Weihnachten mit den Tonks

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Weihnachten bei den Tonks

Je schreckte ich auf. Ich saß zusammengesunken in einem dunklen, stillen Korridor. Mit ungeschickten Bewegungen zog ich mich an der Wand hoch. Langsam rekonstruierte mein Kopf das Geschehene. Meine Gedanken kreisten um einen Punkt. Ich bin nicht mehr mit George zusammen, ich hab es mir mit ihm verscherzt. 

Nick war verschwunden und ich hatte keine Ahnung wie spät es war. Jeder Knochen in meinem Körper schmerzte von der unbequemen Schlafposition, in der ich eingeschlafen war. Wie ich überhaupt hatte einschlafen können, war mir ein Rätsel. Ich streckte mich und trippelte von einem kribbelnden Fuß auf den anderen. Nicht weit von hier war ein Mädchenklo, das ich jetzt ansteuerte. Ein Blick in den Spiegel zeigte mir, wie fürchterlich ich aussah. Ich hatte rote Flecken im Gesicht und von meinem zerzausten Haar hing mehr im Gesicht, als im Zopf. Wütend öffnete ich ihn und ließ mir mein Haar über die Schultern fallen. Dann ließ ich Wasser laufen und spritzte es mir ins Gesicht. Scheiß Tag, scheiß Tag, scheiß Tag! Meine vordersten Haarsträhnen tropften meinen Umhang voll und die Flecken im Gesicht wollten nicht verschwinden. Scheiß Tag! Am liebsten hätte ich wieder angefangen zu heulen, doch ich riss mich zusammen. Was Nick gesagt hatte, hatte so einfach geklungen. Einfach nicht den Kopf in den Sand stecken. Aber in diesem Moment hätte ich wirklich liebend gern Vogel Strauß gespielt. Kopf in den Sand stecken und warten, bis jemand anderes alles wieder in Ordnung gebracht hat.

Ich starrte in den Spiegel. Was nun? Eine Idee regte sich in meinem Hinterkopf. Es war sinnlos, es half mir nicht aus meiner Situation und es wirkte höchst kindisch. Vielleicht gefiel sie mir deshalb so gut. Ich zückte den Zauberstab und fuhr mir durchs wirre Haar. Dann griff ich mir die vorderste Strähne. „Diffindo!“ Eine lange dunkelbraune Strähne landete im Waschbecken. „Diffindo!“ Die nächste. Strähne für Strähne fiel traurig ins Waschbecken. So hatte meine Mutter ihren Liebeskummer Jahre lang ausgehalten. „Diffindo!“ Klar, George hatte sich nicht als fanatischer Todesser herausgestellt, aber dafür war ich ein komplettes Arschloch. „Diffindo!“ Ich schaute in den Spiegel. Diesmal sah mich ein komplett anderer Mensch an. Meine feuchten Haare lockten sich wild, nun, wo sie so kurz waren. Irgendetwas zwischen kinnlang und schulterlang. Zufrieden nickte ich meinem Spiegelbild zu. Die Leute würden darüber reden. Sie würden tuscheln und Gerüchte streuen. Aber in Wahrheit konnten ihnen meine Haare doch egal sein, oder? Vorsichtig fischte ich mir eine Strähne aus dem Waschbecken und knotete sie an meine Tasche, dann richtete ich meinen Zauberstab auf das Waschbecken und flüsterte: „Reductio!“ Sie verschwanden und ich drehte mich um. Zeit ins Bett zu gehen. Wer weiß, wie spät es bereits war. Ich schlich durch die Schule und weckte die Fette Dame, die gemütlich in ihrem Portrait schnarchte. Sie gab murrend das Portraitloch frei und ich kletterte hinein. Ein Blick auf die Uhr ließ mich erstarren. „Scheiß Tag!“, flüsterte ich. Es war fünf Uhr morgens. Es hatte wahrscheinlich keinen Sinn, jetzt noch in den Schlafsaal zu gehen und womöglich auch noch die anderen zu wecken. Also zog ich mich in einen der Sessel zurück und kauerte mich zusammen. Ich war jetzt hellwach. Mit meinen kurzen Haaren war mir ungewohnt kühl im Nacken und mein Kopf fühlte sich ungewohnt leicht an. Ich öffnete meine Tasche und seufzte. Da war noch eine Mondkarte für Astronomie, die ich ausnahmsweise fertigstellen konnte.

Als nach und nach die ersten Schüler aus den Schlafsälen kamen, packte ich mein Zeug weg. Ich wollte den anderen nicht hier im Gemeinschaftsraum begegnen, außerdem wollte ich George ausweichen. Also ging ich hinunter zur Größen Halle, wo vereinzelt ein paar Schüler frühstückten. Neugierige Blicke folgten mir, doch ich schaute starr voraus und setzte mich an den Gryffindortisch. 

„Heißt das, dass Sie aufgeben oder dass Sie kämpfen?“, fragte eine leise Stimme neben mir. Ich sah mich um und entdeckte Nick. Ohne große Motivation zuckte ich mit den Schultern. „Keine Ahnung, Nick. Ich befürchte ersteres. Ich glaub nicht, dass ich noch kämpfen kann.“ Nick schaute betreten drein. „Das wird schon wieder.“ Ich nickte und wandte mich meinem Essen zu. Langsam trafen alle Schüler beim Frühstück ein. Neugierige Blicke blieben auf mir hängen, doch ich ertrug die bestmöglich. Schwierig wurde es auch erst, als ich die starrenden Personen kannte. Lisa, Mandy und ihre Freundinnen schauten mich mit offenen Mündern an. Neville ging erst halb an mir vorbei, ehe er mich erkannte und mir stotternd guten Morgen wünschte. Und dann kamen die Zwillinge. Ich beugte mich tief über meine Müslischüssel und wich Georges Blick bestmöglich aus. Einfach den Kopf in den Sand stecken und warten, bis er vorbei gelaufen ist. Nick seufzte. „Die Jugend ist schon eine harte Zeit.“ Der Himmel der Großen Halle war von dicken Wolken verhangen. Draußen wütete ein heftiger Schneesturm. 

Schwarz wie die Nacht: Misstrauen (Harry Potter Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt