Allein unter Freunden

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Allein unter Freunden

Eine Woche nach der Bestattung kam ich wieder nach Hogwarts. Es war ein kühler Sonntagabend und auf den Ländereien genossen kleine Schülergrüppchen offenbar das letzte gute Wetter in diesem Jahr. Als ich gefolgt von Dora zur Schule hinauf lief, folgten uns viele Blicke. Ich hörte das Getuschel und vermied bestmöglich den Augenkontakt zu den gaffenden Schülern. Die nächsten Wochen konnten ja heiter werden.

„Adriana!“ George sprang auf und kam auf mich zu. Ich hatte soeben den Gemeinschaftsraum betreten. Sofort wurde es still. Ich senkte den Blick, während George mich durch den Raum zu einer Gruppe Sessel geleitet. Ich schaute ihn an. Sein Gesicht war voller Sorge und Mitleid. Sowie auch die Gesichter von Mr und Mrs Weasley, Dora, Darius, Kornelia und all den anderen gewesen waren. Ich hatte es leid.

Bei den Sesseln warteten alle meine Freunde. Parvati, Lavender, Hermine, Ginny, Fred und Lillia. Als ich mich wortlos neben sie setzte, spürte ich förmlich ihre mitleidigen Blicke auf mir.

„Und, was ist alles so passiert, während ich weg war?“, fragte ich bemüht locker.

Sie wechselten Blicke und sofort bereute ich es, überhaupt etwas gesagt zu haben. Was erwartete ich mir eigentlich für antworten? „Colin Creevey ist angegriffen wurden“, sagte Parvati leise. Ich nickte. „Ja, das weiß ich und sonst? Sie haben nicht zufällig den Irren geschnappt, der das gemacht hat, oder?“

Die anderen schüttelten verlegen den Kopf. Ginny zuckte zusammen. Parvati senkte den Blick. Betretenes Schweigen folgte. Gab es denn gar nichts erzählenswertes?

„Nun ja …“, sagte Fred gedehnt, scheinbar nur, um das allgemeine Schweigen zu durchbrechen. „Ein paar Oberstufenschüler haben angefangen, irgendwelches Schutzzeug zu verkaufen. Talismane, Knollen, Amulette … alles, was eben angeblich irgendwie schützend sein soll. Professor McGonagall ist fuchsteufelswild gewurden, als sie Leopold Falk dabei erwischt hat. Trotzdem machen sie wohl gute Geschäfte mit dem Zeug.“ Er verfiel wieder in Schweigen und ich nickte. „Leopold Falk, dieser Hufflepuff?“ Hermine nickte nur stumm.

Ich seufzte innerlich. Okay, vielleicht sollten wir das mit dem Smalltalk sein lassen. Also erhob ich mich. „Ich bin ein wenig müde, ich geh mal schlafen.“ Die anderen nickte. „Wir kommen gleich nach“, sagte Lavender leise. Unter den neugierigen und mitleidigen Blicken der anderen verschwand ich nach oben in den Schlafsaal.

Am nächsten Morgen weckte mich Parvati. Ein Blick aus dem Fenster sagte mir, dass aus dem kühlen Herbstwetter von gestern ein unschönes nasses Schmuddelwetter geworden war. Ich ging mit den anderen nach unten in die Große Halle, wo uns die Zwillinge erwarteten. Noch mehr Blicke wurden auf mich gerichtet, als ich die Halle betrat. Ich hörte das Tuscheln. Natürlich. Es hatte große Bilder der Bestattungen in allen möglichen Zeitungen und Magazinen gegeben. Lange Artikel, die sich mit dem genauen Ablauf der Bestattung auseinandergesetzt hatten. Hatte man Tradition und Moderne vereint? Warum stellten sich die Ufermenschen erst jetzt der Öffentlichkeit? Hatte der Augenblick eine besondere Bedeutung?

Während ich mir eine Scheibe Toast nahm, kam Adam zu uns an den Tisch. Er hatte seine blonde Freundin Luna mitgebracht. Ich warf ihm einen kurzen Blick zu und er erwiderte ihn mit aller Offenheit. Auch er war wochenlang der Mittelpunkt allen Klatsch und Tratschs in Hogwarts gewesen. Auch er hatte seine Eltern verloren. Wahrscheinlich verstand er mich am besten.

„Und, bereit für den Unterricht?“, fragte er leise.

Die anderen warfen ihm empörte Blicke zu, doch ich nickte. „Ich werde ein wenig was aufzuholen haben.“

Er zuckte mit den Schultern. „Zwei Wochen wirst du schon hinbekommen.“

„Ich hoffe es.“

Ja, er verstand mich. Er wusste, dass ich belanglosen Smalltalk brauchte und keine mitleidigen Blicke. Allerdings verstanden die anderen das nicht, weshalb der Tag relativ eintönig wurde. Sowohl Klassenkameraden als auch Lehrer warfen mir vorsichtige Blicke zu. Sicher, wäre ich einer von ihnen gewesen, hätte ich es sicher ebenso gemacht, aber ich war nun mal kein Außenstehender. Ich war mittendrin. Als der Unterricht nach schier endlosen Stunde Geschichte der Zauberei endlich zu Ende war, hatte ich eindeutig die Nase voll. Ich verließ das Klassenzimmer als eine der ersten und verschwand auf der Suche nach einem Ort, an dem mich die anderen nicht finden konnten.

Schwarz wie die Nacht: Misstrauen (Harry Potter Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt