Kapitel 1

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„Marco Bott, Rekrut der 104. Trainingseinheit, geboren am sechzehnten Juni, am heutigen Tage verstorben. Der Tod war keiner natürlichen Ursache, sondern wurde durch einen Titanen herbeigeführt. Da dies ohne die Manipulation der Rekruten Annie Leonhardt, Reiner Braun und Berthold Fubar nie passiert wäre, können wir durchaus von einen Mord sprechen“, dröhnte eine laute Stimme. Ich hatte keine Ahnung woher die Stimme kam, was er oder es damit meinte, wo ich war oder was die Stimme die ganze Zeit von Tod redete. Ich konnte nicht tot sein. Das ist unmöglich! Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch es ging nicht und alles was ich sah, war ein grelles und leuchtendes weiß. „Wie sieht es mit den Sünden aus?“, sprach eine andere Stimme woraufhin die von davor erneut das Wort erhob. „Wie jeder Mensch hat auch Marco Sünden begangen, allerdings nur kleine und leicht verzeihbare. Wenn man dann noch bedenkt, dass er in seinen Leben viel gutes zum Wohle der Menschheit getan hat, kann man sich nicht beklagen!“ Es herrschte eine kurze Pause, bis die zweite Stimme erneut sprach. „Und was würden Sie vorschlagen? Hölle oder Freispruch?“ Hölle?! Okay, was geht hier vor. Die erste Stimme lachte kurz auf und redete dann erneut. „Wenn man bedenkt, dass der Angeklagte auf eine grausame Art und Weise ermordet wurde, er kaum Sünden begangen hat und das Potential zu einen guten Schutzengel hat, bin ich natürlich für Freispruch, euer Ehren.“ Aus allen Ecken kam ein zustimmendes Gemurmel, doch ich war nur noch mehr verwirrt. Wofür wurde ich eigentlich angeklagt? Das ist doch alles ein Scherz oder ein böser Traum. Genau! Ich werde jeden Moment neben Jean aufwachen und alles wäre okay… Jedenfalls dachte ich das, bis die zweite Stimme wieder ertönte. „Also gut, dann verkünde ich folgendes Urteil: Der Angeklagte, Marco Bott, wird wegen einen Mangel an Sünden, guten Taten und einen grausamen Tod freigesprochen und in die Abteilung von Kuchel Ackerman und Carla Jäger beordert. Dort soll er seine Ausbildung als Jean Kirschteins Schutzengel antreten!“ Ein Hammerschlag ertönte und kurz darauf hatte ich das Gefühl zu fallen. Ich wollte schreien, doch bekam keinen Ton heraus. In meinen Ohren hörte ich nur ein rauschen, ich fühlte mich wie betäubt, doch plötzlich hörte das Gefühl zu fallen auf. Ich konnte meine Augen wieder öffnen nur um festzustellen, dass ich in einer Art Büro an einen Schreibtisch saß. Die Wände und der Fußboden waren weiß, die einzigen Farbflecke im Zimmer waren der Schreibtisch, die Papiere, Akten und Stifte die da drauf lagen und eine Frau die mir gegenüber saß. Ihre Haut war Recht blass, die Augen waren irgendwie gräulich, ihre schwarzen Haare reichten ihr bis zum Rücken und trotz ihrer ernsten Gesichtszüge schenkte sie mir ein kleines Lächeln. Was mir aber am meisten auffiel war die weiße Kutte welche sie trug, der Heiligenschein, der ein paar Zentimeter über ihren Kopf schwebte und die mit weißen Federn besetzten Flügel an ihren Rücken. War das etwa ein Engel? Aber wie war das möglich? „Hallo, Marco“, sagte sie mit einer sanften Stimme. „H-Hey“, murmelte ich. „Du fragst dich bestimmt was du hier machst und ich werde auch alle deine Fragen sofort beantworten, aber erstmal hoffe ich, dass dich die Gerichtsverhandlung nicht zu sehr verwirrt hat“, meinte sie. Sollte das ein Scherz sein? Natürlich war ich verwirrt. Sie schien an meinen Gesichtsausdruck zu merken was ich dachte, denn sie fing sofort an alles zu erklären. „Ich weiß du willst es vielleicht nicht wahrhaben, aber du bist tot. Nach dem Tod wird jeder Mensch angeklagt um die Sünden zu überprüfen und zu überlegen, wie man mit der toten Person weiter verfahren soll. Himmel oder Hölle? Das ganze ist auch bekannt als das letzte Gericht. Tee?“, sie machte eine Pause und schob mir ganz nebenbei eine Tasse mit kochenden Tee hin, welche ich dankend annahm. Der Engel fuhr fort, während ich versuchte die neuen Informationen zu verdauen. „In deinen Fall hat man sich für den Himmel entschieden, also herzlichen Glückwunsch. Ich bin Kuchel Ackerman, die Abteilungsleiterin und deine Ausbilderin. Bei Fragen kannst du dich jederzeit an mich wenden.“ Kuchel holte ein Stück Papier aus einer der Akten und las etwas nach. „Genau. Eine Ausbildung dauert durchschnittlich einen Monat, dann musst du eine Prüfung bestehen und, wenn du sie bestehst, bekommst du deine Flügel und einen Heiligenschein verliehen, was dich dann offiziell zu Jean Kirschteins Schutzengel macht. Wir haben herausgefunden, dass ihr eine enge Verbindung zueinander hattet, weshalb es so das beste ist. Willst du Jean beschützen, Marco?“ Was war das denn für eine Frage? Natürlich wollte ich. Aber ich wollte immer noch nicht so ganz glauben, dass das alles echt war. Wie auch? Ich nickte auf die Frage, woraufhin mein Gegenüber erleichtert lächelte. „Das ist gut. Jean hat nämlich noch keinen Schutzengel, was unter Umständen gefährlich sein kann“, meinte sie ernst und sah mich dabei an. „Was die Schichten angeht, braucht auch ein Engel Mal Pausen. Mein Sohn zum Beispiel kann dank seines Überschusses an Schutzengeln rund um die Uhr bewacht werden, du alleine wirst Jean allerdings Mal ab und zu aus den Augen lassen müssen um Pause zu machen. Daher solltest du deine Pausen nach Jean richten. Wenn er im Dienst ist, gegen Titane kämpft oder sonstige gefährliche Aktivitäten verübt musst du an seiner Seite sein. Pause wird gemacht, wenn Jean isst, schläft oder einfach gar nichts tut.“ Ich war nicht wirklich damit einverstanden. Was wenn Jean sich beim Essen verschlucken und ersticken würde, oder er sich im Schlaf ausversehen mit den Decken strangulierte? Ich wollte mir das alles gar nicht ausmalen. Klar wollte ihn in wieder sehen, in den Arm nehmen und ihn sagen wie lieb ich ihn hatte, aber nicht zu früh. Er sollte so lange wie möglich leben und dafür würde ich auch sorgen. Das war wohl meine neue Aufgabe und ich würde sie ernst nehmen.

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