einfache gedanken.

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"Du hast so recht."
"Hm?"
"Du hast recht. Mit Allem."
"Soweit würde ich nicht gehen."
Ich zuckte mit den Schultern.
Er lachte leise auf.
"Ich bin noch nie so einen Menschen begegnet.", murmelte ich, sah zu ihm, musterte seine wunderschönen Gesichtszüge.
"Warst du schonmal bei den Aussätzigen?", fragte er leise, sah ebenfalls zu mir. Langsam, unsicher schüttelte ich den Kopf.
"Lass uns morgen direkt am Tor treffen, ja?" Immernoch verunsichert und zögernd nickte ich.
"Sind ja auch nur Menschen..", murmelte ich und Julian nickte stumm.

"Was würde deine Mutter tun, wenn sie erfahren würde, dass du jede Nacht hier mit mit verbringst?", fragte er leise, nachdem wir uns lange angeschwiegen und die Stille der Nacht genossen hatten.
"Mich umbringen vermutlich."
Ich lachte kurz leise bitter auf.
"Warum?"
Ich zuckte mit den Schultern.
"Frag das nicht mich, frag sie das.", seufzte ich traurig und setzte mich auf. Es war warm heute Nacht, der Sommer trat ein. Ich atmete ein paar Mal tief durch, ich liebte diese abgekühlte Luft, stand langsam auf, setzte mich an das Ufer von dem kleinen See, ließ meine Finger durch das angenehm kalte Wasser gleiten. Komplett selbstverständlich breitete es sich in alle Richtungen aus, wie Gravitationswellen und stumm beobachtete ich sie, bis sie irgendwann nicht mehr zu erkennen waren.

Ich hörte, wie Julian langsam zu mir tappste, sich neben mir in das trockene Gras setzte und seinen Kopf auf meiner Schulter ablegte. Etwas verwirrt fing ich an zu lächeln.
"Mich macht das alles so fertig.", seufzte er flüsternd, ich sah zu ihm, legte vorsichtig meinen Arm um seine Schultern. "Was macht dich fertig..?", flüsterte ich ebenfalls leise, sah weiterhin auf das Wasser.
"Unsere Gesellschaft." Kurz schwieg er. "Ich habe immer gedacht, dass sich das alles irgendwann ändern würde. Dass ich mal Freunde finden würde, dass ich glücklich werden könnte, auch, wenn ich hier nicht reinpasse, nicht in dieses System. Ich hab immer gehofft, irgendwann so akzeptiert zu werden, wie ich bin und dass ich mich nicht verstecken muss mit meinen Vorstellungen von Liebe, Religion und Meinungen. Aber ich hab Angst, verstehst du? Angst davor, meine Mutter und meine Schwester zu verlieren, wegen diesem egoistischen, banalen Zeugs. Ich hasse meine Mutter dafür, dass sie dieses System nicht hinterfragt, sich einfach treiben lässt. Doch ich liebe sie, weil sie meine Mutter ist. Natürlich will ich bei ihr bleiben. Und egal, wie sehr ich gerne Ich-selbst sein würde, es geht nicht, nicht in dieser Zeit, nicht in dieser Gesellschaft, nicht, ohne irgendwelche Opfer davon zu tragen. Wie lange bleibt diese Welt noch so, wie sie jetzt ist? Wann kommt der Punkt, an dem die Leute aufwachen? Muss man sich diese selbstverständlichen, menschlichen Ansichten wirklich mit Gewalt erkämpfen? Warum versteht das niemand.. Luri, ich will nicht mehr. Mich macht das alles so fertig, ich fühl mich so alleine und unverstanden.", flüsterte er leise, verzweifelt, wischte sich über seine nassgewordene Wange, ich drückte ihn näher an mich, begann, leise, flüsternd mit den Versuch, ihm zu helfen. "Du bist erst 17. Du hast noch 60 Jahre Lebenszeit vor dir, vielleicht ändert sich dann ja was. Hör auf, so negativ zu sein.. Vielleicht kriegen wir es nicht mehr mit, aber die Enkelkinder unser Enkelkinder, vielleicht leben die in einer Zeit, in der wir gerne auch Leben würden. Ja, unsere Gesellschaft ist die größte Scheiße, ich hasse sie genauso, aber wir können kurzfristig sowieso nicht ändern. Nichtmal in 60 Jahren können wir diese Welt nach unseren Vorstellungen formen, wir können nur Denkanstöße geben, für Dinge, die wir zwar nicht mehr mitbekommen werden, aber Gedanken, die wir gerne umgesetzt hätten. Wenn du Du-Selbst sein möchtest, kannst du das hier, bei mir tun, wirklich. Ich verurteile dich für nichts, versprochen, okay? Außerdem sind wir doch.. sowas wie Freunde, oder?" Er nickte leicht, schien noch nicht so ganz überzeugt zu sein, doch ich seufzte nur leise, genoss seine Nähe und sah auf das klare, dunkle Wasser, in dem sich Mond und Sterne widerspiegelten.

"Du tust immer so, als wäre dir das alles egal. So.. als würdest du es einfach akzeptieren und hinnehmen, mit der selbstverständlichen Hoffnung, dass alles irgendwann besser wird.", flüsterte ich leise, erwartete keine Antwort, redete eher mit mir selbst.
"Tun wir das nicht alle?", fragte er leise, sah weiter starr auf das Wasser.
"Uns verstecken aus Angst vor Konsequenzen?"
"Wahrscheinlich."

forbidden love. [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt