Kapitel 11

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Die Kapitänskajüte sah sehr luxuriös aus. Der Boden war mit dunklem Holz belegt, die Wände mit etwas hellerem Holz verkleidet und in der Mitte der Kajüte stand ein großes Himmelbett. Hier schlief Lyael?

"Und wo wirst du schlafen?", fragte ich und er drehte sich zu mir um, sah mir tief in die Augen.
"Nun, nicht hier." Die Spannung, die sich aufgebaut hatte, verflog im Nu. Oder bildetete ich mir das lediglich ein? Verwirrt schüttelte ich den Kopf und trat ein paar Schritte in die Kajüte, um mich genauer umzusehen.
"Leider kann ich dir keine Kleidung anbieten, wir haben nichts, was eine Lady tragen würde", sagte Lyael. "Ich kann dir aber anbieten, eine Hose und ein Hemd von mir zu tragen."

Bestürtzt sah ich ihn an. Das konnte er unmöglich ernst meinen. Es ziemte sich nicht für eine Frau, in Männerkleidern herumzulaufen.

"Jetzt schau nicht so", meinte er. "Oder willst du diese Kleider die ganze Zeit anbehalten? Die sind dreckig."

Ich sah an mir hinunter und stellte fest, dass der Saum meines Kleides mit Sand und Matsch bekleckert war, außerdem waren meine Pantoffeln schmutzverklebt. Ich musste wohl oder übel einsehen, dass ein Fünkchen Wahrheit in Lyaels Worten steckte.

"Warte, irgendwo habe ich vielleicht doch noch...", murmelte er und sah in seiner Kommode etwas nach. Ein paar Sekunden später hob er den Kopf und in der Hand hielt er ein dunkelgrünes Kleid. Ich hob eine Augenbraue und wollte den Mund gerade aufmachen und die Frage aller Fragen stellen, da blitzte er mich aus dunklen Augen an und fauchte beinahe schon: "Stell bloß keine Fragen. Hier." Er warf mir das Kleid zu und hastete dann zur Tür hinaus. Etwas hatte ihm die Laune verdorben, so viel war sicher. Doch was? Ich war sicher, ich würde es noch herausfinden.

Ich überlegte gerade, ob ich mich hier umziehen konnte, ohne dass jemand hereingestürmt kam, da fiel mit der kleine glänzende Schlüssel auf, der neben der Tür an einem Haken baumelte. Erleichtert, nicht improvisieren zu müssen, nahm ich ihn, schob ihn in das Schloss der Tür und drehte ihn um. Es klickte, das Schloss rastete ein und ich atmete erleichtert auf. Auf einem Schiff voller Männer fühlte ich mich eindeutig wohler, mich bei abgeschlossener Tür umzuziehen.

Vorsichtig streifte ich mir mein altes Kleid ab und faltete es zusammen, damit möglichst wenig Sand oder Matsch in der Kajüte verteilt werden konnte, meine Pantoffeln zog ich ebenfalls aus, sodass ich barfuß auf dem erstaunlich weichen Holzboden stand. Ich nahm das grüne Kleid in die Hände und ließ den Stoff durch meine Finger gleiten. Er wirkte, als wäre er schon des öfteren getragen worden, doch so sehr war er nicht in Mitleidenschaft gezogen worden.

Mir drängte sich die Frage auf, was Anna wohl von all dem hier halten würde. Doch dann drängte ich die Gedanken an sie zurück, denn ich wollte jetzt sicher nicht in Tränen ausbrechen und mich fragen, wie ich hier wieder herauskam. Das waren Dinge, die ich noch nicht mit mir ausdiskutieren wollte. Schnell zog ich mir das Kleid an und stellte fest, dass es mir fast perfekt passte. An manchen Stellen saß es etwas locker, doch es fiel wunderschön an mir herunter und wenn ich mich drehte schwang der Rock weit aus.

Es klopfte an der Tür. "Evelyn?", erklang Lyaels tiefe Stimme und ich hob den Kopf von meinem neuen Kleid, um die Tür aufzuschließen.
"Ich würde dir gerne jemanden vorstellen", sagte er, als ich die Tür geöffnet hatte und ihn vor mir stehen sah. Er trat einen Schritt zur Seite und hinter ihm kam eine kleine, jedoch kräftige Frau zum Vorschein, deren Gesicht ebenso wie Lyaels braun gebrannt war. In ihren Augen sprang der Schalk herum und sie grinste mich verschlagen an.
"Das ist..."
"...Marylin, von den meisten aber Lin genannt", stahl sie Lyael die Wörter aus dem Mund und musterte mich von oben bis unten. Unangenehm berührt trat ich von einem Bein auf das andere. Lyael zog eine Augenbraue hoch und seine Mundwinkel zogen sich nach oben.
"Sie hat..."
"...ein wahnsinns Wissen über Teespringer, mehr noch als Lyael, und deswegen bin ich abgestellt, dir alle Fragen zu beantworten, die du hast." Sie überbrückte den Abstand zwischen uns und flüsterte mir ins Ohr: "Lyael hat bloß keine Lust und ein bisschen auch keine Zeit, dein wissbegieriges Hirn mit neuen Informationen zu versorgen." Sie zwinkerte mir zu und kicherte dann.
"Und was genau soll das nun heißen?", fragte ich, verwirrt von Marylins ungezwungener, schelmischer Art.
"Dass Lyael sich jetzt an Deck verzieht und uns in Ruhe schwatzen lässt." Sie scheuchte ihn davon, sein Lachen klang noch in meinen Ohren nach, und schloss die Tür hinter uns. Ein wenig war ich enttäuscht, dass Lyael nicht blieb, zumal Marylin angedeutet hatte, dass er keine Lust hatte, sich mit meinen Fragen herumzuschlagen, die zugegebenermaßen immer aufdringlicher wurden und endlich gestellt werden wollten. Doch das änderte nichts an dem seltsamen Gefühl, das ich verspürte, nachdem Lyael gegangen war. Zumal ich davon ausgegangen war, er würde mir alles erklären, was er selbst ja auch gesagt hatte. Doch dieses Rätsel würde ich jetzt nicht lösen können, deshalb drehte ich mich zu Marylin um, die erwartungsvoll auf dem Bett saß und nun links neben sich klopfte.

"Setz dich. Ich hoffe, ich kann alles zufriedenstellend beantworten."

Ich seufzte, ließ mich neben ihr nieder und sortierte meine Gedanken. Dann setzte ich an, die erste Frage zu stellen.


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Ihr Lieben.
Es tut mir leid, dass ich mich so lange nicht mehr gemeldet habe. Hier kommt nun das 11. Kapitel und es wird wie gewohnt weiterhin jeden Montag ein Update rauskommen. Danke für eure Geduld <3

Liebste Grüße (von eurer zutiefst entschuldigenden)
Lizzy :*

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