Lyael half mir galant auf das Schiff, doch ich wusste mit Sicherheit, dass ich dabei weder galant noch damenhaft aussah. Vielleicht sollte mir das auch nicht so wichtig sein, dennoch wollte ich nicht, dass Lyael in mir ein Trampel sah, das nicht wusste, wo es hinzutreten hatte und ständig über den Saum des Kleides stolperte.
Mir war überhaupt nicht wohl dabei, auf diesem Schiff zu stehen. Es schaukelte im Wind und ich hatte das Gefühl, jederzeit umzufallen.
"Willkommen auf der Darling", sagte Lyael und machte eine ausladende Bewegung mit seinem Arm, die das ganze Schiff einschloss.
"Darling?", fragte ich, da ich mich doch sehr über den Namen des Schiffes wunderte. Warum gab man Schiffen überhaupt Namen? Mir erschloss sich der Sinn nicht, also wollte ich Lyael gerade fragen, warum und wie es zu diesem sonderbaren Namen gekommen war, als lautes Grölen und Jubeln mir den Mund verbot. Eine ganze Horde Männer lief auf uns zu. Nun, eigentlich tatsächlich eher auf Lyael, denn sie schienen mich nicht zu bemerken.
"Captain!", riefen sie alle gleichzeitig und dennoch war es ein solches Durcheinander, dass ich an den Rand der Menge und gegen den Rand des Schiffes gedrückt wurde. Ich klammerte mich an der Reling fest, um nicht über Bord zu gehen und betrachtete ein wenig fassungslos das Geschehen vor mir.
Lyael schien völlig aufzugehen in seiner scheinbar gewohnten Umgebung. Ich begriff, dass er von ganzem Herzen Pirat war und ihm sein Leben auf dem Schiff alles bedeutete.
Er lachte, schlug den Menschen seiner Crew auf die Rücken und taufte sich mit ihnen. Ließ sich erzählen, was während seiner Abwesenheit geschehen war und erzählte selbst. Sein Blick viel auf mich und er winkte mich zu sich.
Unsicher trat ich einige Schritte auf ihn zu, wackelte allerdings mehr, als das ich tatsächlich ging. Ich fühlte mich nicht wohl auf diesem Gefährt und hoffte inständig, dass wir es bald wieder verlassen konnten.
"Darf ich vorstellen: Evelyn Jones, die Dame, die uns alle retten wird!", verkündete Lyael mit lauter Stimme und augenblicklich wurde es um uns herum still. Auf einmal galt mir die ganze Aufmerksamkeit, was mir mehr als unangenehm war. Ich stand nicht gerne im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit, es war immer Anna, die die feine Gesellschaft um den Finger wickelte und das beste aus einer Situation machte. Meine Sehnsucht nach ihr traf mich völlig unvorbereitet und ich spürte, wie sich Tränen in meinen Augenwinkeln sammelten. Unauffällig versuchte ich, sie mit einem Finger wegzuwischen und tat so, als würde ich mir die Augen reiben, während ich starr lächelte.
"Das ist die Teespringerin?", fragte Aniel und sah mich recht ungläubig an. Und ich fragte mich, wie viel die Männer über mich wussten, was ich selbst nicht wissen konnte.
Lyael neben mir nickte bedächtig und bot mir seinen Arm an, damit ich mir unterhaken konnte. Dankbar nahm ich die Aufforderung an und hielt mich an ihm fest.
"Ich will, dass ihr euch von eurer besten Seite zeigt, ihr Landratten, solange die Lady auf dem Schiff reist!", befahl Lyael und ein paar Männer grinsten, als gingen ihnen unflätige Gedanken durch den Kopf. Ich war mehr als erstaunt, dass sie damit sofort aufhörten, als Lyael ihnen einen mahnenden Blick zuwarf. Er strahlte absolute Autorität aus und es schien mir, als würde er solche Art des Spaßes nicht dulden. Wofür ich sehr dankbar war. Scheinbar gab es einige Dinge, für die ich diesem Mann dankbar war und ich hoffte, die Liste würde sich nicht fortführen, denn ich stand nicht gerne in jemandes Schuld. Auch wenn ich das tatsächlich noch nie ernsthaft getan hatte, so mochte ich es dennoch nicht.
Lyael sah mich von der Seite an und drückte kurz meinen Arm.
"Möchtest du etwas sagen?"
Ich schluckte, denn ich hatte wahrlich nicht damit gerechnet, irgendetwas sagen zu müssen. Tatsächlich hatte ich darauf gehofft, ein Zimmer zugewiesen zu bekommen und bis zum Ende der Reise nicht mehr hervorkommen zu müssen. Stattdessen spürte ich, wie meine Füße einen Schritt vortraten und ich mich verhalten räusperte. Tat ich das gerade wirklich?
"Ehrlich gesagt weiß ich immer noch nicht so genau, was ich hier tue", sagte ich und bekam von allen Seiten belustigtes Lachen zu hören. Unsicher sah ich zu Lyael, der mir sachte zunickte.
"Nun, auf ein frohes Herausfinden, was hier vor sich geht", rief ich daher etwas zu enthusiastisch, doch es war wohl genau das richtige gewesen, denn lautes Grölen machte sich breit und Lyaels Crew stieß begeistert die Fäuste in die Luft. Auch wenn ich das Gefühl hatte, dass die meisten wussten, weshalb ich hier war, war es doch schön zu sehen, dass sie sich über meine Worte freuten. Und das freute mich.
Ich sah zu Lyael, der mich anlächelte und mein Selbstbewusstsein stieg ein wenig an. Mit einem Mal hatte ich das Gefühl, nicht mehr ganz so überfordert zu sein und ich nahm mir vor, Lyael später alle Geheimnisse zu entlocken, die es zu entlocken gab.
Ein Gedanke schob sich hartnäckig in den Vordergrund meines Bewusstseins und ich war nicht in der Lage, ihn zu verdrängen. Vielleicht würde ich ja sogar zu den Waffen einer Frau greifen und mich an der Kunst der Verführung probieren. Dieser Gedanke faszinierte wie erschreckte mich und ich spürte, wie sich meine Wangen rötlich färbten. Schnell trat ich wieder zwei Schritte zurück und überließ Lyael das Wort.
"Und jetzt setzt Segel und haltet Kurs auf das nächste Festland! Ihr wisst, wo ich hinwill!", schrie er und wedelte mit den Armen. Dann wandte er sich mir zu.
"Und ich sorge dafür, dass du in Kapitänskajüte unterkommst. Meine Dame soll ein gutes Bett zum schlafen haben."
Ich wusste nicht recht, was ich dazu sagen sollte, vor allem, da er mich als seine Dame bezeichnet hatte. Die Röte wollte und wollte nicht verschwinden.
Lyael hob mir seine Hand entgegen und ich ergriff sie vorsichtig, dann folgte ich ihm unter Deck.___
Hallo ihr Süßen!
Ausnahmsweise kommt das neue Kapitel mal pünktlich :D
Was haltet ihr von Evelyns plötzlichem Gedanken? Ich muss gestehen, so hatte ich das nicht geplant, aber die gute macht sich langsam selbstständig xDHinterlasst mir gerne einen Kommentar, wie ihr das neue Kapitel fandet, eure Meinung interessiert mich wirklich sehr :D
Liebste Grüße,
eure Lizzy
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Die Teechroniken
Historical FictionEngland, 1880 Evelyn Jones ist leidenschaftliche Teeliebhaberin, aber immer noch auf der Suche nach dem perfekten kleinen Glück: einem außergewöhnlichen Teeladen. Als sie durch Zufall auf "Ms. White's Teashop" stößt, kann sie nicht anders, als die v...