Die Tür vom Friseursalon fliegt auf und mein Dad kommt mit neuer Frisur heraus. "Wo ist er?", fragt André. "Da drüben", antworte ich und zeige auf ihn. Als er die Straße überquert hat folgen wir ihm und verstecken uns hinter der nächsten Hausecke.
Mein Dad bleibt plötzlich vor einer Vitrine stehen und betrachtet-was auch immer das sein mag- eingehend und geht schließlich in den Laden. Ich warte erst kurz dann trete ich davor, irgend so ein schickimicki Geschäft. Ich runzle die Stirn und frage mich, was er da wohl will.
"Sollen wir da jetzt auch reingehen?"André tritt neben mich. "Ja. Wir gehen einfach in eine Umkleidekabine"
In der Kabine ist es so eng, dass wir beide dicht nebeneinander stehen müssen(was ich persönlich nicht gerade schlimm finde)und das Licht flackert(das ist jetzt nicht so toll). "Wir beobachten doch nicht deinen Dad beim umziehen oder?", fragt er und verzieht etwas angeekelt sein Gesicht. "Ähm das übernehme ich schon", sage ich und klopfe ihm auf die Schulter. "Gut"
Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und versuche über die Umkleide zu spähen aber ich bin zu klein. "Du kannst dich auf den Hocker stellen", schlägt André vor und schiebt ihn zu mir herüber. Also steige ich rauf und wiederhole das ganze nochmal. Mein Dad geht mit einem Anzug hinein, hängt in auf den Hacken und zieht sich bis zur Unterwäsche aus. Er greift mit einer Hand nach der Hose doch dann fällt sein Blick auf etwas anderes, dass die Person vor ihm dort gelassen hat. Rote Damenunterwäsche mit Spitzen. Er legt die Hose auf den Boden und nimmt stattdessen den BH und zieht daran als wäre es ein Gummiband. Dann macht er die Tür auf und vergewissert sich, dass niemand davor steht. "Bitte nicht", murmele ich. "Was ist?", fragt André. "Schau selbst", sage ich.
"Ach du Scheiße. Dein Dad ist doch nicht schwul oder?... Oh Gott jetzt zieht er noch den Tanga an!" "Zeig!", rufe ich und schubse ihn. Ich steige wieder auf den Hocker doch plötzlich geht in unserer Kabine das Licht aus. "Warte kurz" André kramt in seiner Hosentasche rum und dann geht ein kleines Feuer auf. "Du bist genial", lobe ich ihn und reiße ihm gleichzeitig das Feuerzeug aus der Hand.
Damit ich genug erkennen kann halte ich die Hand mit dem Feuerzeug eine Armeslänge von Dad entfernt über seinem Kopf. Er betrachtet sich im Spiegel und probiert verschiedene Posen aus. Dann merkt er wohl, dass im der BH viel zu groß ist und stopft sich seine Socken rein. Das wird ja immer besser! Als er einen Schritt nach vorn macht bücke ich mich noch weiter vor und dann spüre ich wie der Stuhl langsam zurück rutscht und reagiere nicht rechtzeitig. Ich sehe zu wie mir das Feuerzeug aus der Hand fällt und falle gleichzeitig zurück. Und als ich mich schon auf meinen Aufprall vorbereite, schlingen sich zwei Arme um meine Hüften und ziehen mich hoch. "Dad", will ich schreien,"pass auf", aber bekomme nichts heraus als ein Flüstern. Ich rappele mich hoch und springe auf den Hocker, um Dad zu warnen, aber zum Glück hat ihn das Freuer nicht erwischt. Er sieht sich panisch um, packt sein Hemd damit er nicht in Damenunterwäsche rauslaufen muss und lässt es gleich wieder fallen weil es brennt. Schließlich rennt er doch raus und ich sehe nur noch wie die Tür hin und her schwankt.
"Wollen Sie...ähm die Unterwäsche nehmen?",fragt eine Verkäuferin, die ich gerade noch höhren kann. Ich öffne leicht die Tür und sehe wie sie eine Augenbraue hochzieht, nicht so, dass es unhöflich wirkt sondern nur ganz leicht. "Feuer, Feuer!", ruft mein Dad und rennt panisch um sich selbst im Kreis während er die Hände auf seinen Kopf legt. Dann bemerke ich ein Kichern etwas weiter links und sehe ein Mädchen, dass neben mir aus der Kabine gekommen ist und die gleichen Unterwäsche an hat wie mein Vater. Der einzige Unterschied besteht darin, dass sie ihr um einiges besser stehen. Sie hat ein Handy in der Hand und filmt das Geschehen wobei sie sich anscheinend sehr amüsiert. "Was ist wenn sie das auf Facebook oder YouTube oder so hochlädt?", denke ich laut und drehe mich zu André um, der auf den Hintern von dem Mädchen starrt. "Hallo?" ich wedle mit meiner Hand vor seinem Gesicht rum. "Äh... was?", sagt er und schaut mich entschuldigent an. "Das ist jetzt nicht dein Ernst oder? Die ist doch voll billig" "Kein Grund eifersüchtig zu werden", er zwinkert mir zu, "dein Hintern finde ich sowieso am geilsten" "Du Idiot", rufe ich, aber muss gleichzeitig lachen.
Wie auf's Stichwort dreht sich das Mädchen um. "Hey André und...Jenna!", ruft sie und kommt mit ihren Stöckelschuhen zu uns. ANNABELLE. Neeeeiiiin!!! "Hallo und ich heiße Jamie nicht Jenna. War ja klar, dass du nicht besonders klug bist", sage ich etwas abwegig. "Oh das tut mir aber leid Jamie. Was machst du denn hier in diesem Laden? Ich meine also... ich dachte du wärst nicht gerade so der Typ, der solche Sachen trägt" Ich tue mich schwer damit nicht ins stottern zu geraten, so wie sie da halbnackt vor mir steht und das noch ohne sich zu schämen. Dieses Mädchen hat ja echt Nerven! "Ach da liegst du ausnahmsweise sogar richtig. ICH bin sicher nicht so billig wie du." "Weißt du Jamie", sagt sie und pieckt mir dabei mit ihrem (perfekt lackierten) Fingernagel auf die Brust," die Jungs stehen darauf" Und dann schenkt sie mir eines von diesen Eines-Tages-wirst-selbst-du-das-kapieren Lächeln. "Danke für deine Fürsorge, aber ich weiß schon das dumme Jungs auf so was stehen. Aber André mag das nicht, er ist anders. Stimmts?", sage ich und schaue zu ihm. "Ja stimmt", murmelt er und wendet sein Blick nicht einmal von ihren Möpsen ab. "Und so viel dazu", lacht Annabelle und schenkt mir wieder dieses blöde Lächeln.
Ich balle meine Hände zu Fäusten "Du hast da einen Fusel, deswegen schaut er auf deine... ähm naja du weißt schon... Dinger" Und während sie noch ihre (perfekt gezupfte) Augenbraue hochzieht, packe ich André am Arm um diesen Laden zu verlassen. "Der Fusel ist immer noch da, soll ich ihn vielleicht entfernen?", ruft André ihr noch zu und grinst. Mein Griff verstärkt sich und er verstummt. Ich blicke noch ein letztes mal zurück und in ihrem Gesicht kann ich einen Ausdruck ganz deutlich erkennen: Ich habe gewonnen! Pff
Ich will die Tür hinter mir zu knallen lassen, aber da ein Türstopper eingebaut ist fliegt sie wie in Zeitlupe zu. Nicht mal auf die scheiß Tür ist verlass! "Was war denn das eben", frage ich gereizt. "Was?" "Tu nicht so unschuldig" "Achso. Das war doch nur Spaß. Ja ich weiß...tut mir leid...ich..." Irgendwie wird mir gerade klar, dass ich mich wie eine kleine, anhängliche Freundin anhöhre, die tausend mal auf die Mailbox spricht, wenn sich der Freund eine halbe Stunde nicht meldet. "Nein...nein schon okay es tut mir leid. Ich meine wir sind ja nicht ein Paar oder sowas also kann ich dir auch nicht verbieten andere Mädchen anzustarren" Aufeinmal verändert sich sein Gesichtsausdruck, er sieht fast...traurig aus. "Ja wir sind noch kein Paar", antwortet er und mir ist das Wörtchen noch natürlich nicht entgangen. "Vielleicht können wir das ja ändern", flüstere ich schüchtern, weil ich Angst habe, dass er das nicht will. Aber stattdessen geht er einen Schritt auf mich zu und ich einen kleinen auf ihn. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und er beugt sich zu mir runter.
Und als sich unsere Lippen fast schon streifen, gehen André und ich ruckartig wieder einen Schritt zurück, weil mein Vater aus dem Laden kommt. "Was macht ihr hier? Und warum seid ihr so schwarz angezogen", fragt Dad als er schließlich in seinem halb verbrannten Anzug neben uns steht. Schnell gehe ich alle Möglichkeiten durch, warum man am helllichten Tage ganz in schwarz angezogen sein könnte. "Wir sind jetzt Emos",kommt mir André zuvor. "Emos? Wie bitte?" Oh nein bitte kommt jetzt nicht schon wieder diese Geschichte. " Ich hatte einen Kollegen", fährt Dad mit ernstem Gesichtsausdruck fort,"der einen Cousar hatte, der einen Nachbar hatte dessen ungarischer Gärtner einen Sohn hatte und von diesem Sohn der beste Freund-" "Dad würdest du bitte zum Punkt kommen", unterbreche ich ihn genervt. "Jaja. Jedenfalls hat der Stiefbruder von dem besten Freund des Sohnes von dem ungarischen Gärtner einen Schüleraustausch in den Irak gemacht. Und dort wird dem Emo eine Gleichstellung mit dem Satanismus nachgesagt." So ein Streber! "Ja, André meint ja auch das wir die Kleidung von Emos ausgeliehen haben. Ach egal" "Aber das erklärt immer noch nicht warum ihr schwarz angezogen seid", bohrt er weiter.
Ich packe Andrés Arm und versuche traurig zu schauen:"Andrés Vater ist bei einem Autounfall gestorben. Wir gehen später noch zur Beerdigung " Ich merke wie er mich verwirrt von der Seite anstarrt. "Äh ja er ist tot", sagt er endlich. "Och du armer Knabe! Mein herzliches Beileid. Ich wollte gerade was Essen gehen und wenn ihr Lust habt kann ich euch mitnehmen. So als Ablenkung", antwortet Dad. Ich sehe jetzt einmal darüber hinweg, dass er tatsächlich das Wort Knabe benutzt hat.
Wir gehen in ein Restaurant und setzten uns an den für meinen Vater reservierten Tisch. "Dad?" "Ja Jamie?" "Mit wem triffst du dich eigentlich hier?", will ich wissen. "Ich habe letztens in so einem total guten Café gegessen und habe die Besitzer zum Essen eingeladen, weil das Essen dort einfach himmlisch war. Ah schau mal da kommen sie schon." Er steht auf und begrüßt die Besitzer dieses Cafés. Ich schaue hoch und da stehen Andrés Eltern. "Also", sagt Dad und zeigt auf mich "das ist meine Tochter Jamie und der Knabe neben ihr ist André ihr Spielkamerade. Seit bitte höflich zu ihm sein Vater ist gestorben und heute Nachmittag ist die Beerdigung." Andrés Vater verschränkt die Arme vor der Brust und sagt schließlich:"Ja, wir kennen uns schon" "Wirklich woher denn?" "Er ist mein Sohn"
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Immer Pech für Jamie
HumorJamie ist 15 Jahre alt. Nachdem ihre Eltern sich getrennt haben, fliegt sie mit ihrem Vater nach Portugal. Weißer Sand, Palmen, Meer und der süße Junge den sie kennenlernt, fast perfekt. Aber nur fast! Wären da nicht ihre Missgeschicke und ihr peinl...