdruck in den Augen an und meint: "Guten Tag, Kindchen. Ich würde sagen, da fragen Sie am Besten den Sohn unserer Bürgermeisterin. Der Bürgermeister und seine neue Frau sind nämlich gerade in den Flitterwochen." Sie zwinkert mir zu, ehe sie mit der Hand auf die große Hütte am anderen Ende des Platzes deutet. Ich gebe zu, da hätte ich auch selbst darauf kommen können. 

Ich bedanke mich höflich und steuere besagte Hütte an. Als ich näher komme streiche ich in Gedanken das Wort Hütte und ersetzte es durch Villa. Wow! Das sieht einfach traumhaft aus. 

'Rodriguez' steht auf dem bronzefarbenen Klingelschild, auf welches ich entschlossen drücke. Schon nach wenigen Momenten höre ich Schritte hinter der Tür, die sich sogleich mit einem Ruck öffnet. Ich starre mein Gegenüber an und mein Lächeln weicht einer Grimasse. Was zur Hölle...?


Dream On - Blinny ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt