Kapitel 8

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Erst, als ich die Augen öffnete, bemerkte ich, dass ich sie geschlossen hatte.
Vor mir erstreckte sich ein sandig gelber Strand. Die Sonne strahlte so hell auf mich herunter und ich hatte das Gefühl, mit einem Mal aus eisiger Kälte in brütende Hitze zu gelangen. Jemand legte eine Hand an meinen Arm und ich fuhr so sehr zusammen, dass ich beinahe gestolpert und hingefallen wäre, als ich einige Schritte nach vorne machte. Als ich mich umdrehte entdeckte ich Lyael, eine Hand in der Luft, den Hut so seltsam auf dem Kopf, dass die Haare, die darunter hervorstanden, in alle Richtungen zeigten.
Ich wusste nicht wieso, aber mit einem Mal fand ich seinen Anblick so komisch, dass ich nicht anders konnte, als meine Lippen zu einem Lächeln zu verziehen. Es zupfte an meinen Mundwinkeln und ich hielt mir die Hand vor den Mund, um nicht laut aufzulachen.
Lyaels Mundwinkel zogen sich ebenfalls nach oben, als er die Hand wieder herunter nahm und mir stattdessen eindringlich in die Augen sah. Ich musste wegsehen.

"Es ist nicht sehr höflich, eine Dame derart anzusehen", rügte ich ihn, jedoch weiterhin, ohne ihn anzusehen. "Wo sind wir überhaupt? Und wie sind wir hier her geraten?"
Ich sah mich um, doch es gab nichts als endlosen Strand, heiße Sonne und das spiegelglatte Meer. Kein Wind fegte darüber, was ich schon sehr verwunderlich fand. Ich hatte über das Meer gelesen und war zu dem Schluss gekommen, dass es hier immer windig war, oder sich zumindest das Wasser immer bewegte. Doch das tat es nicht.
Lyael hatte die Stirn in Falten gelegt, als ich ihn nun doch ansah.

"Was ist denn?", fragte ich und legte die Stirn ebenfalls in Falten, ohne mir dessen richtig bewusst zu werden.
"Wir sind nicht da, wo ich sein will", antwortete er, richtete seinen Hut und stemmte die Hände in die Seiten.
"Nun...", begann ich, doch ich wusste nicht recht, was ich dazu sagen sollte. Die Situation war mehr als verzwickt und seltsam obendrein, weshalb ich aufgehört hatte zu versuchen, mir einen Reim darauf zu machen.
"Es hätte funktionieren müssen", murmelte er, rieb sich über die Stirn und sah mich schließlich unschlüssig an. Das große Fragezeichen in meinem Gesicht löste ihn aus seinen Überlegungen.
"Der Tee hat seine Regeln, das dürfte klar sein", erklärte er und gleichzeitig schüttelte ich den Kopf. Nichts war klar, wie kam er nur darauf? Dass ich nichts verstand, das sollte klar sein. Mein Schweigen ermunterte ihn dazu, weiterzureden. "Wie du vielleicht schon festgestellt hast, reisen wir durch den Tee in andere Welten", fuhr er fort. "Du bist eine sogenannte Teespringerin, das bedeutet, du hast die Aufgabe, deine Welt zu beschützen, in die du gelangst, in dem du ganz bestimmten Tee trinkst. Der Tee, den wir beide getrunken haben, ist ein Erinnerungstee. Er dient sozusagen als Einführung für neue Teespringer. Leider muss er verfallen sein, anders kann ich mir diesen Strand hier nicht erklären. Er ähnelt einem hohlen Gehirn."
Lyael wollte gerade fortfahren, zu erklären, doch ich hob die Hand um ihn zu unterbrechen. Es war mir fast zu viel an Informationen, die er auf mich abschoss wie Pfeile. Warum ließ er mir keine Zeit, sie zu verarbeiten?

Ich sollte eine Teespringerin sein. Ein Mensch, der mit Hilfe bestimmten Tees reisen konnte. Doch wohin genau reisten wir eigentlich?

"Wir reisen sozusagen in dich selbst hinein", antwortete Lyael auf die Frage, die ich wohl laut ausgesprochen hatte. Es sei denn, er konnte Gedanken lesen, doch das war schon sehr gruselig und glich der Zauberkraft eines Hexers. Ich wollte nicht glauben, dass er ein solcher war, zumal er gekleidet war wie ein Pirat. Und dies war schon Grund genug, ihn gruselig zu finden. Wenn man nicht gerade in meiner Haut steckte, denn ich fand ihn offensichtlich nicht mehr so seltsam, wie zu Anfang.

"Hör zu", forderte er mich auf, trat einen Schritt auf mich zu und hob mein Kinn an, sodass er meine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. "Man wird zum Teespringer, wenn man sich selbst noch nicht wirklich gefunden hat. Mir scheint, du weißt mit deinem Leben nicht viel anzufangen, weshalb du wohl auch auf Ms. Whites Teeladen gestoßen bist. Und nicht jeder Mensch, der sich selbst noch nicht gefunden hat, wird auch zum Teespringer. Es gibt einige Dinge, die erfüllt werden müssen, um einer zu werden und wir sollten schleunigst herausfinden, ob Ms. White sich diesmal nicht getäuscht hat. Wir dürften gar nicht hier sein."

Lyael stieß einige Wörter aus, von denen ich noch nie etwas gehört hatte, doch sie klangen wie Beleidigungen und Flüche. Er zog sich den Hut vom Kopf und fuhr sich durch die strähnigen Haare. Er sollte sich wahrlich einmal wieder einer gründlichen Wäsche unterziehen. Während er vor sich hin fluchte und im Sand auf und ab stapfte, sah ich mich um und nutzte die Gelegenheit, ein wenig räumlichen Abstand zwischen ihn und mich zu bringen, um das alles zu verarbeiten. Mein Kleid zog ich dabei ein wenig hoch, damit es nicht verschmutzte und lief den Strand entlang, nah am Wasser, doch nicht so nah, dass meine Füße davon nass wurden. Sie steckten in einfachen Stoffschuhen, die ich gerne Zuhause trug, da sie so bequem waren.
Doch für diese Landschaft waren sie wirklich nicht geeignet. Wenn Lyael mich nur gewarnt hätte. Dann hätte ich wenigstens passendere Schuhe angezogen und würde hier nicht durch die Gegend stapfen wie ein Griesgram erster Klasse.
Als ich so lief, hoffte ich, auf irgendetwas zu stoßen, sei es auch nur eine Kleinigkeit, die bewies, dass das hier echt war und nicht die Ausgeburt eines Traumes.
Schützend hielt ich mir die Hand über die Augen, um mich von der Sonne abzuschirmen,  die immer heller auf mich nieder zu brennen schien.
Und als mein Blick zum Meer schweifte, konnte ich kaum glauben, was ich da sah.

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Hallo ihr Lieben :)

Es tut mir sehr, sehr leid, dass das neue Kapitel erst heute kommt und nicht wie versprochen gestern. Ich hoffe, die kleine Einführung in das Geheimnis der Teespringer entschädigt euch dafür etwas.
Liebe Grüße,

eure Lizzy <3

Die TeechronikenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt